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4. Sklaven

(tö 69–72.237.323, je62 125f, 347–351.370–373.379–387, s74 509–511, pr 617, lg I 186)

Die Preisunterschiede zwischen heidnischen und jüdischen Sklaven zählen zu den größten Kuriositäten der Welt Jesu – wenigstens auf den ersten Blick.

Sicherlich würden Sie erwarten, dass ein jüdischer Sklavenhalter für jüdische Sklaven mehr bezahlt als für nichtjüdische. Aber das Gegenteil ist der Fall: Für einen jüdischen Sklaven zahlt ein reicher Jude etwa vier bis acht Minen. Das ist ungefähr so viel, wie ein Tagelöhner in zwei bis vier Jahren verdienen kann. Ein heidnischer Sklave kostet um die 100 Minen. Dafür müsste derselbe Tagelöhner um die 50 Jahre lang arbeiten. Die heidnischen Sklavenhalter beteiligen sich an dieser Ungleichbehandlung nicht: Sie bezahlen für einen jüdischen Sklaven genauso viel wie für einen heidnischen.

Woran liegt das? Haben die Juden eine so schlechte Meinung von ihrer eigenen Arbeitsleistung?

„Passt das so?“ Liz kommt aus dem Nebenzimmer hereingeschwebt – abgeschminkt und das Haupthaar züchtig unter einem Kopftuch verborgen.

„Das Kopftuch ist in Ordnung, Liz, aber mit dem bauchfreien Top und den hautengen Jeans kann ich dich unmöglich in die Welt Jesu mitnehmen.“ –

„Und wo soll ich jetzt Schlabberklamotten hernehmen?“ –

„Setz dich erstmal, es hat keine Eile.“ –

„Wieso keine Eile? Ich habs eilig. Ich will sofort wissen, ob das ein Bluff ist mit deiner Zeitmaschine.“ –

„Wir fahren gleich. Nur eine Sache noch.“ –

„Gib Gas. Wieso hast du gerade gesagt, dass die Juden sich selbst für faul halten?“ –

„Das wollte ich nicht sagen, du hast mich unterbrochen. Das muss ich nur noch klar stellen, dann können wir los.“

Dass jüdische Herren für jüdische Sklaven so wenig zu zahlen bereit sind, hat natürlich einen anderen Grund (st 262): Einen jüdischen Sklaven in einem jüdischen Haushalt kann man eigentlich nicht als Sklave bezeichnen. Er ist eher so etwas wie ein Lohnarbeiter, der sich seinen Lohn für einige Jahre im Voraus hat auszahlen lassen. Dieses Geld gibt er meist direkt seinem Gläubiger. Wenn der Sklave seine Jahre abgearbeitet hat, spätestens aber nach sechs Jahren, ist er frei. Eine jüdische Sklavin darf ihr Herr ohnehin nur behalten, bis sie zwölf Jahre alt ist.

Wenn ein jüdischer Sklave – aber nennen wir ihn doch im Folgenden nicht mehr Sklave, sondern Knecht. Das trifft die Sache besser. Oder noch genauer: Nennen wir ihn Schuldknecht, um ihn von anderen Knechten wie den Tagelöhnern zu unterscheiden. Wenn also ein jüdischer Schuldknecht vor Ablauf seiner Zeit frei werden will, kann er Geld zusammensparen, um sich freizukaufen. Wahrscheinlich hat er es aber nicht sehr eilig damit. Denn er kann zufrieden sein: Er hat Anspruch auf gleich gute Nahrung, Kleidung und ein gleich gutes Tisch- und Nachtlager wie sein Herr. Demütigende Arbeiten wie Füße waschen, Schuhe ausziehen oder die Kleidung ins Badehaus tragen wird man ihm nicht zumuten. Hat er Frau und Kinder, so werden die von seinem Herrn mitversorgt.

Kein Wunder, dass die Schuldknechte oft sehr selbstbewusst auftreten. Viele Herren klagen, dass sie sich einen „Spieler“ oder „Säufer“ eingehandelt haben. Sie nennen ihre Knechte diebisch, faul, schläfrig, gefräßig und frech. Ja, es geht sogar das Sprichwort um: „Wer einen hebräischen Sklaven kauft, der kauft sich einen Herrn.“

Dann also doch lieber die fünfzigfache Summe für einen heidnischen Sklaven ausgeben. Der ist totales Eigentum seines Herrn. Er ist Sklave auf Lebenszeit und hat keine Chance, sich freizukaufen wie sein jüdischer Kollege. Das Geld, das er sich für den Freikauf zusammenspart, kann ihm sein Herr ohne Gegenleistung einfach wegnehmen. Schließlich gehört ihm alles, was sein Sklave erwirtschaftet, findet oder geschenkt bekommt.

