Читать книгу Banditen greifen an! Sammelband 4 Western - Glenn Stirling - Страница 18
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ОглавлениеEin feuchtes Tuch kühlte die Beule hinter Felipes Ohr. Sein Kopf schmerzte. Er lag auf dem Bauch. Die Stäbe eines eisernen Bettgestells ragten vor ihm auf. Die Wand war mit einer geblümten Tapete bespannt. Im Zimmer roch es nach billigem Parfüm. Felipe hörte ein Rascheln und drehte sich auf den Rücken. Jill stand vor dem Spiegel.
»Ausgeschlafen, Amigo?«
Felipe brauchte eine Weile, bis er sich an alles erinnerte.
»Wo ist mein Colt?«
Jills grüne Augen verdunkelten sich.
»Du redest wie ein Revolverschwinger.« Sie deutete auf das Kästchen neben dem Bett. Felipes 44er lag darauf. »Du brauchst ihn nicht. Du bist hier sicher. Mein Zimmer liegt überm Silverking Saloon, in dem ich arbeite. Du kannst dich bei Virgil Earp für die Kopfschmerzen bedanken, aber auch dafür, dass Floyds Schießer dich nicht in die Mangel nahmen. Er brachte dich her.«
»Eine Stadt voller Verrückter.«
»Dann bist du ja richtig. Was ist bloß in dich gefahren, als du plötzlich auf die Kutsche losgingst, in der Floyds Frau saß? Kennst du sie?«
Felipe stellte die Füße auf den Boden, blieb aber sitzen. Sekundenlang drehte sich alles.
»Ich hielt sie für meine Schwester«, wiederholte er.
»Verrückt! Sie ist die Tochter eines reichen Haziendero aus der Gegend um Nacozari. Floyd ist fast dreißig Jahre älter und höllisch eifersüchtig. Die zweitgrößte Mine im Tombstone-Bezirk gehört ihm. Seine Revolverschwinger hast du ja kennengelernt. Ines Floyds Vater ist erkrankt. Deshalb reist sie nach Mexiko. Floyds Leute haben erst vorige Woche eine neue Erzader gefunden. Wahrscheinlich hätte er sie sonst nicht allein fahren lassen.«
»Zum Teufel mit ihm!«
Jill brachte ihm einen Drink.
»Das wird dir helfen.« Sie lachte, als er zögerte. »Hast du Angst, dass ich dich vergifte?«
Sie setzte sich neben ihn. Felipe drehte das Glas.
»Warum tust du das alles für mich?«
»Hab ich dir nicht schon gesagt, dass du mir gefällst?«
Felipe trank. Es war hochprozentiger Whisky. Er musste die Zähne zusammenbeißen, aber danach ließen die Kopfschmerzen tatsächlich nach.
»Noch einen?«, fragte Jill. Er spürte die Wärme ihres Körpers durch das dünne Kleid. Eine Ader pochte an ihrem schlanken, weißen Hals. Felipe schüttelte den Kopf.
»Ich soll dir übrigens ausrichten, dass der Marshal dich nach dem Zwischenfall mit Floyd morgen nicht mehr in der Stadt sehen will. Er locht dich sonst ein. Ich kenne Virgil. Er meint’s ernst.«
»Was wird hier eigentlich gespielt?«
»Ich wollte, es wär’ nur ein Spiel.« Jills Lachen klang bitter. Sie stand auf und ging zum Fenster. »Wenn meine Nase mich nicht täuscht, wird der Boothill von Tombstone bald wieder um einige Gräber bereichert, auf deren Steinen bekannte Namen stehen werden.« Sie drehte sich, den Finger an der Nasenspitze, aber mit einem traurigen Lächeln, zu ihm um.
