Читать книгу Die Meute - Gregg Hurwitz - Страница 16
11
ОглавлениеDie Fotos von den Sinners und ihren Schnitten, die beim nachmittäglichen Begräbnis aufgenommen worden waren, pflasterten die Wände in der Kommandozentrale. Alle paar Minuten stand ein Deputy von seinem Platz auf und klebte wieder einen Papierstreifen mit einem weiteren Namen unter ein Bild. Alle arbeiteten emsig, bis auf Jeff Malane, der in der Ecke stand und hastig in sein Handy sprach, als telefonierte er mit seinem Buchmacher.
Die gelungenen Aufnahmen, die Tim von Dens Schnitte gemacht hatte, waren auf einer Stellwand angepinnt. Die flüchtigen Blicke auf dem Friedhof hatten Tim gereicht, um zu erkennen, wie schön sie war. Volles braunes Haar mit Mittelscheitel umrahmte ein Gesicht, das paradoxerweise zugleich tough und zart war. Wütende Wangenknochen, die durch ihr Blinzeln noch einen Hauch höher zu sitzen schienen. Ein eleganter Nasenrücken, der in einer überraschend mopsähnlichen Spitze endete. Glasklare, fast kobaltblaue Augen. Sie hätte die weibliche Hauptrolle im Video einer Rockballade abgeben können.
Die meisten anderen Schnitten und sämtliche Schlampen waren bereits identifiziert worden, und man hatte ihnen auch Adresse und Job zuordnen können. Der bürgerliche Name von Armband-Annie lautete Tracy White. Sie hatte ein paar Mal Ärger gehabt mit der Sitte, als sie in den Massagesalons der Sinners arbeitete, aber dann war sie zur Mutterfigur des Clubhauses aufgestiegen. Wenn man gewissen Gerüchten Glauben schenken wollte, arbeitete sie nebenbei immer noch als Prostituierte, aber den meisten Angaben zufolge war sie einfach eine Schlampe.
Der Striker und seine mysteriöse Freundin waren immer noch nicht identifiziert worden. Guerrera hängte neben dem normalen Foto noch ein paar vergrößerte Bildausschnitte auf – die Armbinde und der Ring am kleinen Finger.
Als Tim mit der Durchsicht der neuesten Erkenntnisse fertig war, stand er auf. »Hört mal kurz alle her.« Das Klappern der Tastaturen verstummte. Wer gerade telefonierte, drückte sich den Hörer gegen die Brust. »Der Fall fällt in den Zuständigkeitsbereich des Sheriffs, aber das bedeutet nicht, dass das Massaker von Palmdale nicht auch uns betrifft. Hier sind siebenunddreißig Männer ermordet worden.« Manche Gesichter sahen ihn mit einem Ausdruck an, der ihm gar nicht gefiel. »Es ist mir egal, ob das One-Percenter waren. Sie sind ermordet worden, und sie sind von flüchtigen Gefangenen ermordet worden. Und das bedeutet, dass wir dafür zuständig sind. Es ist mir also gleichgültig, ob die Opfer Outlaw-Biker waren oder ob hier ein Nonnenkloster niedergemetzelt wurde« – an dieser Stelle wurde Guerrera etwas steif –, »wir machen hier unsere Arbeit, und wir machen sie gut.« Tim zeigte auf die Fotos. »Jetzt finden wir noch mehr Namen heraus, verfolgen mit vollem Einsatz unsere Anhaltspunkte und schauen, was dabei herauskommt.«
Seine Kollegen machten sich raschelnd wieder an die Arbeit, und die ganze Einsatzzentrale setzte sich wieder in Bewegung wie ein frisch aufgezogenes Spielzeug. Am Ende des Konferenztisches steckte Tim mit Guerrera und Bear die Köpfe zusammen.
