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4 Wirtschaft und Wanderbewegungen
ОглавлениеDie Wirtschaftsstruktur Nordfrieslands ist primär durch den Dienstleistungssektor (besonders durch den Fremdenverkehr) gekennzeichnet. Etwa 73 Prozent der Brutto-Wertschöpfung kam 2016 aus diesem Bereich.1 Die Landwirtschaft ist ebenfalls von Bedeutung, da die 2.003 landwirtschaftlichen Betriebe eine Flächennutzung von insgesamt 160.248 ha (= 76,9 % der Gesamtnutzfläche Nordfrieslands) haben (Regionale Kooperation Westküste 2016: 14). Allerdings betrug 2016 die Landwirtschaft nur zirka zwei Prozent der Brutto-Wertschöpfung,2 und nur 2,3 Prozent der versicherungspflichtigen Beschäftigten sind im Wirtschaftszweig Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei tätig (Regionale Kooperation Westküste 2016: 64). Die Krise in der Landwirtschaft zwingt seit längerem Landwirte dazu, einen neuen Beruf aufzunehmen.
Die einzelnen Teile Nordfrieslands weisen eine unterschiedliche Wirtschaftsstruktur auf. Auf den Inseln dominiert der Fremdenverkehr, der aber inzwischen auch auf dem Festland mit dem Schwerpunkt in St. Peter-Ording an Bedeutung gewonnen hat. Andere Wirtschaftszweige auf dem Festland befinden sich zum Beispiel im Medizinbereich und in der regenerativen Energie. Es besteht dennoch eine ungleichmäßige Wirtschaftsstruktur, die zu Wanderbewegungen innerhalb des Gebietes führt. Täglich pendeln zum Beispiel zirka 4.000 bis 5.000 Personen vom Festland nach Sylt, um im Baugewerbe, Fremdenverkehr usw. tätig zu sein.
Infolge von Schwierigkeiten im Gesundheitssystem in Nordfriesland können Kinder jetzt in der Regel nicht mehr auf den Inseln Amrum, Föhr und Sylt geboren werden. Angehende Mütter müssen sich rechtzeitig vor der Niederkunft in eine Unterkunft in der Nähe der Kliniken in Flensburg, Husum oder Heide begeben.
Auf Grund des Fremdenverkehrs, der Attraktivität der Insel und der Zinspolitik der EZB sind die Immobilienpreise auf Sylt stark gestiegen, so dass ein beträchtlicher Teil der Immobilien inzwischen in den Händen von Auswärtigen liegt. Dieser Ausverkauf der Insel, genannt „Versyltung“, hat inzwischen auch die Inseln Föhr und Amrum erreicht, so dass auch hier die Immobilienpreise stark steigen.
Diese Entwicklung führt zu einer Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen auf den Inseln. Während junge Insulaner es sich oft kaum leisten können, auf den Inseln zu bleiben, liegt ein hoher Anteil an Häusern und Wohnungen im Besitz Auswärtiger, die als Ferien- und Wochenenddomizile oder als Investitionsobjekte benutzt werden.
Die hohen Immobilienpreise auf den Inseln, eine verhältnismäßig hohe Arbeitslosigkeit, die allerdings saisonbedingten Schwankungen unterliegt, die Notwendigkeit für junge Leute, den Kreis zu verlassen, um sich weiter zu qualifizieren, und ein geringes Arbeitsangebot für qualifizierte Fachkräfte und Akademiker in Nordfriesland führen zu einer Abwanderung der Einheimischen (Speth 2009, Walker 2019a). Im Jahre 2017 wanderten 7.165 Personen aus Nordfriesland ab. Eine Zuwanderung Nicht-Einheimischer findet ebenfalls statt, u.a. wegen des Bedarfs an Saisonkräften im Fremdenverkehr, insbesondere auf den Inseln. Ruheständler kommen ebenfalls gerne nach Nordfriesland, um hier in einer gesunden Umgebung ihren Lebensabend zu verbringen. Im Jahre 2017 wanderten 8.328 Personen nach Nordfriesland ein. Es sind m.a.W. mehr Personen zu- als abgewandert.3
Das einst nur schwer erreichbare Gebiet Nordfriesland ist heute verkehrstechnisch gut erschlossen. IC-Züge fahren über Husum nach Westerland auf Sylt mit der Möglichkeit, in Niebüll umzusteigen, um mit der Kleinbahn und Fähre zu den Inseln Föhr und Amrum weiterzufahren. Es gibt allerdings seit längerem erhebliche Schwierigkeiten mit der Marschbahn, die zu Protesten und zehn Monate in Folge zu einer Bestrafung der Bahn durch das Wirtschaftsministerium in Kiel geführt haben.4 Gefordert wird u.a. der Ausbau der eingleisigen Strecke zwischen Niebüll und Sylt. Es gibt auch eine Fährverbindung zwischen der dänischen Insel Röm und List auf Sylt. Direkte Flugverbindungen bestehen zwischen Sylt und Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Kassel, Mannheim, München, Stuttgart und Zürich. In St. Peter-Ording sowie auf den Inseln Föhr, Pellworm und Helgoland befinden sich ebenfalls Flugplätze. Gut ausgebaute Bundesstraßen verbinden die Bundesautobahn von Hamburg nach Flensburg mit Husum und Leck bzw. Niebüll. Der Bau der Westküstenautobahn von Hamburg hat bislang Heide erreicht.