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Frauenpower

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Was von vielen als „weibliche Revolution“ bezeichnet wird, war ursprünglich nicht als solche geplant. Es wäre auch falsch zu sagen, dass das weibliche Element das wichtigste war, das Menschen drei Wochen vor den Wahlen so stark mobilisierte. Die Belarus*innen waren bereits vor den Wahlen politisiert und weitgehend einig gegen Lukaschenko. In diesem Sinne war es eine Protestwählerschaft, die bereit war, für jede starke Persönlichkeit zu stimmen, die sich gegen den amtierenden Präsidenten stellte.

Durch die Verhinderung von drei populären Kandidaten wurde Swetlana Tichanowskaja zur „letzten Hoffnung auf Veränderung“. Veränderung bedeutete dabei vor allem ein Ende der Repressionen und neue faire Wahlen. Und genau das versprach Tichanowskaja: Sollte sie gewinnen, würde sie innerhalb von sechs Monaten neue Wahlen initiieren. Sie sah sich also als Übergangskandidatin.

Swetlana Tichanowskaja hatte nie vor, in die Politik zu gehen, sie kümmerte sich um ihre Kinder, nachdem sie früher als Dolmetscherin aus dem Englischen gearbeitet hatte. In ihren Reden konzentrierte sie sich auf Familienwerte, Kinder und Liebe und betonte immer wieder, dass ihr verhafteter Ehemann Sergej ursprünglich der Hauptgrund für ihr politisches Engagement gewesen sei. Mit der Zeit stand sie jedoch nicht nur für seine Freiheit, sondern auch für die Freiheit aller Belarus*innen. Sie sah sich zwar als schwache und „einfache“ Frau, wurde allerdings nach Wochen voller Kundgebungen vor den Wahlen immer stärker. Wenn alles vorbei sei, würde sie wieder „ihre Bouletten braten“, sagte sie. Ihre Ansichten änderten sich auch nach den Wahlen nicht, als sie Belarus verlassen musste und zu einer international bekannten Oppositionsfigur wurde.

Maria Kolesnikowa war dazu in gewisser Weise der Antipode – sie sah sich als freie Weltbürgerin und erwähnte in ihren Interviews den Wert des Feminismus. Sie hatte eine erfolgreiche Karriere im Kreativbereich und arbeitete als Musikerin und Artdirektorin. Die gebürtige Belarusin lebte und arbeitete lange Zeit in Deutschland und anderen europäischen Staaten und lernte die Werte von Demokratie und Freiheit in der Praxis kennen. Sie wurde bereits im Team von Babariko sichtbar: Ihre Botschaften („Wir sind legitim!“, „Belarusen, ihr seid unglaublich!“) erreichten eine breite Öffentlichkeit. Von den drei Frauen war sie die einzige, die nach den Wahlen in Belarus blieb und sogar ihren Pass zerriss, als Geheimdienste versuchten, sie außer Landes zu schaffen, was zu ihrer Verhaftung führte.

Veronika Zepkalo galt als Kombination aus beiden Elementen: eine selbstbewusste, erfolgreiche Managerin bei Microsoft, eine liebevolle Frau und Mutter. Bei der ersten gemeinsamen Pressekonferenz machte sie deutlich, dass die belarusische Verfassung auch für Frauen geschrieben sei und dass Frauen in Belarus Männern gleichgestellt seien. Diese Aussage war eine deutliche Antwort an Lukaschenko, der das Gegenteil insinuiert hatte. Gleichzeitig unterstützte sie Swetlana Tichanowskaja als Mutter und Ehefrau – so sah für sie „Frauensolidarität“ aus. Schließlich betonte sie in ihren Interviews, es gebe nur einen Politiker in ihrer Familie, und das sei ihr Ehemann Valeri Zepkalo.

Diese Kombination von traditionellen und feministischen Werten in den Botschaften des „Frauentrios“ spielte offensichtlich eine wichtige Rolle für ihre breite Popularität, weil sehr unterschiedliche Zielgruppen damit angesprochen wurden. Die schüchterne und liebevolle Tichanowskaja war ein perfekter Prototyp für einen erheblichen Teil der Belarus*innen, die eher traditionelle Werte teilten – sie wurde eine Art „politisches Aschenputtel“. Menschen unterstützten sie aus Solidarität, Mitgefühl und Bewunderung für ihren Mut.

Gleichzeitig kamen feministische Botschaften von Kolesnikowa und die aufbauenden Reden von Zepkalo bei den Anhänger*innen der Frauenpower gut an. Patriarchalische Hierarchien und Sexismus sind in Belarus sehr präsent – sowohl im öffentlichen Raum als auch am Arbeitsplatz oder zu Hause. Frauen sind ständig geschlechtsspezifischen Stereotypen und Diskriminierungen ausgesetzt. Belarusische Frauen scheinen allerdings laut jüngsten Umfragen weniger patriarchalisch geprägt zu sein als Männer. Das „Frauentrio“ gab ihnen eine Chance, sich selbst und ihre eigenen Stärken besser kennenzulernen, es motivierte tausende Belarusinnen zu friedlichen Frauenprotesten nach den Wahlen.

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