Читать книгу Leben zur Zeit Jesu. Ein Doku-Drama zum Schmökern - Gregor Bauer - Страница 19

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V. Sauls Kollege verkauft nicht an Heiden

„Was hast du denn in den Krügen da? Lass mal schnuppern.“

Neugierig neigt der kleine, pausbäckige Grieche seinen Kopf über den vordersten der Krüge, die Bartholomäus vor sich aufgestellt hat. Der altgediente Winzer, Sauls Nachbar auf dem Markt in Sepphoris, streicht fahrig mit der Rechten über seinen weißen Bart und schüttelt unwillig den Kopf. Aber der Grieche hat den Duft bereits in der Nase: „Oh. Gib mir einen Schluck zu kosten. Wenn dieser Wein so gut schmeckt wie er duftet, nehme ich alle drei Krüge.“

„Dieser Wein ist bereits verkauft, Herr.“ –

„Warum steht er dann noch hier?“ –

„Hör, Herr, dieser Wein ist nicht für dich.“ –

„Ich will ihn aber. Wenn er bereits verkauft ist, warum steht er dann hier?“ –

„Weil ich ihn noch nicht nach hinten gestellt habe, und das werde ich jetzt tun.“ –

„Und warum hast du es noch nicht getan? – Hör, Bauer, erzähl mir keine Märchen. Du willst mir diesen Wein nicht verkaufen, weil ich Grieche bin.“ –

„Aber nein, Herr, ich –“

„Was habt ihr Juden nur gegen unsere Feste? Ich verspreche dir, ich werde diesen Wein nicht den Götzen, wie ihr sie nennt, opfern. Und obwohl ich ihn trinken kann, wann ich will, werde ich die Festlichkeiten für die kapitolinischen Götter verstreichen lassen, bevor ich den Wein ausschenke. Das ist es doch, worauf es dir ankommt. Also was ist? Gibst du mir einen Schluck zu kosten?“ –

„Er ist verkauft.“ –

„Das lügst du. Gib mir einen Schluck zu kosten, wie es der Brauch ist.“ –

„Wir haben keinen solchen Brauch. Geh zu einem griechischen Händler, da bekommst du deinen Wein.“ –

„Was für ein dummer Rat! Ich denke nicht daran. Wenn dieser Wein so gut schmeckt, wie er duftet, dann will ich diesen Wein und keinen anderen. Und jetzt gib mir zu trinken.“ –

„Das darf ich nicht. Der Wein gehört mir nicht mehr.“ –

„Dann werden sich die Götter ihr Recht verschaffen. – Hallo, Soldaten! Dieser Bauer hier lästert die Götter, denen er doch seine Früchte verdankt.“

Die drei Soldaten der heidnischen Truppen im Dienst des Vasallenkönigs Herodes Antipas waren fast schon vorüber. Jetzt bleiben sie stehen und wenden sich langsam um. Saul hält den Atem an. Warum musste Bartholomäus auch ausgerechnet jetzt seinen Wein feilbieten! Alle wissen, dass im heidnischen Monat September die römischen Götzen Jupiter, Juno und Minerva mit abscheulichen Wettkämpfen, Paraden und Saufgelagen gefeiert werden. Kein jüdischer Bauer möchte, dass der Wein, den er gepflanzt und beschnitten, gehegt und gekeltert hat, die Heiden in gotteslästerliche Raserei versetzt.

Die Römer treten näher. Bartholomäus zittert.

Mit ein wenig Glück kann es noch glimpflich abgehen. Der vordere, ein großgewachsener Rotschopf, blinzelt gutmütig zwischen seinen Sommersprossen hervor. Der Dunkle dahinter wirkt desinteressiert. Der dritte, der Kleinste von den dreien, scheint entschlossen, die Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Unwillig wendet er sich an den Griechen: „Warum hältst du die Soldaten des Königs auf?“ –

„Herr, dieser Jude hier weigert sich, seinen Wein an Nichtjuden wie dich und mich zu verkaufen.“ –

„Das ist nicht wahr!“, fällt Bartholomäus ängstlich ein, „Ich verkaufe an jedem Markttag an Römer, Syrer und Griechen“, und, mit einem verzweifelt bittenden Blick zu Saul:

„Mein Nachbar kann es bezeugen.“ –

„Dann verkauf diesem Herrn doch deinen Wein!“, erwidert der Kleine unter den Soldaten. –

„Ich würde ihn verkaufen, wenn er nicht bereits verkauft wäre.“ –

„An wen?“ –

„An – an – vergib, Herr, ich weiß seinen Namen nicht, aber er kommt gewiss bald wieder.“ –

