Читать книгу Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck - Gisela von Mossen - Страница 133
- Velence-See -
Оглавлениеmit seinen hübschen Badeorten und Stränden hängen. Mit zehn Kilometern Länge und bis zu drei Kilometern Breite ist er Ungarns drittgrößtes Gewässer. Ein sehr schöner Parkplatz direkt am sandigen Ufer verlockte uns dazu, einen richtigen Faulenzertag einzulegen. Schon nach kurzer Zeit stürzten wir uns in die warmen Fluten, um danach auf unseren bequemen Liegen ein ausgedehntes Sonnenbad zu genießen, sich dabei in interessante Urlaubslektüre vertiefend oder einfach nur die Seele baumeln lassend. Schlanke Segelboote kreuzten vor dem leichten Wind, dazwischen zogen schneeweiße Ausflugsdampfer langsam ihre Bahn, dichter am Ufer Ruderboote mit ihren weithin quietschenden Riemen. Aus dem nahen Schilfgürtel ertönte ein vielstimmiger Chor seiner gefiederten Bewohner, die sich uns nach und nach völlig ohne Scheu vorstellten. Schwarze Blässhühner mit ihren weißen Stirnplatten zeigten uns ihre Tauchkünste, schlanke Silberreiher gingen graziös stelzend im Uferbereich auf Fischfang, nicht minder geschickte Fischer die pfeilgeschwind herabstoßenden Möwen. Eine neugierige Graugansfamilie präsentierte uns seinen vierköpfigen flauschigen Nachwuchs sogar aus nächster Nähe.
Auch Faulenzen macht irgendwann hungrig, also packten wir am frühen Abend alles zusammen, machten uns landfein und gingen, d.h. natürlich fuhren auf die Suche nach einem passenden Restaurant. Schon nach ganz kurzer Zeit entdeckten wir eine kleine Csárda, die urgemütliche Gaststube war mit allerlei Fischfanggerät geschmückt. Die berühmte scharfe Fischsuppe „Halászlé“ mussten wir unbedingt probieren. Zusammen mit dem ofenfrischen Brot schmeckte sie köstlich, wir benötigten aber außer dem herzhaften Wein unbedingt noch eine Flasche Mineralwasser zum Löschen.
Zum Schlafen kehrten wir zu unserer Idylle zurück. Bei weit geöffneten Heckfenstern genossen wir noch eine ganze Weile die herrliche Nachtluft. Inzwischen meldeten sich auch andere Bewohner des Schilfes zu Wort, die dort verborgenen Frösche gaben uns ein zwar wenig melodisches, dafür um so lauteres Quakkonzert. Ein silbrig glänzender Mond verbreitete seine schimmernde Bahn quer über den See, also wieder Romantik pur. Die Naturliebhaber unter den Lesern können sicherlich verstehen, warum das Fahren mit dem Wohnmobil für uns die schönste Art des Reisens bedeutete.
Gut ausgeschlafen, Wetter wie gehabt, setzten wir unsere Fahrt durch das wunderschöne Land am Freitagmorgen in wie immer entsprechender Stimmung fort. Schon nach etwa 15 km erreichten wir Székesfehérvár, die älteste Stadt Ungarns. Kelten, Römer und Germanen hatten an dem Ort bereits Siedlungen angelegt, der vom Ural kommende Magyarenfürst Árpád bei der Landnahme 896 dort sein Lager aufgeschlagen. Unter König Stephan I. (997-1038) wurde Alba Regia (der damalige Name=königliche weiße Stadt) königliche Residenz und blieb 500 Jahre lang neben Buda die Krönungsstadt der ungarischen Könige, wird daher auch Stadt der Könige genannt. Der deutsche Name der vorgenannten zungenbrecherischen Stadt lautet Stuhlweißenburg, „Stuhl“ bedeutet Königsthron, „weiße Burg“ freie königliche Stadt. 37 Herrscher wurden dort gekrönt, 18 beigesetzt. 1543 bis 1688 stand die Stadt unter türkischer Herrschaft und musste nach der Rückeroberung weitgehend neu errichtet werden, damals erhielt sie ihr barockes Gepräge, der gesamte Stadtkern steht inzwischen unter Denkmalschutz.
Für unsere übliche Sightseeingtour erwiesen sich die schmalen Gassen allerdings als zu eng, außerdem war eine große Zone den Fußgängern vorbehalten. Es gelang mir lediglich am zentralen Rathausplatz, das Mobi für ein paar Schnappschüsse zu verlassen. Dort gleich das erste Fotomotiv einer der bedeutendsten Barockbauten, der imposante ockerfarbene Bischofspalast (die Stadt wurde im Jahre 1777 zum Bischofssitz erklärt), bereits mit klassizistischen Anklängen. Heute beherbergt er eine umfangreiche Bibliothek. Seitlich davor der Reichsapfel-Brunnen, der an den 900. Todestag von König Stephan I. im Jahre 1938 erinnern soll (neben Krone, Zepter oder Schwert gehört der Reichsapfel zu den Königsinsignien); an der Südseite des Platzes das aus zwei Gebäuden bestehende Rathaus, wovon das ältere mit der von barocken Steinfiguren geschmückten Fassade besonders ins Auge fällt; ebenso geschmückt die Fassade der nicht weit entfernten Kathedrale, die quadratischen Türme gekrönt von barocken Hauben; nahebei auch die St. Anna-Kapelle, das einzige unversehrt gebliebene mittelalterliche Bauwerk in schlichtem gotischen Stil.
