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3 Strukturen innerer und äußerer Zeit

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Verdeutlicht man sich, dass Eigenzeit bzw. innere und soziale bzw. äußere Zeit meist nicht oder nur in seltenen Fällen völlig miteinander identisch sind, sondern mehr oder weniger auseinanderdriften, was bis zu pathologischen Konsequenzen führen kann, erscheint die Frage, die der Titel dieses Beitrags stellt, in einem anderen Licht. Denn es wird sichtbar, dass Zeit nicht nur eine objektive Seite, sondern auch eine subjektive aufweist. Um letzterer ansichtig zu werden, bedarf es allerdings einer methodischen Umkehrung: weg von der Vorstellung von Zeit als einem objektiven Gegenüber und hin zur personalen Einstellung, die einen Zugang zu Zeit als der eigenen Zeit eröffnet.15 Denn der allgemeine Blick auf Zeit, in dem diese qualitätslos zu sein scheint, aber gemessen werden kann, fördert deren Implikationen, die sie für eine bestimmte Person aufweist, nicht zutage. Es besteht beispielsweise ein wesentlicher Unterschied zwischen der Errechnung durchschnittlicher Lebenserwartung einer Generation und der Betroffenheit durch den eigenen Tod nach einer bestimmten Anzahl individueller Lebensjahre. Das Ende der eigenen Existenz hat eine andere Valenz für einen selbst als die abstrakte Wahrscheinlichkeit für das Lebensende im allgemeinen Durchschnitt.

Folgt man der Perspektive, die einen selbst involviert sein lässt, erkennt man, dass sowohl das eigene Bewusstsein als auch der eigene Leib ihre persönliche Zeitstruktur aufweisen. Mein Leibgedächtnis und meine subjektiven Rhythmen zeigen bestimmte und unverwechselbare Qualitäten auf, die anderen Menschen nicht eignen. Die eigene Vergangenheit und die eigene Zukunft sind also nicht allgemeiner, sondern individueller Natur, mehr noch: Sie machen mit aus, wer ich selbst bin. Im Laufe meines Lebens entfalte ich mich, indem ich mich leiblich zeitige, älter werde und in meiner Biografie allmählich zu mir selbst komme, also mich zu dem oder der entwickle, der oder die zu werden mir offensteht. Personale Zeit gibt es zunächst nur im Plural, sie ist individuell differenziert und strukturiert.

Fragt man also, warum Menschen eine strukturierte Zeit brauchen, so ist zu antworten: weil sie selbst zeitlich strukturiert sind. Menschen können gar nicht anders, als sich zu zeitigen und zeitlich zu leben. Das gilt einerseits in einem generellen Sinn, selbst dann, wenn man Zeit nicht schon als messbare vor Augen hat. Denn menschliches Dasein kann sich nur zeitlich vollziehen, erstreckt sich also in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sodass Menschen auf die drei Zeitdimensionen ausgelegt sind und den Horizont ihrer Existenz in der Zeit finden.16 In diesem Sinn charakterisiert Zeit das menschliche Dasein im Allgemeinen und von vornherein. Andererseits ist in personaler Sicht aber auch erkennbar, dass neben dieser allgemeinen temporalen Bestimmung auch daran festzuhalten ist, dass Zeit eine individuelle Dimension aufweist. Diese schlägt sich darin nieder, dass Menschen unterschiedliche Lebensgeschwindigkeiten haben – nicht nur nach dem jeweiligen Lebensalter abgestuft –, ihre Leibesrhythmen differieren, das jeweilige Leibgedächtnis unterschiedlich ausgeprägt ist und sie unterschiedlich altern. Daraus folgt, dass die angesprochene Notwendigkeit, Zeit zu strukturieren, für die einzelne Person und deren Zeitstruktur unumgänglich ist bzw. dass äußere Zeit von jedem und jeder anders strukturiert werden muss, will man sich nicht die eigenen Lebensmöglichkeiten verbauen. Soll es nicht zu Verwerfungen oder gar zeitlichen Pathologien kommen, kann man nicht umhin, darauf zu achten, dass wichtige Zeitstrukturen für einen selbst adäquat sind.

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