Читать книгу Leben zur Zeit Jesu. Ein Doku-Drama zum Schmökern - Gregor Bauer - Страница 10
ОглавлениеUnrein
(Lev 15,19ff; 18,19; 20,18; bü 74; s81 142)
Die Angst der Ehemänner, gehörnt zu werden und „Kuckuckskinder“ zu ernähren, ist nicht der einzige Grund, Frauen vom öffentlichen Leben fernzuhalten. Der Bibel verdanken die Frauen noch einen anderen: Ab dem Tag, an dem ihre Regel einsetzt, ist jede Frau sieben Tage unrein. Wer in dieser Zeit mit ihr oder mit irgendetwas, das sie angefasst hat, in Berührung kommt, muss anschließend seine Kleidung waschen, ein Tauchbad nehmen und warten bis zum Abend, um wieder rein zu werden.
„Darf die Frau während der Regel Sex haben?“ –
„Das ist ein todeswürdiges Verbrechen, Liz.“ –
„Auch für den Mann?“ –
„Auch für den Partner.“
Sind die sieben Tage vorüber, muss alles, was die Frau berührt, worauf sie gesessen oder gelegen hat, gründlich gewaschen und gereinigt werden. Erst wenn sie danach noch ein Tauchbad genommen hat, ist sie rein, bis die nächste Monatsblutung einsetzt oder bis sie sich auf andere Weise erneut verunreinigt.
„Was ist, wenn die Blutung länger anhält als sieben Tage?“ –
„Dann hält auch die Unreinheit an, Liz. Die blutflüssige Frau, die Jesus heimlich berührt, um von ihm geheilt zu werden, hätte sich also gar nicht in die Menschenmenge um Jesus begeben dürfen.“ –
„Und, regt sich Jesus darüber auf, dass die blutflüssige Frau ihn sogar anfasst?“ –
„Überhaupt nicht, Liz. Er lobt sie sogar.“ –
„Na also. Er ist doch bestimmt nicht der einzige, der das nicht so eng sieht mit der Verunreinigung.“
Tatsächlich sollten wir dieses Thema nicht überbewerten. Es gibt für Männer und Frauen so viele Gründe, sich zu verunreinigen, dass sowieso an normalen Tagen mehr Unreine als Reine unterwegs sind. Und das ist auch nicht weiter schlimm. Denn wer sich verunreinigt, macht sich ja deswegen noch lange nicht schuldig. Zunächst einmal bedeutet „unrein sein“ nicht viel mehr, als dass man zu bestimmten religiösen Festen und Handlungen nicht zugelassen ist. Niemand wird auf die Idee kommen, einer Frau beispielsweise ihre Schwangerschaft vorzuwerfen, nur weil sie nach der Geburt unrein sein wird – und das sogar recht lange: Nach der Geburt eines Sohnes 40 Tage, nach der Geburt einer Tochter 80 Tage.
Nachwuchs
(br, ma87 73)
Bei einer Geburt haben die Angehörigen andere Sorgen, als ihre kultische Reinheit zu bewahren. Immer ist die Gebärende von mehreren Frauen umgeben, die ihr Mut zusprechen. Alle flehen zu Gott, dass das Kind und seine Mutter überleben mögen. Denn die Sterblichkeit von Kindern, aber auch von Gebärenden und Wöchnerinnen ist hoch. Nicht umsonst beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung der Frauen nur 28 Jahre – sieben Jahre weniger als diejenige der Männer.
Der Tod ist allgegenwärtig, aber besonders nahe ist er bei der Geburt. Das scheint die Frauen jedoch nicht zu schrecken: In der Welt Jesu wimmelt es von Kindern. Wohl vier bis sieben zieht eine Frau in Palästina durchschnittlich groß.
„Aber das kann doch gar nicht stimmen, was du da erzählst, Alex.“ –
„Wieso nicht?“ –
„Wenn das Kinderkriegen tatsächlich so lebensgefährlich wäre, dann würden die Frauen doch gar keine Kinder haben wollen. Ich jedenfalls würde erst gar nicht heiraten.“ –
„Du tickst eben anders als die Frauen in der Welt Jesu. Im Übrigen werden die Mädchen gar nicht gefragt, ob sie heiraten wollen. Sie würden aber auch über eine solche Frage nur den Kopf schütteln.“ –
„Bist du dir da so sicher?“
Nein, bin ich nicht. Schauen wir uns doch einmal an, wie so ein Mädchen in die Ehe schlittert.
