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I. Methode: Weg oder Ziel?

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Jenseits des Systems Wissenschaft bereitet die Definition von ‚Methode‘ scheinbar wenig Probleme. „Eine Methode ist der Weg zum Ziel“ – diese ebenso selbstbewusste wie schlichte Begriffsbestimmung nimmt ein online-Ratgeber für sich in Anspruch, der seinen Leser*innen in 5 Schritten zu mehr Ordnung im Büro verhelfen möchte. Allerdings suggeriert der unmittelbare Kontext eine spezifische Betonung des Satzes, die jene dann doch enttäuschen muss, die nach einer einigermaßen eindeutigen Definition suchen: Denn „Eine Methode ist der Weg zum Ziel“, so muss es heißen; und das im Titel des Bandes formulierte Ziel ist ein Schreibtisch ohne Bücher- und Dokumentenmassive. Was aber eine Methode ist, das wird als selbsterklärend vorausgesetzt und einem allgemeinsprachlichen Ungefähren überlassen. Es ist dem Verfasser eben nicht darum zu tun, einen Begriff ‚Methode‘ zu definieren, sondern eine spezifische, nämlich die für mehr Ordnung im Büro, anwendbar zu machen.

Diese Beobachtung an einem Text, der vieles für sich beanspruchen kann, sicherlich aber nicht Wissenschaftlichkeit, ist symptomatisch. Aber selbst wo es in Texten mit wissenschaftlichem Anspruch um Methoden geht, wird die Frage danach, was denn eine solche eigentlich sei, oft geflissentlich übergangen: Nicht was eine Methode, sondern was die hier angewandte Methode ist, ist dann die erste Frage.

Auf dem Weg zur Methode den Umweg über methodologische Fragen zu gehen, soll hier vorgeschlagen werden; und die folgenden Überlegungen setzen es sich zum Ziel, dafür einen möglichen Rahmen zu skizzieren. Ich mache es mir also zur Aufgabe, noch diesseits des Methodischen über methodologische Fragen nachzudenken. Es soll und kann mir im Folgenden entsprechend auch nicht um die Frage gehen, was eine Methode ist. Der Versuch einer normativen Bestimmung mit den unvermeidlichen Inklusions- und Exklusionsmechanismen wäre nicht nur vermessen, sondern auch wenig produktiv. Ich möchte stattdessen versuchen zu rekonstruieren, welche Aspekte dazu führen können, dass geistes- oder kulturwissenschaftliches Arbeiten als methodisch geleitet und kontrolliert beschreibbar wird. Unter welchen Bedingungen wird das Umgehen1 mit Aufführungen, Texten, Bildern, Räumen, Inszenierungen, Situationen; unter welchen Voraussetzungen wird der Blick auf ihre Dokumentationen, Reenactments, journalistischen oder ganz anderen Verhandlungen wissenschaftlich? Und: Ist Wissenschaftlichkeit an Methodik gekoppelt? Um diese Fragen stellen zu können, ist jedoch zunächst zu klären, unter welchen Prämissen ich in diesem Zusammenhang von ‚Methoden‘ sprechen werde – ich will explizit keinen Begriff etablieren, sondern eine methodologische Argumentationsweise vorschlagen.

Speziell für das Fach Theaterwissenschaft und sein – nicht erst seit der performativen Wende – genuin prozessorientiertes Umgehen mit einem medial hybriden Gegenstand ergibt sich dann die Frage nach dem Verhältnis seiner Methoden der Beschreibung und den Methoden auf der Gegenstandsebene, die es beschreibt. Interessant ist weiterhin, wie und wann diese Formen des Methodischen in produktive Interferenzen geraten (dieser letzte Punkt ist für das Fach wahrscheinlich neuralgisch). Kurz: Was heißt für die in dieser Hinsicht spezifische Theaterwissenschaft in welchem Sinne und auf welcher argumentationslogischen Ebene ‚Methode‘?

Wissenschaftstheoretische Verständnisse von ‚Methode‘ können diese Überlegungen konturieren, sollten sie aber keinesfalls deduktiv bestimmen. Arnd Mehrtens etwa unterscheidet wissenschaftstheoretisch zwischen deskriptiver und präskriptiver (man könnte auch sagen: normativer) Methodologie.2 Demgegenüber kündige ich mit einer Methodologie des Heuristischen schon im Titel meines Beitrags eine Art ‚dritten Weg‘ an. Eine solche appellative Methodologie ist auf einer Beschreibungsebene anzusiedeln, die quer zur Dichotomie von ‚präskriptiv‘ und ‚deskriptiv‘, von ‚Vorschrift‘ und ‚Beschreibung‘ steht: Auf diesem Wege soll es gelingen, das Methodische theaterwissenschaftlichen Arbeitens als solches ansprechbar zu machen, ohne schon den Anspruch des Metawissenschaftlichen zu erheben.

Die folgenden Überlegungen gliedern sich in vier Teile und sind auf die eben entwickelte Leitperspektive bezogen, kommen jedoch nicht mit ihr zur Deckung: Nach einer knappen etymologischen und historischen Einordnung (II) ist zunächst kurz darzustellen, was unter einer dynamischen Methode verstanden werden soll (III). Sodann ist die Pluralität theaterwissenschaftlicher Methoden von der Pluralität dessen her zu beschreiben, was ich ihre operativen Grundhaltungen nennen werde (IV), um schließlich der Spezifik inter-methodischen Sprechens in den Geistes- und Kulturwissenschaften versuchsweise nahe zu kommen (V).

Methoden der Theaterwissenschaft

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