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Das Werden Oberfrankens

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Oberfranken ist eine junge Raumeinheit. Wenngleich der Begriff vereinzelt auftauchte, um höher gelegene Landstriche Frankens zu bezeichnen, so führte ihn doch erst König Ludwig I. von Bayern (reg. 1825–1848) auf Dauer ein. Im Herbst 1837 verfügte der Monarch einen Neuzuschnitt der acht „Kreise“ des Königreichs Bayern. Waren sie bis dahin nach Flüssen benannt, so beschwor der Monarch nun die Historie: Durch göttliche Vorsehung seien unter seinem Zepter mehrere der edelsten deutschen Volksstämme vereinigt, deren Vergangenheit reich an den erhabensten Vorbildern jeder Tugend und jeglichen Ruhmes ist. Daher sei es seine Absicht, die Benennung der einzelnen Haupt-Landestheile auf die ehrwürdige Grundlage der Geschichte zurückzuführen.

Bei Ober- und Niederbayern, bei Schwaben und bei der Oberpfalz konnte der König auf alte Namen zurückgreifen, wenngleich der Zuschnitt nicht immer den historischen Grenzen entsprach. Der Hauptteil des ehemaligen Fränkischen Reichskreises, der im frühen 19. Jh. an Bayern gefallen war, wurde in drei Kreise gegliedert. Ihre Namen waren Neuschöpfungen, die sich an den geografischen Gegebenheiten orientierten: Der Kreis, der die tiefst gelegenen Punkte einschloss, hieß Unterfranken; der Kreis, der mit dem Schneeberg und dem Ochsenkopf die höchsten Erhebungen Frankens besaß, wurde Oberfranken genannt.

Wenngleich das Oberfranken von 1837 seinen Umriss der königlichen Geschichtsbezogenheit verdankte, so band doch die Administration heterogene Räume zusammen. Oberfranken vereinigte in sich Gebiete ganz unterschiedlicher Tradition. Seine Hauptbestandteile waren das Hochstift Bamberg, über das bis 1802 der Bischof von Bamberg regiert hatte, und das Fürstentum Kulmbach-Bayreuth, das Markgrafen aus dem Haus Zollern beherrscht hatten, das 1792 Teil des Königreichs Preußen geworden war und das zuletzt unter französischer Verwaltung gestanden hatte. Ferner gehörten zum 1837 geformten Oberfranken mit Seßlach und Schlüsselfeld kleine Teile des einstigen Hochstifts Würzburg. Auch die Zisterzienserabtei Ebrach im Steigerwald war im Grunde würzburgisch, wenngleich sie bis zu ihrer Aufhebung 1803 den Anspruch erhoben hatte, reichsunmittelbar zu sein. Betzenstein, Gräfenberg und Hiltpoltstein hatten zum Landgebiet der Reichsstadt Nürnberg gezählt. Obendrein schloss Oberfranken zahlreiche Dörfer ein, die bis 1806 reichsritterlichen Familien untertan gewesen waren.

Eine Geschichte Oberfrankens bis ins frühe 19. Jh. muss also vom Nebeneinander des Fürstbistums Bamberg, des Markgraftums Brandenburg-Kulmbach und der ostfränkischen Reichsritterschaft erzählen.

Vielgesichtig wie in seinen historischen Wurzeln ist Oberfranken auch in naturräumlicher Hinsicht. Es umfasst Mittelgebirge wie Frankenwald und Fichtelgebirge, die einerseits aus landwirtschaftlicher Warte Ungunsträume darstellten, andererseits über Bodenschätze und ausgedehnte Wälder verfügten. Ihnen stehen die fruchtbaren Tallandschaften gegenüber, wie sie der Main und seine Quellflüsse sowie die Regnitz formten.

Die natürlichen Baustoffe ließen unterschiedliche Hauslandschaften entstehen: Holz dominierte in den Mittelgebirgsregionen, zunächst als Blockbau, später vor allem als Fachwerk. Die Außenwände waren – je näher das Haus bei den großen Schieferbrüchen des Frankenwalds stand, desto häufiger – mit dem „blauen Gold“ beschlagen. Als Werkstein diente im Umgriff des Maintals der Sandstein, bei repräsentativen Bauten in Form gleichmäßig behauener Sandsteinquader. Im Fichtelgebirge hingegen finden wir den Granit an Fenster- und Türgewänden.

Kirchlich war das einst von Bamberg und von Würzburg geprägte Gebiet katholisch, die einstigen Herrschaftsgebiete der Zollern sowie die Dörfer der Ritterschaft waren dagegen evangelisch. Jüdische Gemeinden bestanden in der Frühen Neuzeit vor allem unter niederadligem Schutz.

Das 1837 geformte Oberfranken erfuhr 1920 einen spürbaren Zuwachs, als aufgrund einer Volksabstimmung der Freistaat Coburg sich nicht dem neuen Land Thüringen, sondern Bayern anschloss. Dies bedeutete eine Neuorientierung, denn das Coburger Land hatte bis 1806 nicht zum Fränkischen, sondern zum Obersächsischen Reichskreis gehört, und es war in mancherlei Hinsicht mit anderen thüringischen Kleinstaaten verzahnt gewesen. Von Exklaven in den Haßbergen abgesehen, wurde das einstige Herzogtum, 562 km2 umfassend, zu Oberfranken hinzugefügt. Dessen Einwohnerzahl stieg dadurch um rund 75.000 auf etwa 750.000. Coburg jedoch, zwei Jahre zuvor noch die Hauptstadt eines deutschen Bundesstaates, war mit einem Mal bloß noch eine von zehn kreisfreien Städten in Oberfranken.

Bei der Gebietsreform von 1972, offenkundig von Süden her konzipiert, erlitt Oberfranken einen schmerzlichen Verlust: Der wirtschaftsstarke Raum um Höchstadt und Herzogenaurach fiel an Mittelfranken, ohne dass Oberfranken einen angemessenen Ausgleich erfahren hätte. Per Saldo büßte Oberfranken über 40.000 Einwohner und rund 300 km2 Fläche ein und war damit der Hauptverlierer der Reform.

Kleine Geschichte Oberfrankens

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