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Bonhoeffer und der Wille Gottes
ОглавлениеMir helfen an dieser Stelle die Ausführungen von Dietrich Bonhoeffer. Sein unvollendetes Werk Ethik enthält zwei Kapitel mit den Titeln Die Liebe Gottes und der Zerfall der Welt und Struktur des verantwortlichen Lebens. Bonhoeffer hinterfragt darin unser auf den ersten Blick geistlich wirkendes Ideal, in all unseren Lebensfragen und Entscheidungen den Willen Gottes tun zu wollen. Er vermutet darin eine weniger geistliche Absicht: Wir wollen den letzten Durchblick haben. Gut und Böse zweifelsfrei durchschauen und kontrollieren. Gottes letzte Absichten verstehen.
Bonhoeffer meint, dass dieses Streben die Menschen im Paradies in den Sündenfall getrieben habe. Es hat sie dazu gebracht, vom Baum der Erkenntnis zu essen; von der Frucht, die Gott dem Menschen zu essen verboten hat. Adam und Eva wollten, vom Teufel überredet, an Gottes uneingeschränkter Erkenntnis teilhaben. Ein ähnliches Motiv sieht Bonhoeffer bei manchen Pharisäern zur Zeit von Jesus. Sie wollten sich mit einer bis ins kleinste Detail regulierten Umsetzung des Gesetzes vergewissern, dass sie auch ja in jedem Fall den Willen Gottes taten; die besten Entscheidungen trafen. Auch hier ging es um den letzten Durchblick, verbunden mit dem Bedürfnis, sich gegen das Schuldigwerden abzusichern.
Darin besteht die vielleicht »frommste« Form der Gottlosigkeit. Die Hybris der besonders Gesetzestreuen bestand im Anspruch, vor Gott so ziemlich alles richtig zu machen. Zu denken, so etwas sei möglich. Diese Selbstsicherheit machte sie gleichzeitig zu gnadenlosen Richtern all jener, die sich nicht ebenso entschlossen darum mühten wie sie selbst: Das unbekümmerte Volk, die Sünder, die Unreinen, die Zöllner. Sich selbst wähnten sie auf der sicheren Seite.
Doch gerade sie kritisierte Jesus am schärfsten. Wer Gut und Böse im Griff zu haben meint, macht sich nicht nur zum Richter über andere – er wird selbstgerecht. Der springende Punkt dabei: So löst er sich aus der Abhängigkeit von Gott. Er braucht Gottes Gnade gar nicht mehr, er macht ja alles richtig. Nirgendwo hat Jesus das treffender beschrieben als im Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner in Lukas 18,9-14.