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Im klimatisierten Aufzug dudelte eine peinliche Coverversion von »Arthur’s Theme«. Bear summte den Refrain mit, aber als er die Blicke von Tim und Guerrera bemerkte, verstummte er.

»Was denn? Ich hab mich doch bloß geräuspert.«

Der Lift kam zum Stehen, und sie traten in ein Marmorfoyer, an dessen anderem Ende sich Glastüren mit dekorativen Gravuren befanden. Bear, der gerade äußerst geräuschvoll eine Dose Super Big Gulp geleert hatte, verschwand in einer Toilette.

Durch das Fenster des Foyers sah man vier Stockwerke weiter unten den South Rodeo Drive. Tim und Guerrera standen Schulter an Schulter und sahen zu, wie die Jaguare und Hummer das Morgenlicht reflektierten.

Guerrera drückte seine Fingerknöchel gegen den Unterkiefer, wie immer, wenn er nervös war.

»Du, hör mal, tut mir leid, dass ich gestern im Clubhaus so ausgeflippt bin.«

»Du hast dir Petes blöde Kommentare bloß ein bisschen zu sehr zu Herzen genommen.«

»Ich hab aber noch nie gesehen, dass du derart die Nerven verloren hättest.«

Tim lachte auf. »Du liest wohl keine Zeitung.«

»Du weißt schon, was ich meine. Du bleibst immer ganz ruhig, auch wenn du es nicht wirklich bist.«

»Die klopfen diese rassistischen Sprüche doch nur, um dich zu provozieren. Tu ihnen den Gefallen einfach nicht. Du darfst dich gefühlsmäßig einfach nicht drankriegen lassen von so etwas.«

Bear kam wieder aus der Toilette, rückte den Stern an seinem Gürtel zurecht, und Tim und Guerrera ließen ihre Konversation in stummem Einverständnis auf sich beruhen. Die drei steuerten auf die Rezeption zu und zeigten ihre Dienstausweise vor. Nachdem sie eine Viertelstunde gewartet und zwangsweise mit angehört hatten, wie die Empfangsdame am Telefon eine Spur zu laut ihren neuesten Shoppingfeldzug rekapitulierte, wurden sie ins Allerheiligste geführt, vorbei an einem Sekretariat und einer Kanzleiaushilfe, deren Kleidung deutlich verriet, dass sie noch hoch hinauswollte.

Dana Lake stand mit dem Rücken zu ihnen, so dass sich ihre Silhouette vor dem Fenster im Sonnenlicht abzeichnete. Ein schnurloses Headset bildete eine leichte Welle in ihrem Haar. »Wenn Sie uns nichts Besseres anzubieten haben, dann werde ich genau bis fünf Minuten vor Prozessbeginn warten, um meinen Mandanten dann im Handumdrehen rauszuholen. Damit hätten Sie sechs Monate lang Material für Ihre Anklage zusammengetragen, die niemals vor Gericht verhandelt wird. ... Ach ja, tatsächlich? Dann verschwenden Sie unsere Zeit doch bitte nicht mit solchen Scheißangeboten.«

Sie zog das Headset vom Kopf, schüttelte ihr Haar und drehte sich schwungvoll zu ihren Besuchern um. »Wagen Sie es bloß nicht, mit meinem Mandanten Schlitten zu fahren. Wenn Sie mit ihm reden wollen, dann besorgen Sie sich entweder eine richterliche Anordnung oder rufen Sie mich an.«

»Onkel Pete und ich haben uns allein geeinigt«, erklärte Tim. Sie warf das Headset auf ihren akribisch aufgeräumten Schreibtisch. »Ihre Dienstausweise.«

Sie reichten sie ihr, und sie notierte sich die Namen und Ausweisnummern auf einem gelben Block. Eine gerahmte Lithographie des Laughing-Sinner-Logos nahm die ganze Wand hinter ihrem Schreibtisch ein. »Für DL – die Freundin der Biker, meine toughe Braut«. Unter der Widmung die verschnörkelte Filzstiftunterschrift von Zauberstab-Danny.