„Wann?“ –

„Ich – ich weiß es nicht, Herr, gewiss heute noch, bevor –“ –

„Wie sieht er aus?“ –

„Er ist groß, Herr, und –“ –

„Ist er Jude?“ –

„Er –“ –

„Ist er Jude?“ –

„Er ist – ja, das heißt –“ –

„Hör, Bauer, sag mir die Wahrheit, denn wenn du es wagst, die Soldaten des Königs anzulügen, ist es um dich geschehen: Ist dieser Wein verkauft?“ –

„Der Wein –, ja, das heißt –“ Unter den drohenden Blicken des untersetzten Römers bricht der Bauer zusammen. „Hab Erbarmen, Herr, ich darf den Wein nicht –“ –

„Ist er verkauft?“ –

„Herr, mein Gott verbietet mir –“

Da zieht der Untersetzte das Schwert: „Beim Herkules! Verbietet dein Gott dir auch, die Wahrheit zu sagen? Sprich endlich, ich frage dich zum letzten Mal: Ist der Wein verkauft?“

„Nein. Ich habe ihn nicht verkauft.“ Wimmernd liegt der Bauer am Boden. –

„Dann gib mir zu trinken.“ –

„Herr, ich –“ –

„Gib mir zu trinken, oder ich haue dich in Stücke!“

Drohend hebt der Soldat das Schwert. Da steht der Winzer auf, greift mit zitternder Hand zur Schöpfkelle und schenkt dem Soldaten ein. Der lässt das Schwert zurück in die Scheide gleiten, nimmt die Kelle und setzt zum Schluck an. Sein Gesicht entspannt sich. „Großartig. Was für ein großartiger Wein.“

Der Grieche schaltet sich ein: „Herr, wenn ich erinnern darf –“ –

„Verschwinde, Grieche! Dieser Wein gehört mir. – Hör, Bauer“, in der Rechten die Kelle, nestelt der Soldat mit der Linken den Münzbeutel von seinem Gürtel, „ihr Galiäer“, lächelnd wirft er den Beutel in die Höhe und fängt ihn wieder auf, „ihr Galiläer sollt nicht sagen, dass die Soldaten eures Königs einen vorzüglichen Wein nicht zu schätzen wissen.“ Er öffnet den Beutel, schüttet sich einen Haufen Münzen in die rechte Hand und beginnt, sie mit dem Daumen zu sortieren.

Saul traut seinen Augen nicht: Da liegen nicht nur Tetradrachmen, von denen jede vier Tagesverdienste eines Tagelöhners aufwiegt. Was der Soldat da in seinen Beutel zurückgleiten lässt, sind Goldmünzen von weitaus höherem Wert. Wenn Saul das Geld besitzen würde, das da vor seinen Ohren klingelt, könnte er mindestens drei Jahre mit großer Gelassenheit angehen, ohne die drückenden Pachtzinsen fürchten zu müssen.

Saul verspürt einen heftigen Wunsch, dem Soldat seinen Beutel aus der Hand zu reißen und damit wegzurennen. Der behält fünf Tetradrachmen in seiner Handfläche zurück und hält sie Bartholomäus unter die Nase. „Sieh her, Bauer. Hier sind 20 Silberdenare, genug für ein Hemd, ein neues Obergewand und neue Schuhe. Deine zerschlissenen Sachen halten ja keinen Monat mehr! Gib mir die drei Krüge, und das Geld ist dein.“ –

„Verzeih, Herr, ich kann nicht.“ –

„Hör, Bauer. Nimm das Geld, oder nimm es nicht. Aber dieser Wein ist mein.“

Eben noch vor Schreck erstarrt, kommt mit einem Mal Leben in den alten Mann. Blitzschnell wirft er mit seinen Händen den einen Krug um, bringt mit den Füßen den zweiten zum Kippen und wirft sich auf den dritten, sodass auch dieser seinen Inhalt in die staubige Erde ergießt. „Töte mich. Diesen Wein habe ich nicht gekeltert für eure gotteslästerlichen Saufgelage!“

„Verdammter Jude! Feind der Götter!“ Der Soldat packt die Tetradrachmen in die linke Hand, reißt mit der Rechten sein Schwert aus der Scheide, holt aus – und hält inne, einen quälend langen Augenblick lang.

Der Winzer kniet zusammengekauert auf dem Boden und erwartet den tödlichen Streich. Aber das Schwert saust nicht nieder. Die Augen des Soldaten treten merkwürdig hervor. Er spuckt Blut. Klirrend fällt das Schwert zu Boden. Dann knickt er röchelnd ein.

Saul zuckt zurück: Krachend fällt der Soldat in seine Gerste.

Seine beiden Kameraden ziehen die Schwerter und schauen wild um sich. Händler und Käufer weichen erschreckt zurück. „Verdammte Sikarier!“, brüllt der Rote dem Dunklen zu. Der hat noch nicht begriffen.

