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Jeder Deputy bekam sechs Namen und eine geladene Waffe. Mittlerweile hatte man alle Sinners aus dem Mother-Chapter mit einem Namen und jede Schnitte mit einer Arbeitsstelle oder einer Gas- oder Telefonrechnung in Verbindung bringen können. Der Schlüssel der Ermittlungen lag allerdings darin, langsam, aber sicher die Verstecke der Nomads einzukreisen – Garagen, Häuser, die Wohnzimmersofas von Familienmitgliedern, die Abstellkammern in den Geschäften der Sinners.

Als Erstes hielt Tim an einem der renovierten Wohnblocks in Fillmore. Er umrundete die umliegenden Blocks einmal in seinem staatseigenen Buick Regal, hielt nach geparkten Choppern Ausschau, fand aber keine. Das Apartment lag im inneren Teil in einem der gut beleuchteten Blocks – nicht gerade das ideale Versteck, denn zum einen war es hier viel zu hell, zum andern gab es keine besonders guten Fluchtwege. Ein Blick in verschiedene Fenster bestätigte, dass sowohl Schlafzimmer als auch Bad leer waren. Im Wohnzimmer saß eine junge Frau – die WG-Mitbewohnerin – missmutig auf einem flauschigen Sofa, sah sich eine Wiederholung von »California Highway Patrol« an und zupfte am Saum ihres Bademantels herum. Der Teppich war mit Kleidungsstücken übersät.

Tim klopfte und wartete, bis die Tür geöffnet wurde.

»Guten Tag. Ich bin Tom Altman, Baurechtsinspektor. Ich gehe hier einigen Unregelmäßigkeiten nach. Sie sind ...?«

Das Mädchen schien unbeeindruckt von Tims Dienstmarke und seiner dringlichen Miene. »Sonia Lawrence.«

Er runzelte die Stirn. »Ich dachte, dieses Apartment ist an Babe Donovan vermietet?«

»Ja, ich hab aber ein Zimmer in Untermiete.«

»Ist sie zu Hause?«

»Die ist nie da. Die hat bloß ihr ganzes Zeug hier. Überall Schauen Sie sich das mal an. Macht mich echt wahnsinnig so was.«

»Sie wohnt aber hier?«

Sonia hustete ein Lachen hervor, und ihre Ponyhaare flogen in alle Richtungen. »Versuchen Sie mal, auf dem Laufenden zu bleiben, wo sich Babe Donovan gerade aufhält. Das hab ich schon vor langer Zeit aufgegeben.«

»Wann haben Sie sie denn zum letzten Mal gesehen?«

»Sie haben sie gerade verpasst. Sie ist vorbeigekommen, um was mitzunehmen. Gibt’s irgendein Problem wegen der Wohnung?«

»Nein. Sie hat bloß ein paar Papiere, um die ich sie gebeten hatte, nicht zurückgeschickt, und ich brauchte nur noch ihre Unterschrift. Wissen Sie, wohin sie gegangen ist? Die Frist für die Einreichung der Dokumente läuft nämlich morgen ab, und ich möchte diese Wohnung ungern den Behörden melden.«

Das Mädchen schien nun doch Angst zu kriegen. »Sie hat mich gefragt, ob ich zum Rock Store mitkommen will. Sie wissen schon, dieser Biker-Treff in den Malibu Hills. Einmal hat sie mich dahin mitgenommen. Ich hab allerdings nicht kapiert, was da so toll sein soll.«

»Sie haben gesagt, sie sei vorbeigekommen, um etwas abzuholen?«

»Ja. Einen großen Umschlag.«

Mit gefälschten Führerscheinen? Wenn Babe tatsächlich Führerscheine gefälscht hatte, dann gab es nun zumindest den schwachen Hoffnungsschimmer, dass sie sie Den noch nicht übergeben hatte. Kaner und er waren ja erst einen Tag zuvor ausgebrochen.