»Ich will’s genauer wissen.«
»Für ’nen Vaquero, den der Zufall nach Tombstone verschlug, bist du zu neugierig.«
Aber dann berichtete Jill. Sie begann damit, dass Crawley P. Drake, der US Marshal für Arizona, Wyatt Earp beauftragte, das Bundesgesetz im Cochise County durchzusetzen. Seit Wyatt sich in Tombstone niederließ, war er vielen ein Dorn im Auge. Sheriff Johnny Behan gehörte zu ihnen. Es hieß, dass er mit den Clantons und McLowrys unter einer Decke steckte. Ihre Ranches galten als Treffpunkt der Gesetzlosen. Viehdiebstähle und Postkutschenüberfälle wurden ihnen angelastet, aber es fehlten Beweise.
»Wenn es doch welche gab, wurden sie von Behan unter den Teppich gekehrt«, meinte Jill achselzuckend.
Wyatts Verbündeter war John P. Clum, Bürgermeister, Vorstand des Sicherheitskomitees und Herausgeber des »Epitaph«. Clum war es auch, der durchsetzte, dass Wyatts Bruder Virgil zum City Marshal ernannt wurde. Morgan, der jüngste Earp, fungierte als Wyatts Gehilfe.
Die Behan-Partei warf ihnen vor, dass sie in die eigene Tasche wirtschafteten. Ihr Sprachrohr »The Nugget« und Clums »Epitaph« lieferten sich heftige Gefechte.
Schließlich war auch noch der berühmt-berüchtigte Spieler und Revolvermann Doc Holliday, mit dem Wyatt seit seiner Zeit in Dodge City befreundet war, nach Tombstone gekommen. Curly-Bill und Johnny Ringo wiederum hatten sich dem Clanton und McLowry-Clan angeschlossen. Damit war das Pulverfass im Cochise County komplett. Ein Funke genügte, es zu zünden.
»Vielleicht noch heute. Die Kutsche, mit der die Earps Rhett Emmery nach Tucson bringen wollen, steht bereits vor Wyatts Office. Wenn Emmery vor dem Richter auspackt, sind seine Komplicen geliefert. Ike Clanton, Frank McLowry und Curly-Bill werden alles dransetzen, damit die Stage Tucson nie erreicht. Das wissen natürlich auch die Earps …«
Mit wenigen Schritten war Felipe neben Jill. Die Toughnut Street lag unter ihnen. Die Dächer glänzten. Die Kutsche stand nur drei Häuser entfernt vor einem schmalen Gebäude, über dessen Eingang ein Schild mit der Aufschrift »US Deputy Marshal« hing. Es war eine gewöhnliche Wells-Fargo-Kutsche, aber ohne Gepäck auf dem Dach. Der bärtige Fahrer hielt Zügel und Peitsche.
Wyatt und Virgil brachten den Gefangenen heraus. Emmery trug Handschellen. Morgan sicherte mit einer doppelläufigen Schrotflinte. Passanten blieben stehen. Ein Wagen bog in die Gasse neben dem Silverking Saloon.
»Bring Conchita zurück«, hörte Felipe die flehende Stimme seiner Mutter.
»Du schwitzt ja!«, rief Jill. »Ich glaub, du brauchst doch noch ’nen Drink.« Sie trat an den Tisch, auf dem Flasche und Glas standen. Felipes Gedanken jagten sich. Die Outlaws würden bei dem Überfall auf die Kutsche keine Rücksicht auf den Kumpan nehmen. Hauptsache, er kam nie in Tucson an. Wenn aber Emmery im Kugelhagel starb, erfuhr Felipe womöglich nie, wo Conchita sich befand.
Wyatt stieß den Entführer nun ins Fahrzeug. Einen Augenblick lang sah Felipe Emmerys Gesicht am Fenster zur Straße, dann lehnte der Gefangene sich zurück. Die Tür blieb offen. Wyatt sprach noch mit Virgil. Inzwischen kletterte Morgan geschmeidig auf den Bock. Er setzte sich, die Schrotflinte zwischen den Knien, neben den Driver.
Felipe warf seinen zweiten Double Eagle auf den Tisch, schnappte sich den Colt und lief zur Tür.
»Bist du närrisch? Wo willst du hin?« Das Glas, das Jill eben füllte, zerbrach am Boden.
»Ich brauch’ dein verdammtes Geld nicht!«, verstand er noch. Da war er schon auf der Treppe.