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Warum brauchen Menschen strukturierte Zeit?

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Bemerkungen zu einer leibzeitlichen Anthropologie

♦ Um zu einem adäquaten Verständnis von Zeit zu gelangen, wollen auch die Wechselseitigkeit von chronometrischer Zeit und leiblicher Eigenzeit sowie interpersonale Zeit reflektiert werden. In dieser Reflexion nimmt die Bedeutung der Zeitekstasen von Vergangenheit und Zukunft durch den eigenen Leib zu. Dabei wird eine auch anthropologisch bedeutsame Diskrepanz zwischen einer objektiven Seite und einer subjektiven Seite der Zeit sichtbar. Diese Wechselseitigkeit macht eine Vorstellungsumkehr der Zeit als eines objektiven Gegenübers hin zu einem personalen Zugang als eigener Zeit wichtig und notwendig. Trotz methodischer Umkehr bleiben aber praktische Herausforderungen dieser Wechselwirkung von objektiver und subjektiver Zeit im Leben des Einzelnen präsent, die nicht nur gestaltet werden können, sondern die auch gestaltet werden müssen. (Redaktion)

In seinem Roman „Cox oder Der Lauf der Zeit“ erzählt Christoph Ransmayr vom Londoner Uhrmacher Alister Cox, der an den Hof des chinesischen Kaisers Qiánlóng eingeladen wird, um dort mit seinen britischen Gehilfen außergewöhnliche Zeitmesser zu konstruieren. Er steht schließlich nicht nur vor der schier unlösbaren Aufgabe, eine Uhr zu bauen, welche die Ewigkeit messen soll, sondern befindet sich auch vor dem zentralen Problem, vergehende Zeit in den Griff zu bekommen. Cox soll qualitativ gänzlich unterschiedliche Zeiten messbar machen – etwa die Zeit des Glücks, die Zeit der Liebe oder jene des Todes, wiewohl deren personale Dimensionen sich gerade nicht messen lassen. Anfänglich meint er noch, dass er nur die Geschwindigkeit des Vergehens von Zeit zu verändern brauche, um die Uhren auf qualitativ unterschiedliche Lebensphasen einzustellen, er merkt aber bald, dass es damit nicht getan ist.1 Cox steht nämlich vor dem Rätsel, ob Zeitqualität überhaupt messbar ist, noch dazu, da sie für jeden Menschen etwas anderes bedeutet.

Wenn man darüber nachdenkt, warum Menschen eine strukturierte Zeit brauchen, steht man vor einem ähnlichen Problem wie Alister Cox. Denn einesteils wird Zeit meist mit der Hilfe von Uhren strukturiert, andernteils aber scheint sich das Ordnen von Zeit nicht darin zu erschöpfen.

Die folgenden Überlegungen möchten dieser Diskrepanz nachgehen und sowohl anthropologisch als auch ontologisch differente Zeitebenen aufspüren. Die zugrundeliegende These wird sein, dass es für ein adäquates Verständnis von Zeit nicht genügt, sich chronometrisch auf sie zu beziehen, sondern dass auch leibliche Eigenzeit und interpersonale Zeit für ihre Strukturierung maßgeblich sind.

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