Читать книгу Kleine Geschichte Oberfrankens - Günter Dippold - Страница 16
ОглавлениеDas Hochstift Bamberg
Nach den Erwerbungen, die dem Bamberger Bischof im späten 14. Jh. von den Truhendingern, aus dem Erbe der Schlüsselberger und vom Kloster Langheim gelungen waren, konnte er sein Hochstift nicht mehr nennenswert erweitern. Nur gelegentlich wurde ein kleiner Komplex, der an eine Ritterfamilie als Mannlehen ausgegeben war, nach deren Aussterben in bischöfliche Verwaltung genommen. Nach der Reformation zog der Bischof auch den Besitz aufgehobener geistlicher Institutionen – des Chorherrenstifts Neunkirchen am Brand und der Frauenklöster Schlüsselau sowie St. Maria und Theodor in Bamberg – ein.
Das Hochstift erstreckte sich vom Amt Teuschnitz im Norden bis nach Marloffstein vor den Toren Erlangens und nach Herzogenaurach im Süden. Es reichte im Nordosten bis nach Kupferberg und Marktschorgast, im Südosten bis Pottenstein, im Westen bis Zeil am Main (heute Unterfranken). Mehrere Landesteile waren ohne räumliche Verbindung zum Kernland: das Amt Zeil am Main, das von würzburgischem Gebiet umschlossen war, und das Amt Vilseck in der Oberpfalz, das sich inmitten wittelsbachischen Territoriums befand. Die größten Exklaven lagen in Kärnten und Österreich. 1674 wurden diese Güter mediatisiert: Die landesherrliche Gewalt ging vom Bamberger Fürstbischof an die Habsburger über; nur grundherrliche Rechte blieben bei Bamberg. Vollends verkaufte der Bischof seine in den habsburgischen Erblanden gelegenen Ämter 1759 an Kaiserin Maria Theresia.
Auch innerhalb Frankens bildete das Hochstift Bamberg kein geschlossenes Herrschaftsgebiet, und es besaß keine eindeutigen, klar zu ziehenden Grenzen. Die Hochgerichtsbarkeit spielte zwar für die Herausbildung und für das Selbstverständnis der fürstlichen Herrschaft die zentrale Rolle, aber seine Herrschaft konnte der Fürstbischof nur an den Orten oder auf den Anwesen durchsetzen, wo er selbst oder ihm unterstehende Körperschaften grundherrliche Rechte besaßen. Grundlage und Ausgestaltung der Landeshoheit waren alles andere als einheitlich. Der Fürstbischof beherrschte in Franken zuletzt 19 Städte, 23 Märkte und mehr als 700 Dörfer, aber die Basis und die Form seiner Herrschaft unterschied sich von Ort zu Ort.
Ansicht Bambergs in der „Weltchronik“ des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel, 1493
Im 15. Jh. regierte der Bischof selten über das gesamte Hochstiftsgebiet, denn es kam vor, dass das Hochstift, chronisch an Geldknappheit leidend, einzelne Orte oder ganze Ämter verpfändete. Gegen ein Darlehen – oft von Niederadligen – übereignete der Bischof dem Gläubiger Hochstiftsbesitz mit dem Recht des Rückkaufs; durch diese Verpfändung waren das Kapital gesichert und die Zinszahlung in Gestalt der anfallenden Abgaben gewährleistet. Der Geldgeber wurde – zugespitzt formuliert – Landesherr auf Abruf. Häufig blieben Ämter für wenige Jahre verpfändet, manchmal für Jahrzehnte. Dies kam jedoch nach dem 16. Jh. nicht mehr vor.
Der Fürstbischof
Der Landesherr im Hochstift Bamberg, der Fürstbischof, wurde seit dem 12. Jh. von den vollberechtigten Mitgliedern des Domkapitels gewählt, zumeist in geheimer Wahl und mit Hilfe von Stimmzetteln. In der Regel kürten die Domherren einen der ihren zum Fürstbischof: Sämtliche Träger dieses Amtes seit 1500 hatten vor ihrer Wahl dem Bamberger Domkapitel angehört. Alle Bischöfe führten die Regierung selbst, denn minderjährige Fürstensöhne bestiegen den Bischofsstuhl nie, da das Hochstift nicht in der unmittelbaren Einflusssphäre eines größeren weltlichen Fürstentums lag. Die Gewählten hatten durchweg bereits als Domherren Erfahrung in den Staatsgeschäften gesammelt.
Es kam gelegentlich vor, dass einem alt gewordenen Bischof ein Koadjutor zur Seite gestellt wurde, ein Helfer mit dem Recht, nach dem Tod des Oberhirten dessen Platz einzunehmen. 1708 nutzte Fürstbischof Lothar Franz von Schönborn (1655–1729), keineswegs regierungsunfähig, dieses Instrument, um seinem Neffen Friedrich Karl von Schönborn (1674–1746) die Nachfolge zu sichern.