Ein heidnischer Sklave hat kein Recht, sich gegen harte Behandlung und Züchtigung zu wehren. Er gehört seinem Herrn auf Lebenszeit. Auch heidnische Sklavinnen jeden Alters darf ein jüdischer Herr besitzen. Oft werden sie sexuell missbraucht. Die Kinder, die sie zur Welt bringen, sind von Geburt an Sklaven ihres Herrn – ganz egal, wer der Vater ist.

Wenn jüdische Schuldknechte in der Anschaffung nicht so günstig wären, dann wären sie nicht konkurrenzfähig. Oft sind es auch soziale Motive, die einen reichen Juden bewegen, einen Schuldknecht zu kaufen. Erweist sich der Knecht dann als tüchtig, kann es geschehen, dass sein Herr ihn auf Lebenszeit verpflichten will. Das ist nach Ablauf der sechs vereinbarten Jahre möglich.

Wie kann ein Herr seinen Knecht motivieren, für immer bei ihm zu bleiben? Er kann ihn gut behandeln. Und er kann ihn familiär binden, indem er ihm eine seiner Sklavinnen zur Frau gibt.

Hier kommen wir auf die größte, fast schon die einzige Härte zu sprechen, die ein jüdischer Schuldknecht ertragen muss: Sein Herr kann ihn zur Heirat zwingen. Wenn dann der Kecht nach Ablauf seiner Zeit seinen Herrn verlassen möchte, muss er Frau und Kinder zurücklassen. Denn die bleiben weiterhin im Besitz des Sklavenhalters. Will er also bei seiner Familie bleiben, so bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich zu lebenslanger Knechtschaft zu verpflichten.

„So eine Unmenschlichkeit! Das hat doch nichts mit der Bibel zu tun, Alex!“ –

„Hast du eine Ahnung, Liz, was alles in der Bibel steht. Diese Regelung ist die wortwörtliche Umsetzung eines biblischen Gebots (Ex 21,4).“

„Jetzt habe ich dich aber bei einem fetten Widerspruch eiskalt erwischt, Alex.“ –

„Wieso?“ –

„Vorhin hast du gesagt, dass eine Heirat zwischen einem Juden und einer Heidin ein Ding der Unmöglichkeit ist.“ –

„Stimmt.“ –

„Und jetzt sagst du, dass ein jüdischer Schuldknecht eine heidnische Sklavin heiraten muss, wenn sein Herr es so will.“ –

„Stimmt. Die Sklavin muss wohl heidnisch sein. Jüdische Sklavinnen hat der Herr ja keine. Jedenfalls keine im heiratsfähigen Alter.“ –

„Na bitte. Wie passt das zusammen?“

Der Grund für diesen Widerspruch: Um die Sache nicht zu verkomplizieren, habe ich mich ungenau ausgedrückt. In Wirklichkeit kommen in jüdischen Haushalten nämlich nicht nur zwei Klassen von Sklaven vor, sondern drei:

- Klasse Eins: Knechte und minderjährige Mägde jüdischer Abstammung – unsere Schuldknechte und Schuldmägde also.

- Klasse Drei: heidnische Sklaven.

- Und dazwischen die Klasse Zwei: ursprünglich heidnische Sklaven, die während ihrer Sklaverei zum Judentum übergetreten sind.

In der Hackordnung sind Klasse Zwei und Klasse Drei sehr nah beieinander.

Heidnische Sklaven haben einen großen Nachteil: Sie sind unrein und verunreinigen deshalb auch den Haushalt, in dem sie arbeiten, und ihren Herrn. Ein frommer Jude wird deshalb einen Sklaven nicht bei sich arbeiten lassen, ohne dass dieser vorher zum Judentum übertritt. Schon gar nicht in den Haushalten des Priesteradels, in denen viele Sklaven benötigt werden.

Übertritt zum Judentum

Nun steht aber ein Heide, der zum Judentum übergetreten ist, in der Hackordnung weit unter einem Juden der Abstammung nach. Und das nicht nur, wenn ein solcher Proselyt ein Sklave ist.