Heiraten
(ma87, j62, tö, sd 185, st 216, s74 529)
Eine Hochzeit ist ein freudiges Ereignis, aber auch ein tiefer Einschnitt. Wir wollen der dreizehnjährigen Braut deshalb nicht übel nehmen, dass sie dabei ein mulmiges Gefühl beschleicht.
So lange sie minderjährig war, stand sie unter der Verfügungsgewalt ihres Vaters. Der hätte sie bei einer Notlage sogar in die Sklaverei verkaufen dürfen – allerdings nur an einen Juden, der das Mädchen anständig behandeln und bei Erreichen der Volljährigkeit, also mit zwölf Jahren, wieder freilassen muss. Oft heiratet ein solches Mädchen schließlich seinen Herrn oder dessen Sohn.
Aber all das soll für unsere Braut kein Thema sein: Nehmen wir an, ihr Vater hätte sie ohnehin niemals verkauft.
Das zurückliegende Verlobungsjahr hat das Mädchen noch im Elternhaus zugebracht. Mit der Hochzeit geht sie nun in die Verfügungsgewalt ihres Bräutigams über. Meistens ist er ein Verwandter, möglicherweise ihr Onkel oder ihr Vetter.
Bei ihrem Vater wusste sie, woran sie war. Bei ihrem Bräutigam weiß sie es noch nicht.
Die Hochzeitsfeier nimmt ihren Lauf, es wird ausgelassen gesungen und getanzt, gegessen und getrunken. Die Braut selbst jedoch quält vor allem ein Gedanke: Hoffentlich blutet es heute Nacht, wenn er zum ersten Mal mit mir schlafen wird. Denn wenn es aus irgendeinem Grund nicht blutet, riskiert sie, gesteinigt zu werden.
Meistens zieht das frisch gebackene Ehepaar erstmal zur Familie des Mannes. Die erwartet nun, dass sich der Brautpreis bezahlt macht. Also heißt es für die Braut: ranklotzen. Was sie können muss, hat sie von ihrer Mutter gelernt: Sie hat bereits Getreide gemahlen, Brot gebacken, genäht, Kinder gehütet und allerlei andere Frauenarbeiten erledigt.
Vor allem aber wird von ihr erwartet, Jungen zu gebären. Keine Kinder zu bekommen, wäre ein großes Unglück für die ganze Familie und eine ständige Demütigung für die Frau.
Jede Geburt hat etwas von einem Lotteriespiel. Ist es ein Junge, so hat die Frau das große Los gezogen. Im ganzen Haus herrscht Jubel. Die Frau hat ihrem Mann das größte Glück geschenkt, das ein Mensch einem anderen überhaupt schenken kann. Die Geburt eines Mädchens dagegen ist eine große Enttäuschung. Besonders in den Häusern, die die Auffassung teilen, dass Frauen weder eine Seele noch ein ewiges Leben haben (st 334).
Immerhin wird ein jüdischer Vater seiner Frau nicht befehlen, ein neugeborenes Mädchen auszusetzen, damit es verhungert und verdurstet. Unter Römern und Griechen ist das gang und gäbe.
Abtreibung und Empfängnisverhütung
(Abtreibung: pr 478.488, abd; Empfängnisverhütung: pr 530)
„Was ist, wenn sie keine Kinder will, Alex?“ –
„Abtreibung kommt nicht in Frage. Sobald die Glieder des Embryos ausgeformt sind, ist Abtreibung Mord, verboten ist sie auch schon davor. Einzige Ausnahme: Wenn das Leben der Frau nicht anders gerettet werden kann. Ansonsten gilt: Sobald die Glieder des Embryos ausgeformt sind, ist Abtreibung Mord. Verboten ist Abtreibung aber auch schon davor.“ –
„Und Empfängnisverhütung?“ –
„Wird nicht gern gesehen, kommt aber immerhin vor. Nur: Selbst wenn eine Frau sich ein Mittel verschaffen könnte – ich glaube nicht, dass es mehr bewirkt als Übelkeit. Oder meinst du, dass es viel hilft, wenn die Frau einen Cocktail aus Safrangewürz, schwefelsaurem Alaunsalz und zerriebenem alexandrinischem Gummi herunterwürgt?“