Warum bei bestimmten Wahlen der eine oder der andere Kandidat die Mehrheit der Domherren auf seine Seite brachte, ist nicht in jedem Fall zu klären. Oft scheinen Verwaltungspraxis und diplomatische Fähigkeiten eines bestimmten Kapitulars entscheidend gewesen zu sein; ferner verbanden sich mit der Wahl eines bestimmten Mannes Erwartungen an seine Politik. Im Zeitalter der Konfessionalisierung versuchte die katholische Führungsmacht im Süden, das Herzogtum Bayern, die Wahlen auf bestimmte Kandidaten zu lenken; im 18. Jh. unternahmen hingegen der Kaiser, Frankreich und Preußen Anstrengungen, die Wahl zu beeinflussen.
Sitz des Bischofs und Hauptstadt des Hochstifts war und blieb Bamberg. Dies war durchaus nicht selbstverständlich, da doch mehrere Bischöfe im Reich aus ihrer unbotmäßigen, den Status einer Reichsstadt erringenden Domstadt (Augsburg, Speyer, Köln etc.) abzogen. Der Bamberger Bischof residierte in der einstigen Königspfalz neben dem Dom. Im 15. und frühen 16. Jh. diente immer öfter die Altenburg oberhalb der Stadt als Residenz, im späten 16. Jh. auch das Geyerswörth-Schloss am linken Regnitzarm mit seinem prächtigen Garten. 1602 begann der Bau eines neuen Schlosses innerhalb der Domburg, das ab 1697 unter Lothar Franz von Schönborn zur Neuen Residenz erweitert wurde.
Lothar Franz von Schönborn, 1693–1729 Bischof von Bamberg und 1695–1729 Erzbischof von Mainz. – Kupferstich, 1702
Die Neue Residenz zu Bamberg
Mit einem Werk von Leonhard Dientzenhofer (1660–1707), der Neuen Residenz zu Bamberg, beginnt die große Epoche barocken Bauens im Hochstift. Dientzenhofer, sowohl Planer als auch ausführender Baumeister, stammte aus dem oberbayerischen Gericht Aibling und war in Prag sowie auf Oberpfälzer Baustellen eines älteren Bruders geschult worden. Unter Einbeziehung eines 1605 entstandenen Residenzbaus errichtete er im Auftrag des Bamberger Fürstbischofs Lothar Franz von Schönborn ab 1698 einen langgestreckten, winkelförmigen Bau. Die spätere Idee, ihn zu einer Dreiflügelanlage auszubauen, blieb unausgeführt.
Das Residenzschloss birgt heute Schauräume aus der Bauzeit, aber auch aus der Phase als griechischer Exilhof (ab 1862). Ferner sind in ihm die auf 1811 zurückgehende, Teile der fürstbischöflichen Sammlung einschließende Staatsgalerie sowie seit 1966 die Staatsbibliothek Bamberg untergebracht. Deren Grundlage bildeten 1803 die Buchbestände der aufgehobenen Universität sowie der aufgelösten Klöster und Stifte.
Der Bischof verfügte zusätzlich über Nebenresidenzen. 1563 empfahl das Domkapitel ihm ausdrücklich, er solle nicht das ganze Jahr hindurch in Bamberg bleiben, sondern im Fürstbistum reisen. Im 15. und frühen 17. Jh. wurde die hochmittelalterliche Giechburg als Residenzschloss ertüchtigt. In der Stadt Forchheim, die seit dem 16. Jh. kontinuierlich zur südlichen Landesfestung ausgebaut wurde, hatte sich Bischof Lamprecht von Brunn (reg. 1374–1399) ab 1377 eine Pfalz errichtet, die mehrere seiner Nachfolger von 1515 an erweiterten. Wiederholt hielt sich der Bischof auf der Festung Rosenberg ob Kronach, der nördlichen Bastion des Hochstifts Bamberg, auf. In der Regel saß er jedoch in Bamberg, wenn nicht die Personalunion mit einem anderen Hochstift, wie sie zwischen 1617 und 1795 öfters vorkam, seine Abwesenheit verursachte. Ein Sommerschloss errichtete sich Bischof Marquard Sebastian Schenk von Stauffenberg (reg. 1683–1693) ab 1687 nahe seiner Hauptstadt: „Marquardsburg“ nannte man es anfangs nach dem Erbauer, später meist „Seehof“ wegen der großen Teichflächen, die an den ausgedehnten Park angrenzten.
Dom und Neue Residenz in Bamberg, im Vordergrund links das ehemalige Dominikanerkloster. – Fotografie des späten 19. Jhs.
Der neugewählte Fürstbischof zog, zuweilen erst nach Jahren, durch sein Land und ließ sich von seinen Untertanen einen Treueid schwören; so war es von 1459 bis 1750 üblich. Die Städte, in die er kam, waren dann mit Triumphpforten geschmückt, und örtliche Würdenträger hießen den Landesherrn mit ausgezirkelten Reden oder kunstvoll gefügten Poemen willkommen.
