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III. Doing Method

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Wissenschaft übersetzt die Komplexität ihrer Umwelt in eine andere, eine ihr eigene Komplexität (was in der Beobachtung als Komplexitätssteigerung erscheinen kann). Das tut sie, indem sie die Gegenstände des Erkenntnisinteresses ins Verhältnis zu einer Theorie oder einem Modell setzt. Dabei ergibt sich aus der Wahl eines theoretischen Paradigmas selbstredend noch keine Methode. Methodisches Vorgehen setzt vielmehr eine operative Grundhaltung voraus – etwa: Genaues Lesen (z.B. von historischen Quellentexten), systematisierende Bildbetrachtung, das achtsame Verfolgen einer Aufführung, auch Zählen, Messen, Wiegen – aber es erschöpft sich nicht in ihr. Denn auch die gebannte Leserin von Søren Kierkegaards Berichten über die Berliner Antigone-Aufführung von 1842 kann sicherlich viel über die Texte sagen, das macht sie aber noch nicht zum Theaterhistorikerin. Ein Besucher von Hans Neuenfels’ Münchner Antigone-Inszenierung hat vielleicht eine differenzierte Meinung, aber dadurch wird er noch nicht zum Aufführungswissenschaftler; und zwar auch dann nicht, wenn er seine Beobachtungen in strukturierter und intersubjektiv nachvollziehbarer Form kommuniziert.

Erst wenn die operative Grundhaltung durch eine spezifische, begrifflich präzisierte (oder zumindest als präzisierbar gedachte) Beobachtungseinstellung konturiert wird, sind die Voraussetzungen für methodisches Arbeiten im engeren, wissenschaftlichen Sinne gegeben. Dann wird etwas als etwas beobachtbar: etwa Theater als sozialer Prozess, eine Aufführung als ein Netz unabschließbarer Mediatisierungsprozesse, der Prozess des Zuschauens als Prozess des Erprobens und Verwerfens kognitiver Konstrukte eines Geschehens, oder Kierkegaards Berichte als Quellen für hegelianisch grundierte Antigone-Lektüren des mittleren 19. Jahrhunderts. Zentral dafür ist, dass Schlussfolgerungen vor einem als plausibel angenommenen und explizierbar gedachten (im besten Fall auch explizierten) Hintergrund begründet werden. Methodisches Vorgehen entsteht demnach im ständigen Messen von Beobachtungseinstellung, operativer Grundhaltung und Objektbereich aneinander und ist eher konstellativ denn linear zu denken: Linearität, die Annahme eines abzuschreitenden Wegs zum Ziel also, so eine erste Hypothese, ist in diesem Sinne eben nicht die Voraussetzung für Methodik.1

Methodisches Vorgehen reduziert so die unvorhersehbare, unabschließbare Komplexität des Gegenstandes und ersetzt sie durch die anders geartete Komplexität wissenschaftlichen Ausdrucks. Systemtheoretisch formuliert hieße das: Komplexitätssteigerung ermöglicht Komplexitätsbewältigung. Und das könnte man das Ziel des wissenschaftlichen Methodos nennen – ein Ziel freilich, das selbst wieder zum Ausgangspunkt wird. Dabei soll nicht etwa etwas wie eine generative Transformationsgrammatik der Methoden angestrebt werden: Was etwa als eine operative Grundhaltung zu identifizieren sei, ist Gegenstand der disziplinären Aushandlung und des Dialogs – und ist seinerseits (fach-)historischem Wandel unterworfen.

Methoden der Theaterwissenschaft

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