An Tims Ausweis blieb Danas Blick eine Sekunde länger hängen. »Ich hoffe, Sie meinen nicht, Sie könnten mit Ihren publikumswirksamen Kunststückchen auch bei meinem Mandanten Erfolg haben, Deputy Rackley. Ich hätte Sie in der nächsten Sekunde beim Arsch.«

»Das ist keine große Kunst, Ms. Lake, mich hat jeder sofort beim Arsch.«

»Also. Sie haben die gesamte Organisation der Laughing Sinners schikaniert. Das ist ja mal eine richtig scharfsinnige Ermittlungstaktik. Steckten die Marshals auch hinter der gloriosen Idee, nach dem 11. September arabische Reisende mit Farbcodes zu versehen?«

»Sie vertreten also alle Sinners?«

»So ist es.«

»Wie muss man sich das vorstellen?«

»Nicht, dass Sie das etwas angehen würde, aber ich bin sozusagen beim Club angestellt.«

»Stell ich mir ziemlich lukrativ vor«, meinte Bear.

Ihre Augen glitten zu seinen Schuhen herab. »Ich muss meine Schuhe jedenfalls nicht im Discounter kaufen.«

»Wissen Sie denn, woher das Geld kommt?«

»Ihre Gehaltsschecks kommen von einer von Energiekonzernen protegierten Junta, die tyrannische Monarchien unterstützt und illegale Kriege führt, die gegen internationales Recht verstoßen und für die die UN kein Mandat erteilt hat. Sieht ganz so aus, als hätten Sie einem runtergekommenen Mädchen wie mir moralisch so einiges voraus. Aber lassen Sie uns jetzt doch bitte zum geschäftlichen Teil kommen. Ich berechne sechs fünfzig die Stunde. Dieses unterhaltsame Geplänkel mit den Herren von der Polizei hat mich bereits«, sie warf einen Blick auf ihre Baume & Mercier, »hundertfünfundzwanzig Dollar gekostet.«

»Ich bin sicher, Onkel Pete wird die Rechnung übernehmen«, meinte Bear.

»Gute Idee. Ich werde der Buchhaltung Bescheid geben.«

Tim zückte die behördliche Ausnahmegenehmigung, die es den Sinners ausdrücklich gestattete, bei ihrer morgigen Bestattungsprozession ohne Helme zu fahren. Sie senkte den Kopf, setzte sich eine randlose Lesebrille auf und sah sich das Schriftstück genau an. Als sie fertig war, flog die Brille auf den Block auf ihrem Tisch.

»Wieso machen Sie so etwas?«

»Reine Herzensgüte. Man hat mich gebeten, die Wogen zu glätten, damit die frommen Durchschnittsbürger unserer Stadt ruhig schlafen können.«

Sie faltete die Genehmigung wieder zusammen. »Wenn Sie versuchen, meine Mandanten hiermit aufs Kreuz zu legen, werde ich dafür sorgen, dass das durch die gesamte Presse geht.« Sie wirkte, als würde sie beim Sprechen nie Luft holen, ein Schnellfeuergewehr, das sie in den Jahren ihrer Auftritte vor Gericht perfektioniert hatte. »Es ist sowieso absurd, dass einem das Fahren ohne Helm überhaupt genehmigt werden muss. Seit Jahren reichen wir Petitionen gegen die Helmpflicht ein. So viel zu Patrick Henry – Sie wollen es den Leuten nicht selbst überlassen, ob sie ihren Kopf riskieren.«

»Das Gesetz zur Helmpflicht rettet ...«, begann Guerrera.

»Na großartig. Ein Erbsenzähler auch noch. Sie können nicht alles durch Rechenbeispiele rechtfertigen. Was Sie dabei nämlich außer Acht lassen, ist die Tatsache, dass Ihre Statistiken unsere Freiheit beschneiden. Wie viele Todesfälle weniger braucht es pro Jahr, damit heutzutage irgendetwas für illegal erklärt wird? Und was lassen Sie sich als Nächstes einfallen? Diätverordnungen, damit die Statistik der Herz- und Kreislauferkrankungen besser wird? Burger? Pommes? Wer sich das Supersize-Menü bestellt, wandert über Nacht in die Zelle? Was meinen Sie?«

»Tja, unsere Pommes sind eben noch echte Freiheitsfritten.«

»Wenn einer von den Nomads mit Ihnen Kontakt aufnimmt, möchten wir von Ihnen informiert werden«, erklärte Tim.

