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2.2.4 »Von der Orthodoxie zur Pluralität«2 Weiterentwicklungen der Psychoanalyse

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Die heute fast unüberschaubare Vielfalt psychoanalytischer Konzepte hat zu einer Pluralität von therapeutischen Schulen geführt, die man wohlmeinend als den theoretischen Reichtum der Psychoanalyse verstehen kann. Man kann auch von einer »Pluralität der Orthodoxien« (Bohleber, 2018; Cooper, 2001) sprechen, denn die Vertreter der aktuellen, überwiegend hoch divergenten Schulen treten kaum noch in einen Diskurs miteinander, manchmal ist die Rede von einem Glaubenskrieg ( Abb. 2.2).

Im historischen Rückblick wird deutlich, dass die Geschichte der psychoanalytischen Bewegung von Beginn an den Konflikt zwischen dringend notwendiger – von Freud immer wieder geforderter – Weiterentwicklung, Bewahrung fundamentaler Essentials und Ausstoßung störender Dissidenten in sich trug. Von den letzteren seien nur C.G. Jung und A. Adler aus der ersten Generation der psychoanalytischen Bewegung sowie W. Reich aus der zweiten Generation genannt, die bereits früh erfahren mussten, dass substanzielle Abweichungen im Menschenbild, der therapeutischen Ausrichtung sowie der pathogenetischen Konzeption (aber wie etwa im Falle John Bowlbys, Kap. 8, auch die wissenschaftliche Ausrichtung) nicht geduldet wurden.


Abb. 2.2: Bedeutsame Beziehungen für die Entwicklung der Psychodynamischen/Psychoanalytischen Psychotherapie (mod. n. Kriz, 2014, S. 30)

Basale Motivation aller Weiterentwicklungen psychoanalytischer Theorie war zumeist die Auseinandersetzung mit den Problemen und Erkenntnissen der Behandlung. Schon Freud selbst hat wie o. g. auf diesem Wege seine gesamte Metatheorie immer wieder überarbeitet und geradezu umgestürzt und das sollte sich bis heute zahlreich wiederholen. Freud hatte auf diesem Wege die zentrale Bedeutung unbewusster Übertragungen und Widerstände erkannt, die er zunächst als Hindernis auf dem Wege der Erinnerung und Bewusstwerdung ansah, aber dann zum wichtigsten Werkzeug seiner Technik machte.

Der in der Folge Freuds wohl wichtigste Fortschritt (in Anlehnung an die »Geschichtsschreibung« in der Verhaltenstherapie: gewissermaßen die »zweite Welle in der Psychoanalyse«) liegt vermutlich in der Konzeption der Objektbeziehungstheorie, die in der Behandlungsdynamik die Zwei-Personen-Situation betont, in welcher der Therapeut nicht mehr wie bei Freud möglichst »leerer Spiegel« ist oder auch nur sein kann. Er ist im Gegenteil immer schon im Zuge seiner Gegenübertragung in die Dynamik des Patienten – wie auch seine eigene! – involviert ( Kap. 16). Allerdings sieht die moderne Objektbeziehungstheorie darin heute eben nicht mehr in erster Linie eine Störung der therapeutischen Beziehung, sondern vielmehr eine der Übertragung ebenbürtige Quelle diagnostischer Information und methodischer Potentiale. Aufbauend auf der Objektsbeziehungstheorie und neueren Befunden der Entwicklungspsychologie könnte man in der Entwicklung der »relationalen Psychoanalyse« (verbunden mit Autoren wie Mitchell, Atwood, Stolorow) von einer »dritten Welle« (oder Wende) sprechen. Diese Richtung postuliert, dass Erleben im wechselseitigen Austausch von Subjektivitäten (von Patient und Analytiker) entsteht und nur im gemeinsamen Kontext mittels Empathie und Introspektion verstanden werden kann. Mit dieser Konzeption näherte sich die Theorie etwa dem Konzept der komplementären Beziehungsgestaltung aus der Plananalyse bzw. der lösungsorientierten Psychotherapie an (vgl. Caspar, 1996; Grawe & Caspar, 1984).

Ideengeschichte der Psychotherapieverfahren

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