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Den Laurey zerrte an seinen Handschellen, so dass sich seine Schultern unter der Gefängniskleidung wölbten und die Muskeln unter seinem »FTW«-Tattoo spielten, das direkt über seinem Schlüsselbein lag. Er trug ein amüsiertes Lächeln zur Schau, bei dem er rechts und links jede Menge Zahnfleisch entblößte. Als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme hatte man in die Kette seiner Fußfessel einen Knoten gemacht, auf diese Weise war der Abstand zwischen seinen Knöcheln verringert. Kaner saß neben ihm auf der Rückbank des Transporters, leicht gebückt, um sich nicht den Kopf am Dach zu stoßen, wenn das Fahrzeug über eine Bodenwelle fuhr. Kaners Arme hatte man mit zwei ineinandergehakten Paar Handschellen fesseln müssen, da er zu breit gebaut war, um seine Handgelenke auf dem Rücken nebeneinanderlegen zu können. Als ehemaliger Sparringspartner von Tyson – während dessen Gefängnisaufenthalts – hatte er mehr als einmal seine Handschellen zerbrochen, darum hatte man ihm noch ein weiteres Paar um die Unterarme gelegt. Unter seinem wilden schwarzen Haarschopf sah eine eintätowierte Zweiundzwanzig hervor, die einen früheren Gefängnisaufenthalt verriet. Sein Gesicht war breit und derb, und seine fleischigen Ohrläppchen hatten kleine Fältchen dort, wo sie an seinem Schädel anlagen.

Den, Präsident der Nomads, eines frei umherziehenden Chapters der Laughing Sinners, und Kaner, der Enforcer der Biker-Gang, wurden unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen direkt nach ihrer Verurteilung ins Bezirksgefängnis San Bernardino gebracht, von wo sie mit Con Air in eine staatliche Strafanstalt überführt werden sollten. Sie waren für Folter und Ermordung von drei Mitgliedern der Cholos verurteilt worden, ein Racheakt für einen erschossenen Sinner. Den, der für seinen virtuosen Umgang mit dem Messer bekannt war, hatte die Köpfe der Opfer mit chirurgischer Präzision abgetrennt und sie ihnen in den Schoß gelegt. Vorsichtshalber hatte er noch ihre Herzen herausgenommen und sie auf der Schwelle des Cholo-Clubgebäudes deponiert. Diese Geste trieb den Streit zwischen Sinners und Cholos um einige Eskalationsstufen voran – ein Territorialstreit, in dem es um die Kontrolle über die Hauptverkehrswege des südkalifornischen Drogenhandels ging.

Deputy U. S. Marshal Hank Mancone, der unerschütterlich am Steuer des Transporters saß, war der Einzige in diesem Konvoi aus drei Autos, der weder Gefangener noch Mitglied einer Spezialeinheit war.

Frankie Palton auf dem Beifahrersitz, die vier Deputy Marshals im gepanzerten Suburban hinter ihnen und die beiden Männer in dem Fahrzeug, das fünf Meilen vor ihnen fuhr, gehörten alle zu der Spezialeinheit des Bezirks, die man einschaltete, wenn es um taktische Operationen oder Transporte auf höchster Sicherheitsstufe ging. Mancone war ebenfalls Deputy, aber da er schon fast das Rentenalter erreicht hatte und ganz zufrieden damit war, über seinen beschränkten Wirkungskreis zu meckern, zeigte er wenig Interesse an irgendwelchen Spezialeinheiten, es genügte ihm, sie hin und wieder zu chauffieren.

Palton drehte sich auf seinem Sitz um und fing durch die vergitterte Trennscheibe Dens selbstzufriedenes Grinsen auf. »Hübsche Tattoos.«

»Unsere Klamotten könnt ihr uns wegnehmen, aber nicht unsere Farben.«

»Was heißt denn FTW?«

»Fuck the World.«

»O Gott, noch so ein paar rührende Sprüche, dann werden mir die Augen feucht.«

Das Funkgerät knatterte. Jim Denley, Paltons Partner, meldete sich aus dem Auto hinter dem Transporter. »Schau mal rechts raus. Da kommen noch ein paar Biker.«

Palton warf einen Blick in den Seitenspiegel. Zwei Biker fuhren auf ihren röhrenden Maschinen vorbei, auf dem Soziussitz ihre heißen Bräute, die sich an ihre Rückenlehnen schmiegten und den Deputys träge zuwinkten. Drei weitere Biker fuhren rechts vorbei. Auf dem Rücken ihrer Lederjacken prangten ihre Farben und die verschmutzten Clublogos.