»Vielleicht waren das ja die Dokumente, die ich brauche. Sie hat sie mitgenommen?«

»Ja.«

»Stand irgendetwas drauf?«

»Ich hab nicht gelesen, was draufstand.«

»Hat sie gesagt, ob sie heute Abend wiederkommt?«

»Nein. Wahrscheinlich bekomme ich sie jetzt wieder ein paar Wochen nicht zu Gesicht. So ist sie eben.«

»Okay, danke für das Gespräch.«

»Warten Sie mal. Und wenn Sie sie jetzt nicht finden, was dann? Sie setzen uns doch nicht an die Luft, oder?«

»Ich hoffe nicht. Ich werde zusehen, dass der Anwalt des Hausbesitzers die Papiere gleich morgen früh unterschreibt. Ich wollte nur nicht so gerne selbst mit dem Anwalt zu tun haben.«

»Wenn Sie sie sehen sollten, richten Sie ihr bitte aus, sie soll das Geld für die nächste Monatsmiete dalassen.«

»Mach ich.«

*

Ein paar Heils Angels, die ihre Ziegenbärte und die Jacken mit den geflügelten Totenschädeln zur Schau trugen, kippten ihr Bier und rauchten Joints an den Picknicktischen vor dem Rock Store. Die Sonntagsfahrer – es mochten um die hundert sein – hielten respektvollen Abstand. Die Kneipe in Malibu, die auf T-Shirts und Bierkühlern als »America’s Nr. 1 Pit Stop« beworben wurde, zog eine seltsame Mischung von Kunden an. Loser in Lederjacken, Schauspieler für Schurkenrollen, Börsenmakler auf ihren PS-starken Joghurtbechern. Ein Laden mit Biker-Artikeln nahm die Front des Steinhauses ein, nach oben hin verwandelte sich der Bau dann in eine kleine Burger-und-Bier-Kneipe, aus der man über eine verlotterte Veranda blickte. Die meisten Biker versammelten sich an der niedrigen Betonmauer neben der Kneipe oder an der fleckigen Eiche, die vor dem Nebengebäude stand, dem schmierigen Diner des Rock Store.

Tim arbeitete sich durch die Menge und drehte eine vollständige Runde durch den Innenhof, wobei er es tunlichst vermied, mit weißen Plastikstühlen und unangenehmen Körpergerüchen zu kollidieren. Er entdeckte Babe auf dem Geländer, wie sie an einer Budweiser-Flasche nuckelte und ihre Augen auf die dunkle Canyon-Straße gerichtet hielt, die vor dem Rock Store entlanglief. Einzelne Scheinwerfer kamen aus dem umliegenden Nichts und gesellten sich zum Schein der Neonleuchten. Die Biker trafen ein, tranken ihre Ration und fuhren betrunken wieder davon, um sich der Herausforderung der gewundenen Straßen zu stellen. Ein paar Jungs in Rollstühlen stießen gegen Hüften und Tische. Babe zog mehr als nur ein paar Blicke auf sich, aber die Männer, die sich ihr annähern wollten, traten schnell den Rückzug an, sobald sie ihre Clubfarben entdeckten.

Tim griff sich ein Bier und lehnte sich gegen den gegabelten Baum auf dem engen Vorplatz. Hinter ihm lösten sich ein paar von den Flyern mit Telefonnummern zum Abreißen von der Rinde und flatterten zu Boden – Sonderangebote für Ölkühler, billige Chrompolitur, paralegale Dienstleistungen gegen Erfolgshonorar. Dieser Platz gewährte ihm einen guten Blick auf Babe. Ihre Konzentration auf die ankommenden Motorräder ermutigte ihn. Hier war irgendetwas im Gange. Er stemmte sich gegen den Baum, um den beruhigenden Druck seiner 357er an der rechten Niere zu spüren. Anderthalb Stunden vergingen langsam und ohne größere Vorfälle.

Ein seltsam fülliger Typ stapfte auf ihn zu, warf ein Bein über einen Roadster und biss herzhaft in ein Riesending von Burger, dass ihm das Fett über die Handgelenke lief, bis er es endlich ableckte. Tim sah ihm zu und bemerkte die dunklen Flecken an seinen Knöcheln, die von den Handschuhen herrührten, und das vom Schalten abgeschabte Leder am linken Stiefel.

