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Оглавление3 Geschichte
3.1 Die Entwicklung der nordfriesischen Mehrsprachigkeit
Schleswig-Holstein war am Ende der Völkerwanderungszeit von seinen ursprünglichen Bewohnern weitgehend verlassen worden. In das bevölkerungsleere Gebiet drangen von Norden die Jüten, von Osten die Slawen und von Süden die Sachsen ein. Um zirka 700 besiedelten die Friesen, die aus dem ursprünglichen friesischen Siedlungsgebiet zwischen Ijsselmeer und Weserwurden kamen, die nordfriesischen Inseln Sylt, Föhr, Amrum und vermutlich auch Helgoland, den westlichen Teil Eiderstedts und Teile des Marschgebiets. Im 11. Jahrhundert wurde das Marschgebiet in einer zweiten Einwanderungswelle stärker in Besitz genommen.1
Südlich des friesischen Sprachgebietes entwickelte sich das Niederdeutsche allmählich zu einer expandierenden Sprache. Im Osten Schleswig-Holsteins wurde das Slawische im Mittelalter verdrängt. An der niederdeutsch-friesischen Grenze vollzog sich der erste Sprachwechsel im 17. Jahrhundert, indem Eiderstedt als der südlichste Teil des friesischen Sprachgebietes das Friesische zugunsten des Niederdeutschen aufgab. Außerdem wurde 1634 die Insel Strand, aus der die jetzigen Inseln Nordstrand und Pellworm hervorgegangen sind, durch eine große Sturmflut weitgehend zerstört und von den friesischen Einwohnern zum Teil verlassen. Die im Zuge des Wiederaufbaus eingewanderten Siedler führten das Niederdeutsche und teilweise auch das Niederländische ein, das aber inzwischen wieder verschwunden ist.
Die niederdeutsch-jütische Grenze entlang der Linie Husum-Schleswig scheint lange Zeit fest gewesen zu sein. Erst zwischen 1800 und 1850 ging die jütischsprachige Landschaft Angeln im Osten Schleswigs zum Niederdeutschen über. Im ärmeren schleswigschen Mittelrücken vollzog sich dagegen der Sprachwechsel viel langsamer. An der Westküste gewann das Niederdeutsche weiter an Boden, bis die Expansion des Niederdeutschen durch die des Hochdeutschen abgelöst wurde. Heute lässt sich im gesamten Gebiet ein Sprachwechsel vom Jütischen, Friesischen und Niederdeutschen zum Hochdeutschen hin beobachten.
Die friesisch-jütische Sprachgrenze scheint sich über die Jahrhunderte kaum bewegt zu haben, wenn man von der geringfügigen Expansion des Friesischen auf der Geest absieht.2 Das Jütische scheint jedoch das Friesische lange Zeit vor dem Einfluss des Niederdeutschen abgeschirmt zu haben.
Heute sieht die Sprachverteilung im Kreis Nordfriesland etwa so aus: Im gesamten Gebiet wird Hochdeutsch gesprochen. Niederdeutsch wird ebenfalls weitgehend im gesamten Gebiet gesprochen. Auf Amrum, Westerland-Föhr und dem östlichen Teil von Sylt ist das Niederdeutsche jedoch schwach vertreten. Südlich der deutsch-dänischen Staatsgrenze gilt das Jütische inzwischen als weitgehend ausgestorben. Friesisch wird auf dem Festland von der Staatsgrenze im Norden bis kurz vor Bredstedt, etwa Langenhorn, im Süden sowie auf den Inseln Sylt, Föhr, Amrum und vereinzelt auf den Halligen gesprochen.
Die meisten Friesischsprecher befinden sich auf Westerland-Föhr, Amrum, Helgoland, im östlichen Teil von Sylt, und auf dem Festland in der Gemeinde Risum-Lindholm. Diese Gebiete dürfen jedoch nicht mehr, vielleicht mit Ausnahme von Westerland-Föhr, als geschlossene Sprachräume betrachtet werden, da die Zahl der Nicht-Friesischsprecher die der Friesischsprecher übersteigt. In den übrigen Dörfern des friesischen Sprachgebietes ist die Zahl der Friesischsprecher teilweise gering.
3.2 Auswanderung nach Amerika
Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts setzte eine Auswanderungswelle vor allem der Inselfriesen von Föhr und Amrum nach Amerika ein. Hauptsiedlungsgebiete waren Kalifornien und New York. In Kalifornien war die Haupterwerbstätigkeit der Betrieb von Hühnerfarmen, während die Friesen in New York Kolonialwarenhändler und später Inhaber von Delicatessen-Stores wurden (Götz/Greve 2011). Gründe für die Auswanderung waren etwa die Flucht vor der Militärdienstpflicht in der preußischen Zeit, die Suche nach besseren Arbeitsmöglichkeiten und die nicht ausreichende wirtschaftliche Basis auf den heimischen Bauernhöfen (Pauseback 1995). Heute besteht ein reger Kontakt zwischen den Insel- und den Amerika-Friesen.