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2.3.2 Wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirksamkeit psychodynamischer Psychotherapie

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Die Beispiele zeigen, dass einige (längst nicht alle) theoretische Grundannahmen der psychodynamischen Psychotherapie mittlerweile mithilfe der »Nachbarwissenschaften« empirisch untermauert sind, was ihrem wissenschaftlichen Status sicher nützt. Zu diesem Status gehört aber naturgemäß auch die »leidige« Frage nach der Wirksamkeit psychodynamischer (Kurzzeit- und Langzeit-)Psychotherapie.

Erste Versuche, die Wirksamkeit psychoanalytischer Behandlungen zu belegen, stammen bereits aus den 1930er Jahren (durch die Dokumentation von Behandlungen in Einrichtungen wie z. B. dem Berliner Institut). Ein erster »Rückschlag« erfolgte durch die legendäre Veröffentlichung von H.J. Eysenck (The effects of psychotherapy, 1952), in der dieser postulierte, dass (psychoanalytische und eklektische) Psychotherapie nicht wirksamer sei als spontane Remission (eine Behauptung, die erst Jahrzehnte später empirisch unter Bezug auf die von Eysenck benutzten Datensätze durch McNeilly & Howard, 1989 entkräftet wurde). Trotz der Provokation Eysencks hielten sich die Bemühungen empirischer Wirksamkeitsforschung in der psychodynamischen Psychotherapie weiter in Grenzen (s. die o. g. Empiriefeindlichkeit), sicher auch bedingt durch die im Vergleich zur Verhaltenstherapie größere Ferne zu Konzepten der Evaluation und der Interventionsforschung. Dies trug dazu bei, dass Grawe, Donati und Bernauer (1994) auf der Basis eines systematischen Reviews die Evidenzbasierung der psychoanalytisch orientierten Psychotherapieverfahren als äußerst ungenügend bezeichneten. Diese Publikation wirkte – nach teilweise extrem kontroversen und fast aggressiven Debatten darüber – tatsächlich als eine Art von Weckruf und hat das Bewusstsein für Wirksamkeitsnachweise verstärkt.

Trotz einiger kontroverser Diskussionen um die Qualität einiger dieser Nachweise, wie sie insbesondere in metaanalytischen Zusammenfassungen geführt wurden (Leichsenring & Leibing, 2001; Leichsenring et al., 2004; Leichsenring & Rabung, 2008; zur Kritik siehe z. B. Smit et al., 2012; Anestis et al., 2011; Thombs et al., 2001), lässt sich heute konstatieren, dass zumindest zeitlich limitierte psychodynamische Psychotherapien ihre Wirksamkeit für viele Störungsbilder in methodisch guten Studien nachgewiesen haben (nach einer von Peter Lilliengren an der Universität Stockholm geführten Liste lagen bis Mitte 2019 immerhin fast 230 kontrollierte Studien vor, in denen die Wirksamkeit psychodynamischer Psychotherapie untersucht und belegt wurde). In der letzten Ausgabe des Handbook of psychotherapy and behavior change (2013) veröffentlichten Barber et al. eine methodisch hochwertige Metaanalyse, die zeigt, dass die Effektstärken für die Wirkung psychodynamischer Therapien bei Depression, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen im Vergleich zu Kontrollbedingungen (Warteliste, treatment as usual (TAU)) zwischen .46 und .78 variieren, im Vergleich zu aktiven Vergleichsbedingungen (inkl. Kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) und Medikation) zwischen -0.14 und .09 variieren. Das Problem in der psychodynamischen Psychotherapieforschung ist, dass unabhängig vom Behandlungssetting die Zahl der verfügbaren Studien vermutlich »auf ewig« sehr viel geringer sein wird als speziell in der KVT und darauf bezogener Behandlungsmethoden.

Schwieriger noch als die Wirksamkeitsfrage in der psychodynamischen Kurztherapie ist die Frage der Wirksamkeitsnachweise von Langzeitpsychotherapien einschließlich der »klassischen« Psychoanalyse, was naturgemäß auch an methodischen Schwierigkeiten liegt (z. B. Frage der Kontrollgruppen, Unmöglichkeit der Randomisierung etc.).