„Sikarier?“ –

„Dort läuft er! Verfolge ihn, ich kümmere mich um Lucius!“

Der Rote stürzt zu dem schlaffen Körper seines Kameraden. Als er ihm den Dolch aus dem Rücken zieht, bricht ein Schwall von Blut hervor. Er wendet ihn und drückt dem Toten die starren Augen zu.

Bartholomäus blinzelt vorsichtig hinter seinen Händen hervor. Da er nicht recht begreift, was geschieht, verharrt er in seiner gekrümmten Haltung. Saul ist zwei Schritte zurückgetreten und steht reglos, als der Rote in seine Gerste stapft, um den Leichnam zu stemmen.

Die Marktgasse ist menschenleer. Die Händler verstecken sich hinter ihren Waren so gut es geht.

Der Dunkle kehrt alleine zurück. „Wo ist der Mörder?“ –

„In den Gassen verschwunden. Ich habe Wachen verständigt, sie fordern Verstärkung an.“ –

„Sie werden ihn nicht finden.“

Die Soldaten tragen Lucius ins Zollhaus. Drinnen ein entsetzter Schrei. Ein gebrüllter Befehl, und die Menschen strömen aus dem Gebäude.

„Steh auf, aber langsam“, raunt Saul Bartholomäus zu. Der blickt auf, schaut furchtsam um sich und schüttelt sich dabei verschämt den Staub aus den Kleidern. Seine Augen suchen Saul. Als der ihm zulächelt, kehrt ihm der Mut wieder. Verzückt schaut er zum Himmel: „Gelobt sei der Herr, der mich aus höchster Gefahr gerettet hat und meine Seele nicht preisgibt der Wut meiner Feinde!“ –

„Sie sind noch da.“ –

„Wo?“ –

„Drüben in der Zollstelle. Bartholomäus, dein Wein muss traumhaft sein, warum hast du mir nichts davon gesagt? Mir haben sie das Rizinusöl verschüttet, und –“

Saul verstummt: Zwischen den Kräutern sieht er etwas Braunes hervorschimmern – den Münzbeutel des Ermordeten. Ihm gehen die Augen über: Da liegt das Geld für die neuen Kleider, die er seiner Frau und seinen Töchtern schon seit langem versprochen hat. Für den Esel, den er braucht, um seine Waren nicht mehr mühsam mit dem Handwagen zum Markt schleppen zu müssen. Für das Ochsengespann, das er schon lange vor seinen Pflug spannen will. Für die Befreiung von seinen drückenden Pachtschulden.

„Was ist dir, Saul?“ –

„Still. Sie kommen zurück.“

Bartholomäus blickt erschreckt zum Zollgebäude: Die beiden Soldaten treten aus der Tür, die Hand am Schwertknauf, und schauen sich misstrauisch um.

Saul schiebt ein wenig Blattwerk über den Beutel. Die Gassen zwischen den ausgebreiteten Waren sind menschenleer, einige Bauern packen ihre Früchte zusammen.

Hinter den Soldaten treten zwei Sklaven hervor, die verhüllte Leiche auf einer Bahre tragend. Rasch geht die Gruppe durch die Marktgasse. Der Dunkle wirft Bartholomäus einen zornigen Blick zu, als sie an ihm vorübergehen.

„Wartet“, ruft Saul. Der Rote bleibt stehen und dreht sich um, die Sklaven hinter ihm verhalten ihren Schritt.

„Dies hier –“, Saul greift mit der Hand nach dem Blattwerk –

„Halt!“, brüllt der Soldat. –

„Herr, dies ist –“ Sauls Hand bewegt sich weiter zu dem Blattwerk, unter dem der Münzbeutel verborgen ist.

Mit einem Sprung steht der Rote vor ihm. Wenige Fingerbreit von Sauls Hand entfernt haut sein Schwert das Blattwerk entzwei. Saul springt zurück, der Beutel fliegt in hohem Bogen. Kupfergeld, Silber- und Goldmünzen wirbeln durch die Luft.

„Der Beutel des Toten“, stammelt Saul, „ich habe ihn nicht angerührt.“ –

„Dieb!“, herrscht ihn der Soldat an. –

„Herr, ich –“ –

„Heb das auf!“, brüllt der Rote. In panischer Angst beginnt Saul, die Münzen vom Boden aufzusammeln. „Schneller!“ Saul sucht zwischen Waren und Steinen, klaubt zusammen, was er findet, und gibt es in das Tuch, das er sich eilig vom Kopf gerissen hat. „Gib her!“ Hastig schüttet Saul den Inhalt des Tuchs in die Hände des fordernden Soldaten.

„Weiter!“, ruft der Dunkle von vorne. Die Sklaven setzen sich wieder in Bewegung. Der Rote wendet sich ab und eilt den dreien hinterher.

Leben zur Zeit Jesu. Ein Doku-Drama zum Schmökern

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