»Das Medieninteresse könnte größer gar nicht mehr sein«, stellte Bear fest. »Das ist der zweitgrößte Massenmord in der Geschichte Kaliforniens.«
»Welcher war der größte?«
»Jedediah Lanes Angriff auf das Census Bureau. Schon mal gehört?«
»Ich erinnere mich vage«, erwiderte Tim. »Hier haben wir es jedoch mit der Eskalation eines Bandenkrieges zu tun. Das wird die Öffentlichkeit sehen, hören und spüren. Tannino und der Bürgermeister gehen gerade durch die reinste Pressekonferenzenhölle. Wir müssen uns weiter auf den Fall konzentrieren und uns dabei auch mit seinen unspektakuläreren Seiten abgeben.« Er wandte sich an Guerrera. »Hast du schon irgendetwas über Lash rausgefunden?«
»Der Sinner, dem die Clubjacke wieder abgenommen wurde?« Guerrera wartete, bis Tim nickte. »Wir haben uns draußen umgehört, aber bis jetzt noch nichts.«
»Ich möchte, dass ihr Zauberstab-Danny in der Datenbank sucht, in der auch Spitznamen verzeichnet sind. Dieser Typ hat eindeutig eine enge Verbindung zum Club.«
Bear, der gerade mit einem tropfenden Burrito kämpfte, brauchte einen Moment, bis er antworten konnte. »Das hab ich schon gemacht. Kam nix raus. Thomas und Freed sitzen dran und checken die Geschäfte, in denen man Lack und all solchen Scheiß kaufen kann.«
Tim wandte sich wieder an Guerrera. »Müssen wir mit einer großangelegten Racheaktion der Cholos rechnen?«
»Das Massaker heute war sozusagen der letzte Sargnagel. In Palmdale ist es dem Mother-Chapter an den Kragen gegangen, das war bis jetzt der größte Schlag. Die Reihen der Cholos sind durch den Bandenkrieg sowieso schon gelichtet. Es würde mich überraschen, wenn sie jetzt an Vergeltung denken würden. Die Sinners sind im Moment einfach zu stark.«
»Was für ein Motiv kann dahinterstecken, einen ganzen Club auszulöschen?«
»Odio.«
»Nur Hass?«
»Da gibt es kein ›nur‹, socio. Biker hassen ganz oder gar nicht.« Tim wollte gerade seine Skepsis ausdrücken, da warf Thomas seinen Telefonhörer auf die Gabel und sprang von seinem Computer auf. »Unsere rätselhafte Schnitte ist von Fillmore gerade identifiziert worden. Babe Donovan.« Er drehte den Monitor so, dass alle die Digitalversion vom Foto ihrer Vorstrafenkartei sehen konnten. »Sie ist vor sechs Monaten wegen Rauschgiftbesitzes festgenommen worden und hat sich mit etwas Hilfe von Dana Lake wieder rausgewunden. Und – haltet euch fest – sie arbeitet für die Kfz-Meldestelle.«
»Himmlische Voraussetzungen, um jemandem falsche Papiere zu verschaffen«, meinte Freed.
Tim merkte, wie das Adrenalin durch seine Adern brandete, aber er bremste sich und überlegte, welche Schritte sie nun der Reihe nach unternehmen mussten. »Wir holen uns einen Durchsuchungsbefehl und lassen sie überwachen, wann immer sie sich im System der Kfz-Meldestelle einloggt. Wenn sie gefälschte Führerscheine erstellt, lassen wir sie vorerst einfach machen. Wir erwischen die Typen noch schnell genug, wenn wir erst mal wissen, welche falschen Identitäten sie benutzen.« »Wenn sie Papiere fälschen wollte, dann ist sie damit jetzt fertig«, meinte Thomas. »Sie ist seit drei Monaten dort tätig. Ich bezweifle, dass sie so blöd wäre, bis nach der Befreiungsaktion zu warten, bevor sie loslegt.«
Tim warf Frisk einen Blick zu. Sein Lieblingsinspektor von den Überwachungsspezialisten warf ihm einen leicht verdrossenen Blick zu – er hatte Tim die etwas turbulente Fahrt heute noch nicht ganz verziehen. »Roger?«
»Die Kfz-Meldestelle ist ein einziges Chaos. Wir können sie von nun an sicherlich problemlos überwachen, aber Informationen über ihre vorherige Tätigkeit zu bekommen, dürfte sich ziemlich schwierig gestalten. Die Technologie, die die da benutzen, ist vorsintflutlich, außerdem gehört Beschränktheit bei denen zu den Einstellungsvoraussetzungen. Hast du dich schon mal gefragt, warum es sechs Monate dauert, einen Führerschein zu bekommen?«
Ein Sicherheitsbeamter guckte hinter der Trennwand hervor, die die Telefonplätze voneinander trennte. »Rack? Ich hab Onkel Pete auf Leitung vier.«
Auf einen Schlag herrschte in der Einsatzzentrale völlige Stille.
»Okay, stell ihn durch.« Tim wartete, bis das Telefon vor ihm blinkte, dann atmete er tief ein und drückte den Gesprächsknopf. »Ja?«
»Howdy-do, Troubleshooter. Guter Trick mit der Ausnahmegenehmigung. Wir legen unsere Helme ab, damit ihr eure Schnappschüsse machen könnt. Ts-ts-ts. Aber ich hab auch noch ein paar Sachen auf Lager.«
»Das haben wir gemerkt.«
»Du bist ein schlauer Hund, Troubleshooter. Ich werd dich gut im Auge behalten.«
»Dasselbe gilt für dich, Dicker.«
»Und ich dachte, du wärst nur ins Clubhaus gekommen, um mir ein bisschen auf die Nerven zu gehen. Stattdessen hattest du die ganze Zeit einen Plan im Hinterkopf. Das stell sich mal einer vor. Hmm ... aber hey, diese Geschichte mit den Cholos – also, das tut mir wirklich leid. El Viejo ist jetzt El Muerto, oder?«
Sein rauhes Gelächter brach jäh ab, als er auflegte.