Mancones Griff ums Steuer lockerte sich erst wieder, als sich das Heulen der Harleys langsam entfernte. »Warum sind denn so viele Biker unterwegs heute?«

»Jetzt mach dich mal locker, Mann des Gesetzes«, tönte Den von hinten. »Das liegt an der Jahreszeit. Da findet der Love Ride in Glendale statt, der Long Beach Swap, der San Dog Run, die Left Coast Rally in Truckee, der Big Bear Ride, der Mid-State Holiday Hog Run in Paso Robles, der Squaw Rock Run, das Desert Whirlybird Meet.« Sein Grinsen erschien im Rückspiegel. »Im Moment sind sämtliche Möchtegerns auf den Straßen.«

Unter Kaners zotteligen Strähnen tönte seine Drei-Schachteln-am-Tag-Stimme hervor: »Aber die sind immer noch besser als ihr anständigen Bürger – ihr könnt ja nur in euren Käfigen spazieren fahren.«

»Hast du das gehört, Mancone?«, fragte Palton. »Wir müssen uns überhaupt keine Sorgen machen. Alles nur Möchtegerns. Und ich dachte schon, es gäbe einen Grund, warum ich diese Waffe trage.«

»Wenn ihr euch über so ein paar Wochenendkrieger aufregen wollt, bitte sehr«, meinte Den.

Aus dem Auto hinter Palton hörte man: »Scheiße. Schmierlappenalarm Nummer zwei.«

Zwei Reihen von Bikern drehten die Motoren hoch und fuhren rechts und links vom Transporter vorbei. Die aufgenähten Lederstreifen über den Logos auf ihren Jacken wiesen sie als Cholos aus. Unten konnte man ihre Ortsgruppe ablesen: PALMDALE. Wenige Minuten später fuhr ein dicker Biker an ihnen vorbei und sah sich die Gefangenen genau an. Als er verlangsamte, um sie anzuglotzen und ihnen den Mittelfinger zu zeigen, hob Palton seine MP5 an, bis der Schaft sichtbar wurde. Der Cholo gab Gas, sein Pferdeschwanz flatterte im Wind, und dann sah man die Beschriftung unten auf seiner Jacke: NOMAD.

Den lachte und rieb sich die Wange an der Schulter. »Der gute alte Meat Marquez. Seit seine Nomad-Kumpels ihr frühzeitiges Ende gefunden haben, muss der arme kleine Latino ganz alleine durch die Gegend fahren.«

Sie bogen um eine Kurve, hinter der sie der Anblick von Hunderten von Bremslichtern begrüßte. Während Mancone fluchend auf Schritttempo verlangsamte, funkte Palton das vorausfahrende Auto an. »Was ist denn mit dem Verkehr los?«

»Was für Verkehr? Wir sind ganz glatt durchgekommen.«

»Gab’s da ’nen Unfall?«

»Wahrscheinlich, aber haltet die Augen offen. Wir fahren an die Seite und warten.«

Sobald der Verkehr ganz zum Stillstand gekommen war, hielt ein Biker in einem Staubmantel, der ein paar Längen vor ihnen gefahren war, plötzlich an, an einer Stelle, an der sich der Abstand zwischen den stehenden Autos verringerte. Obwohl er auffällig klein war, strahlte er ein massives Selbstbewusstsein aus. Er drehte sich um und blickte zurück, so dass sich der Transporter in seinem Visier spiegelte. Das auffällige Indian-Logo verriet den Hersteller des Rahmens, aber der Rest des schlanken Motorrads schien eine Sonderanfertigung zu sein. Auf der linken Seite hing eine lederne Satteltasche, das Gegenstück auf der rechten fehlte jedoch. Der Biker ließ den Motor aufheulen, so dass man seine zornigen tausendzweihundert Kubik hörte.