Proselyten, die keine Sklaven sind, müssen sich genauso penibel an alle Gesetze des Mose halten wie Juden der Abstammung nach. Aber sie haben keineswegs dieselben Rechte. Einflussreiche öffentliche Funktionen wird man ihnen nicht übertragen. Wie man über ihre Eltern denkt, ist schlicht beleidigend: Ihren heidnischen Müttern traut die jüdische Gemeinde nicht zu, dass sie keinen Ehebruch begangen haben. Daher spricht man sämtlichen Proselyten ab, dass sie wissen, wer ihr Vater ist. Kein Proselyt bekommt deshalb den Namen seines Vaters als „Nachname“. Er heißt also nicht beispielsweise „Andreas, Sohn des Ariston“, wie es bei den Juden eigentlich üblich ist. Stattdessen heißt er etwa „Andreas, Sohn der Batanäerin“.

„Aber Alex, das müsste dir als Frauenversteher doch reinlaufen, dass da einer zur Abwechslung auch mal nach seiner Mutter benannt wird.“ –

„Hör genau hin. Er heißt nicht ‚Andreas, Sohn der Berenike’, sondern ‚Andreas, Sohn der Batanäerin’. Als Person ist seine Mutter völlig uninteressant. Aus der Bezeichnung muss nur hervorgehen, dass der Mann von einer ‚Hündin’ abstammt.“

Aber das Misstrauen richtet sich nicht nur gegen die Mutter des Proselyten, sondern auch gegen diesen selbst: Auch ihm nimmt man nicht ab, dass seine Kinder tatsächlich seine eigenen sind. Und das hat Konsequenzen: Die Kinder sind nicht erbberechtigt – nicht einmal dann, wenn sie selbst zum Judentum übergetreten sind.

Stirbt ein Proselyt, erben nur die Kinder, die er nach seinem Übertritt zum Judentum gezeugt hat. Gibt es keine solchen Kinder, ist sein gesamtes Eigentum herrenlos. Sobald ein Knecht vom Tod eines solchen Herrn erfährt, kann er die Herde, die er gerade hütet, als seinen Besitz reklamieren. Jeder, der sich etwas unter den Nagel reißen will, kann das tun nach dem Motto „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“.

„Wenn das so ist, warum sollte ein Grieche oder ein Römer zum Judentum übertreten?“ –

„Bei einem freien Mann verstehe ich es auch nicht. Sein Übertritt hilft ihm weder bei den Menschen noch bei Gott. Denn das göttliche Gesetz, auf das er sich durch seinen Übertritt verpflichtet, kann er überhaupt nicht einhalten – wenigstens in seiner nichtjüdischen Umgebung nicht. So vergibt er seine Chance, als ‚Gottesfürchtiger’ ein einigermaßen gottgefälliges Leben zu führen, und wird stattdessen zum notorischen Gesetzesbrecher.“ –

„Und was hat ein Sklave davon, wenn er zum Judentum übertritt?“

Ein Sklave hat scheinbar auch nicht viel davon. Denn was wir oben über die heidnischen Sklaven gesagt haben (Klasse Drei), können wir fast Eins zu Eins auch auf die übergetretenen Sklaven beziehen (Klasse Zwei). Auch sie sind Sklaven auf Lebenszeit, auch ihre Kinder sind von Geburt an Sklaven. Immerhin sind sie am Sabbat von der Arbeit befreit. Und es mag sein, dass übergetretene Sklavinnen etwas besser vor sexuellem Missbrauch geschützt sind.

Der wichtigste Grund, warum viele heidnische Sklaven in jüdischen Diensten freiwillig zum Judentum übertreten, ist jedoch ein anderer: Als „Neujuden“ dürfen sie nicht mehr an heidnische Sklavenhalter weiterverkauft werden. Einen solchen Verkauf zu riskieren, wäre für einen Sklaven so gefährlich wie Russisch Roulette. Zwar gibt es durchaus auch in römischen und griechischen Haushalten Sklaven, die ein menschenwürdiges Leben führen. Aber das ist völlig von der Gnade und Ungnade ihres Herrn abhängig. Wenn ein Römer will, darf er seinen Sklaven töten oder verstümmeln, ohne bestraft zu werden. Bei jüdischen Sklavenhaltern ist das anders. Wenn ein Jude dabei erwischt wird, wie er seinem Sklaven einen Zahn ausschlägt, muss er dem Sklaven die Freiheit geben. Und wenn er seinen Sklaven umbringt, kann er wegen Mord angeklagt werden.

Leben zur Zeit Jesu. Ein Doku-Drama zum Schmökern

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