Der Biker warf Tim ein Grinsen zu und zeigte seine schiefen Zähne. »Willste auch mal fahren?«

Tim brauchte einen Moment, bis ihm klarwurde, dass die überraschend hohe Stimme zu den vollen Hüften und dem massigen Oberkörper gehörte. »Oh, nein danke. Ich warte auf jemanden.«

»Schade.« Sie hatte stechend grüne Augen und eine schmale Nase, wie ein sehr hübscher Junge. »Du bist nicht oft hier, oder?«

»Ist das so auffällig?«

»Du bist nur hübsch, weiter nichts. Dich könnte ich mit einem Happs zum Frühstück verspeisen.«

Er lachte. »Ich bin ein Hochstapler. Ich hab mich in den Club eingekauft. Neue Harley, die ich überhaupt nicht richtig fahren kann. Ich dachte, ich komm mal hier runter und schau mir ein paar Leute an, die es können.«

Oben auf der Veranda verstellte ein Pärchen Babe die Sicht, und sie rutschte ein Stückchen seitwärts auf dem Geländer, um die Straße im Blick zu behalten. Dann packte sie jemanden am Ärmel und fragte ihn etwas. Der Typ hielt ihr seine Armbanduhr hin, und sie bedankte sich mit einem Nicken. Tim konnte langsam mitfühlen, wie entnervend das lange Warten sein musste.

»Im Rock Store gibt es von jeder Sorte welche.«

»Gibt es hier viele One-Percenter?«

»Nee, keine Sorge. Die Biker hier gehören meistens zu gar keiner Gang.« Sie nickte zu der Truppe, die kiffend am Picknicktisch lungerte. »Ab und zu taucht einer von den Heils Angels auf, aber nur um seine Jacke zu zeigen und sich über die Möchtegerns lustig zu machen.« Sie zwinkerte ihm zu.

»Also über mich und dich und jeden hier.«

»Kommen hier manchmal auch Cholos durch?«

»Eher nicht. Aber Sinners, wenn gerade zu viel Polizei auf den Straßen ist. Die Bullen kommen nicht auf die Idee, hier zu suchen, weil es eigentlich kein Ort ist, an dem sich echte Outlaws treffen.« Sie stellte sich auf Zehenspitzen und zog ihre Harley nach hinten, wobei sie sorgfältig achtgab, die anderen Maschinen nicht zu berühren. Dann setzte sie ihren Helm auf, nickte ihm zu und verschwand im Dunkel des Canyons.

Tim warf einen Blick zurück zur Veranda, wo Babe sich gerade ein Handy ans Ohr drückte. Sie nickte ein paar Mal, dann verschwand sie in der Menge. Tim stieß sich mit dem Rücken von seinem Baum ab und ging die Treppe hinauf. Sie hinkte leicht, ihrem vorsichtigen Gang nach zu urteilen, musste es sich um eine relativ frische Verletzung handeln. Vielleicht hatte sie sich den Knöchel verstaucht, als sie mit den anderen über die Leitplanken gesprungen war und ein rauchendes Auto mitten auf der Straße zurückgelassen hatte, um den Verkehr zu blockieren. Tim hörte Drays Stimme in seinem Kopf, die wie so oft des Teufels Advokat spielte: Vielleicht hat sie sich die Verstauchung aber auch geholt, als sie aus der Badewanne gestiegen ist.

Die Heils Angels bemerkten Babes Jacke und begrüßten sie im Vorübergehen, indem sie die Fäuste gegeneinanderschlugen. Sie kam direkt auf Tim zu. Nervös nahm er einen Schluck aus seiner Bierflasche, um sein Gesicht zu verbergen. Sie ging so nah an ihm vorbei, dass er ihr Shampoo riechen konnte – es duftete ganz leicht nach Wald –, dann stieg sie auf die Harley direkt neben ihm. Während er zur Straße umwandte, um sein Auto zu holen, hörte er in seinem Rücken, wie sie ihre Maschine startete. Als er die Vorderreifen seines Autos erreichte, fuhr sie an ihm vorbei, aber er wartete so lange, bis ihr Bremslicht um die scharfe Kurve verschwunden war, bevor er die Verfolgung aufnahm. Er fuhr ihr nach durch ein Labyrinth von Straßen durch den Canyon und hielt konstant den gleichen Abstand.

In einer langgezogenen Kurve bremste sie ab und griff sich mit einer Hand in die Jacke. Ein brauner Umschlag segelte durch die Luft und landete zu Füßen eines Bikers, der am Straßenrand geparkt hatte. Der Mann bückte sich und klappte das Visier hoch, um den Inhalt des Umschlags durchzusehen.

Als Tim die Kurve durchfuhr, glitt das Licht seiner Scheinwerfer über Den Laureys Gesicht.

Die Meute

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