»Aber selbstverständlich. Mischen Sie sich einfach in alles ein, Sie können die Sterberate ja interpretieren, wie Sie wollen.«

»Ich bin nicht sicher, ob ich Sie richtig verstanden habe.«

»Biker sind echte Patrioten. So amerikanisch wie der Neoliberalismus. Sie haben nur eben ihre eigene Art von Gerechtigkeitssinn. Damit müssten gerade Sie doch etwas anfangen können, nicht wahr, wundersam rehabilitierter Deputy Rackley?«

Sie schien enttäuscht, als Tim nicht reagierte, aber es bremste sie auch nicht. »Während der ganzen Fehde zwischen den Sinners und Cholos hat sich der Club weder bei der Polizei beschwert noch Schutz angefordert. Sie hätten sie einfach in Ruhe weitermachen lassen sollen.«

»Damit sie sich in Ruhe gegenseitig umbringen können?«

»Immer noch besser, als das Leben von Polizisten und unschuldigen Unbeteiligten zu opfern. Und genau das ist passiert, als Sie ihnen Ihre Gesetze oktroyiert haben. Gesetze und Biker, das ist wie Natrium und Salpetersäure. Und Sie sind die kleinen Genies, die ja unbedingt mit dem Chemiebaukasten spielen müssen.«

»Mitläufer gibt es immer«, murmelte Bear.

»Schon wahr. So wie Sie drei zum Beispiel. Haben Sie es denn nicht manchmal satt, dass man Ihnen ständig vorschreibt, was Sie zu tun haben? Die Firmen bezahlen ihre Lobbyisten, die Gesetze werden verabschiedet, und Sie sorgen dafür, dass sie auch eingehalten werden. Steuergesetze. Drogengesetze. Patriot Act, Teil zwei. Wenn Ihnen Ihr Boss aufträgt, hierherzukommen und ein bisschen herumzuschnüffeln, dann spitzen Sie Ihre kleinen Ohrchen und machen brav, was man von Ihnen verlangt.«

»Ist mir noch gar nicht aufgefallen, dass ich mit gespitzten Ohren rumlaufe«, bemerkte Tim.

»Und meine Ohren stehen von Natur aus so ab«, verteidigte sich Bear.

»Und Sie«, mischte sich Guerrera ein, »stellen sich also aus reinem Widerspruchsgeist auf die Seite der Vergewaltiger und Polizistenmörder?«

»Lesen Sie denn gar keine Zeitung, Deputy ? Dieses Land verfault langsam von oben nach unten. Es gibt keine Seiten mehr.«

»Es gibt immer zwei Seiten«, widersprach Tim.

»Meiner Meinung nach nicht.«

»Ich wette, wenn man die Dinge so betrachtet, kann man nachts viel ruhiger schlafen.«

»Kommen Sie mir nicht so. Ich steh auf meinen Jaguar. Ich steh drauf, im gecharterten Jet zu fliegen. Ich steh drauf, sechs fünfzig pro Stunde zu berechnen. Und ich kann nachts wunderbar schlafen. Sie spazieren einfach hier rein, plustern sich auf mit diesem unhinterfragten Selbstbewusstsein des Bürgers aus dem Mittleren Westen und der Überzeugung, moralisch auf jeden Fall im Recht zu sein ...«

»Ich bin in Pasadena groß geworden, nicht im Mittleren Westen.«

»Das macht keinen Unterschied.«

»Finde ich schon. Ich wäre lieber im Mittleren Westen aufgewachsen.« Tim nickte Bear und Guerrera zu, dann verließ er mit ihnen das Büro. An der Tür blieb er noch einmal kurz stehen. »Also dann bis demnächst.«

Ihre Wangen waren immer noch gerötet von ihrer feurigen Tirade. »Wie kommen Sie denn darauf?«

»Ich habe vor, noch viele schöne Momente mit Ihren Mandanten zu verbringen.«

Die Meute

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