Am nördlichen Stadtrand entdeckten wir schließlich noch eine wahrlich architektonische Rarität, die nach ihrem Erbauer, dem Bildhauer, Maler und Architekten Jenö Bory benannte Bory-Burg, die er am Anfang des 20. Jh. schuf, ein als Ritterburg konzipiertes Architektur-Museum, das eine Ansammlung der verschiedenen Baustile repräsentiert, ein schönes Abschiedsmotiv von Székesfehérvár.
Weiter ging’s auf leicht gewundenen Landstraßen durch Wiesen und Felder, hübsche kleine Dörfer, ab und zu sieht man auch noch die attraktiven weißen Ziehbrunnen, bis wir den nur noch 30 km entfernten riesigen Plattensee (Balaton) erreichten, das „Meer der Ungarn“. Mit etwa 596 Quadratkilometern ist er das größte Binnengewässer Mitteleuropas. Er ist ein typischer Steppensee, extrem seicht, fast nirgends ist es mehr als drei Meter bis zum Grund.
Zunächst folgten wir der direkt am Nordufer entlangführenden malerischen Straße. Rechter Hand erheben sich die hügeligen Ausläufer des Bakonygebirges, der höchste Gipfel misst etwas über 700 m. Aus bunt gemischtem Laubwald ragen karstige Felsen empor, einige dekorativ geschmückt mit mächtigen Burgruinen. So weit das Auge reicht, erstreckt sich links die ausgedehnte Wasserfläche des Sees, schmale Kiesstrände wechseln sich ab mit verschilften Buchten oder hohen Lehmufern. Über Balatonalmádi, ein sehr verkehrsreicher Ort, den wir sehr schnell wieder verließen, gelangten wir in das gemütlichere Alsóörs, an dessen nördlich ansteigenden Berghängen Reben und Obstbäume gedeihen. Sehr hübsch das vom Somlyó-Berg winkende schneeweiße Wahrzeichen des Örtchens, die aus dem 13. Jh. stammende, 1807 umgebaute Reformierte Kirche.
Ein paar Kilometer weiter, an der so genannten Balaton-Riviéra, dann das feine, fast mondäne Heilbad Balatonfüred, noch heute beliebt wegen seiner kohlensauren Quellen. Im 19. Jh. traf sich hier alles, was Rang und Namen hatte. Ein wenig von diesem halb adligen, halb großbürgerlichen Fluidum hat sich der Ort bewahrt mit seinen schattigen Promenaden, altväterlichen Villen und prachtvollen Wohnhäusern in klassizistischem Stil. Schön ist auch der mehr als hundert Jahre alte Park zwischen Hafen und Kurplatz mit seinen mächtigen Baumriesen und vielen seltenen Pflanzen. An den Stegen im Hafen haben die Segler des Balaton ihren Stammplatz.
Als Nächstes lud uns die 5 km in den Balaton hineinragende Halbinsel Tihany zu einem Abstecher ein. Sie misst 12 Quadratkilometer und steht zum größten Teil unter Naturschutz, nicht zuletzt wegen der an ihren beiden hoch gelegenen Seen (einer davon ist fast ausgetrocknet) nistenden Wasservögel, darunter die selten gewordenen Graugänse. Umso erfreulicher der Besuch der kleinen Familie am Vortag! Das Fischerdorf Tihany mit seinen schilfgedeckten Häusern steht unter Denkmalschutz, auf einem Plateau in der Nähe erhebt sich in 80 m Höhe das Wahrzeichen der Halbinsel, die mächtige Abteikirche, 1055 gegründet und, nachdem sie 1702 beim Aufstand gegen die Habsburger gesprengt worden war, in barockem Stil wieder aufgebaut. Ein großer Kontrast das moderne Erholungszentrum, das sich an der Spitze der Halbinsel ausgebreitet hat, es gibt ein großes Hotel, niedrige Ferienhäuschen, Badestrände und einen Bootshafen.
Da uns dort zu viel Trubel herrschte und wir auch nirgends einen geeigneten Stehplatz entdecken konnten, kehrten wir an unsere Uferroute zurück. Auch dort bot sich wegen des geschlossenen Schilfgürtels keine Möglichkeit. Also entschlossen wir uns in dem kleinen Örtchen