Immerhin liegen eine ganze Reihe naturalistischer Studien zum Effekt von psychoanalytischer Langzeittherapie vor, die deutlich positive Veränderungen belegen. Dazu zählen beispielsweise die von der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) finanzierte Langzeitkatamnese (Leuzinger-Bohleber & Stuhr, 1997; das Heidelberger Katamneseprojekt, die Berliner Psychotherapiestudie, das Stockholmer Psychotherapieprojekt, das »Helsinki-Projekt« (Knekt, 2011), aber auch prospektive Studien wie die Münchner Depressivitätsstudie (Huber). Die jüngste Studie in diesem Feld ist die sog. LAC-Studie (Beutel et al., 2019), in der ambulante Behandlungen chronisch depressiver Patienten untersucht wurden (Leuzinger-Bohleber et al., 2019a). Es handelte sich um eine Vergleichsstudie psychoanalytischer und kognitiv-behavioraler Therapien, ursprünglich mit dem Ziel einer bestmöglichen Dosisangleichung der beiden Ansätze, die aber nicht gelang. Hautzinger et al. (2020, S. 31) kommentieren dies wie folgt: »Ohne Zweifel stellt der Unterschied in Behandlungsdauer und Behandlungsintensität bei ausbleibenden Effektunterschieden weder nach einem, nach zwei, noch nach drei Jahren das herausforderndste Ergebnis dar. Wie wir betonen (Leuzinger-Bohleber et al. 2019b, S. 53 f.), behandeln Psychoanalytiker doppelt so lang und viermal so intensiv wie die Verhaltenstherapeuten, ohne bezüglich der Symptomreduktion weder kurz- noch längerfristig der KVT hier überlegen zu sein«.

Die LAC-Studie zeigt ganz gut das Dilemma, in dem die psychodynamische Psychotherapieforschung steckt, nämlich die a-priori gänzlich andere Behandlungskonzeption, nicht nur inhaltlich, sondern auch settingbezogen, die eine echte Vergleichbarkeit mit alternativen Behandlungen immer einschränken wird und die es nach wie vor notwendig macht, die postulierten (therapieziel-)spezifischen Veränderungen (z. B. struktureller Art, vgl. Strauß, 1998) entsprechend zu operationalisieren und valide zu erfassen.

Es sei erwähnt, dass die psychodynamische Psychotherapieforschung sich in der Vergangenheit naturgemäß nicht nur auf die Wirkung und den Effekt der Behandlung bezog, sondern viele wertvolle Beiträge zur Erforschung des psychotherapeutischen Prozesses geleistet hat, die bekanntlich von hoher Bedeutung für die Aufklärung von Therapieeffekten sind (vgl. Wampold et al., 2018). Um nur ein Beispiel zu nennen: Das Konzept der Brüche (ruptures) in der therapeutischen Beziehung und deren Bewältigung (repair), das von Safran und Muran (2005) elaboriert und empirisch untersucht wurde, wird zunehmend zu einer schulenübergreifenden Konzeption für das Verständnis des therapeutischen Prozesses.

Zusammengenommen liegt also reichlich Evidenz für die Wirksamkeit der Psychodynamischen Psychotherapie (PDP) vor, die z. B. den Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie dazu veranlasst hat, diese zumindest für Erwachsene (allerdings nicht für Kinder und Jugendliche) als wissenschaftlich anerkannt zu klassifizieren. Manche sprechen sogar von einer Renaissance der PDP angesichts der vielen neueren Studien, die ihre Effekte belegen (vgl. z. B. Steinert & Leichsenring, 2018). Auch international ist die PDP durchaus Teil von Empfehlungen (unter den empirically supported treatments der American Psychological Association (APA)) und Leitlinien (z. B. den APA-Leitlinien zur Depressionsbehandlung; APA, 2019).

Die Frage, wie die psychodynamische Therapie in Zukunft sowohl konzeptuell wie auch bezüglich ihrer Wirksamkeit bereit ist, sich weiter einer wissenschaftlichen Prüfung zu stellen, wird sicher maßgeblich darüber entscheiden, welche Bedeutung sie (unter Bezug auf die hier dargestellte Ideengeschichte und deren Kenntnis) in der Psychotherapie der Zukunft haben wird.

1 Einen Einblick in Freuds Begegnung mit Charcot, dessen Arbeit und die frühen Jahre der Entwicklung der Psychoanalyse bietet der von John Huston (1962) auf der Basis eines ursprünglich von Sartre verfassten Drehbuchs gedrehter Film »Freud – The secret passion«.

2 (Bohleber, 2019)

3 Freud (1919, S. 194) vermutete: »Wir werden auch sehr wahrscheinlich genötigt sein, in der Massenanwendung unserer Therapie das reine Gold der Analyse reichlich mit dem Kupfer der direkten Suggestion zu legieren.«

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