Das Domkapitel
Der Bischof war im Hochstift der Landesherr, jedoch herrschte er nicht unumschränkt. Eine bescheidene Rolle spielten die Landstände – sie mussten die Steuern genehmigen –, seit die Ritterschaft ab 1560 nicht mehr an Landtagen teilnahm. Die Städte und Klöster allein vermochten sich den Bitten des Landesherrn um Gewährung einer Steuer immer weniger zu entziehen. In der zweiten Hälfte des 17. Jhs. beseitigte der fürstliche Absolutismus die landständische Organisation vollends: Landtage wurden in Bambergischen nicht mehr einberufen; Steuern erhob der Fürstbischof ohne ihre Zustimmung.
Schloss Seehof mit Park. – Stich nach einer Zeichnung von Salomon Kleiner, Mitte der 1720er Jahre
Umso größeren Einfluss gewann das Domkapitel, dem schon von seiner Gründung 1007 an vornehmlich Adlige angehörten. Diese Praxis schrieben die Domherren 1390 fest: Wer ins Kapitel aufgenommen werden wollte, hatte nachzuweisen, dass er adliger Abstammung war, und zwar mehrere Generationen zurück. Diese Ahnenprobe wurde im Lauf der Zeit verschärft. Im 18. Jh. mussten sämtliche 32 Urururgroßeltern mindestens ritterlichen Familien entstammen.
Das Domkapitel bestand aus bis zu 34 Personen: aus 20 stimmberechtigten Domkapitularen (Vollmitglieder) sowie sechs emanzipierten und acht nichtemanzipierten Domizellaren (ohne Stimmrecht). Die Domherren hatten Anteil am Kapitelsvermögen, das zum größten Teil der Dompropst verwaltete. Ihn kürten sie aus ihrer Mitte. Daneben besaß jeder Domherr eine Reihe von kleinen Besitzgruppen, sogenannten Obleien, für sich allein.
Wichtigste Befugnis der Domkapitulare war die Wahl des Bischofs im Gefolge des Wormser Konkordats von 1122. Sie verschaffte ihnen Macht. Dank ihres Wahlrechts wurden die Domherren, wie sie 1576 selbstbewusst formulierten, zu des Stifts regirendt Mitglidt. Seit dem 14. Jh. war es üblich, dass die Neugewählten eine Wahlkapitulation beschworen, die alle Wähler zuvor beschlossen hatten. Dadurch versuchten die Domherren nicht nur, den künftigen Bischof auf eine bestimmte Politik festzulegen. Vor allem waren sie bestrebt, dem Domkapitel einen Anteil an der Herrschaft zu sichern. So errangen die Domherren im 15. Jh. Einfluss auf die Bestellung der hochstiftischen Beamten, und 1501 setzten sie den Anspruch durch, künftig das Finanzwesen des Staates mitzuprüfen. Ihre eigenen Ämter entzogen sie dagegen weitgehend der bischöflichen Herrschaft. Zwar verbot der Papst 1695 Wahlkapitulationen grundsätzlich, doch gab es sie weiterhin, nun eben unter anderer Bezeichnung.
Entscheidend für die Verfassung waren die Persönlichkeiten, die hinter dem geschriebenen Wort standen. Ein schwacher Bischof hatte dem Domkapitel viel zuzugestehen und dies dann auch einzuhalten; ein starker Fürstbischof, zusätzlich gestützt durch Kaiser, Papst oder mächtige Fürsten, konnte dagegen regieren, ohne allzu viel Rücksicht auf seine Domherren und auf seine Wahlkapitulation zu nehmen.
Klösterliche Unabhängigkeitsbestrebungen
Im Hochstift Bamberg gelang es keiner Stadt und keinem Stift oder Kloster, sich von der bischöflichen Herrschaft zu befreien. Dabei ließ es zumal das Zisterzienserkloster Langheim nicht an entsprechenden Versuchen fehlen. Der langheimische Besitz blieb also Teil des Hochstifts Bamberg, sofern er nicht im Herrschaftsbereich eines anderen Fürsten lag. Erst 1741 gab Langheim sein Streben nach Reichsunmittelbarkeit auf; im Gegenzug machte der Fürstbischof der Abtei Zugeständnisse, indem er seine Herrschaftsausübung in langheimischen Orten einschränkte oder dem Kloster besondere Befugnisse wie die Jagd auf Hochwild einräumte.
Wie Langheim wollte auch dessen Mutterkloster Ebrach, die erste Zisterze rechts des Rheins, die Reichsunmittelbarkeit erlangen. Die Abtei im Steigerwald, in deren Kirche sowohl Angehörige des staufischen Hauses als auch (bis 1573) die Herzen der Würzburger Bischöfe beigesetzt wurden, erlangte kaiserliche Privilegien, die ihr umfassende Steuer- und Gerichtshoheit über ihre Zinspflichtigen zugestanden. Dennoch glückte es Ebrach nicht, sich aus der Herrschaft des Würzburger Fürstbischofs zu lösen. Jedoch beharrte das Kloster bis zu seiner Auflösung darauf, nur dem Kaiser untertan zu sein.