Wieder Jims Stimme aus dem Funkgerät, und Palton antwortete: »Ja, wir haben ihn. Sieht aus, als würde er zu keiner bestimmten Gruppe gehören – er trägt jedenfalls keine Farben.«

Eine Harley fuhr auf der weißen Linie zwischen den Autoschlangen entlang, bis sie rechts neben dem Suburban und dem Transporter angekommen war. Der helmtragende Fahrer hielt sich ein paar Meter hinter dem anderen Biker, der im Leerlauf wartete.

Palton fasste seine Waffe fester und warf einen Blick in den Seitenspiegel. Jim hatte den Schaft seiner MP5 schon an der Schulter abgestützt, so dass sie jeden Moment einsatzbereit war. Unter dem linken Vorderrad des Suburban lag irgendetwas auf dem Boden. Palton justierte den Rückspiegel, bis er das Objekt identifizieren konnte.

Eine lederne Satteltasche.

Palton blickte wieder hoch und sah die leere rechte Seite der Indian vor ihm. Er hob die Waffe und fuhr herum. Den und Kaner hatten sich auf den Boden geworfen, kauerten sich gegen die Sitze und hielten sich schützend die Arme über den Kopf. Palton griff nach dem Funkgerät: »Scheiße, schnell runter von der ...«

In diesem Moment hob der Biker auf der Harley einen feuerzeuggroßen Zünder. Seine behandschuhte Hand drückte zu. Ein dumpfes Donnern. Der Suburban wurde von der Eruption des Feuerballs nach oben gehoben und fiel auf die Seite. Die Autos rundherum wurden durch die Druckwelle zur Seite gedrückt, die die Türen einbeulte und Fenster splittern ließ.

Der Transporter, dessen Heck von der Explosion des Fahrzeugs hinter ihm hochgeschleudert worden war, schlitterte auf den Vorderreifen vorwärts und schlug direkt neben der Harley wieder auf den Boden auf. Die Sicherheitsgurte schnürten sich Palton und Mancone abrupt in die Eingeweide, ihre Waffen knallten gegen das Armaturenbrett. Die Indian stand auf dem Ständer, der Biker saß umgekehrt auf dem Sitz und zielte mit einem AR-15 auf sie, das er unter seinem Mantel hervorgezogen hatte.

Die zwei Deputys blickten auf, als die erste Kugelsalve gegen das Fenster peitschte und sich in das Panzerglas fraß. Die innere Schicht splitterte zuerst, die Glasscherben flogen ihnen ins Gesicht. Als die Windschutzscheibe schließlich ganz nachgab, zuckten ihre Körper nur noch unkontrolliert wie Marionetten.

Der Mann war von seiner Harley gestiegen und schoss nun auf das Schloss der Schiebetür an der Seite des Transporters. Als sie schließlich aufglitt, warf er seine Waffe zu Boden und fing den Bolzenschneider auf, den sein Partner ihm zuwarf. Den rollte sich an den Rand und hielt ihm erst die Arme, dann die Beine hin, damit die Stahlkiefer des Werkzeugs kurzen Prozess mit den Ketten zwischen seinen Fesseln machen konnten. Dann sprang er aus dem Transporter und auf die führerlose Harley, wobei die Fesseln an seinen Handgelenken und Fußknöcheln mit ihren herabbaumelnden Ketten klirrten wie Schmuck. Als Kaner aus dem Transporter sprang, blieb er mit seiner Gefängniskleidung an einer scharfen Kante an der Tür hängen und zerriss den Overall dabei von oben bis unten. Kaner schwang sich hinter Den auf die Maschine, ihr Retter stieg hinten auf die Indian auf, und dann fuhren die beiden Motorräder in verschiedene Richtungen davon.

Die vier Deputys in dem umgestürzten Suburban rangen mit ihren Sicherheitsgurten, husteten Glas aus und bluteten aus den Ohren. Zwei Motorradreifen rasten an ihnen vorbei, allerdings in die falsche Richtung. Unzählige Alarmanlagen heulten, der gequälte Schrei eines Verletzten ging in ein Gurgeln über.

Der Wind erfasste die frei herabhängenden Ketten an Dens und Kaners Fesseln und zog sie in die Horizontale. Kaners Hemd wurde vom Fahrtwind aufgerissen und entblößte seinen Rücken, auf dem er sich in Orange und Schwarz das Clublogo hatte eintätowieren lassen. Sie jagten davon, und der flammende Totenschädel auf dem pfeilschnellen Motorrad brüllte den Toten und Verletzten ins Gesicht.

Die Meute

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