Читать книгу Ideengeschichte der Psychotherapieverfahren - Группа авторов - Страница 22

2.3.1 Wissenschaftliche Studien zu psychoanalytischen Grundannahmen und Konzepten

Оглавление

Leuzinger-Bohleber und Weiß (2014) postulierten in Übereinstimmung mit anderen modernen Analytikern, dass psychoanalytische Modelle und Konzepte nicht im Widerspruch zu denen der Nachbarwissenschaften stehen sollten, wozu allerdings – wie Moser (2005) es formulierte – ein Konzepttransfer nötig und akzeptiert sein müsse (Moser exerzierte diesen mit seinen Schülern beispielsweise im Hinblick auf die Kognitionspsychologie und die Computerwissenschaften durch).

Neben der akademischen Psychologie mit ihren Teildisziplinen ist die Neurowissenschaft eine der wichtigen über Konzepte verfügende Nachbarwissenschaften, die in den letzten Jahrzehnten auch im Bereich der Psychotherapie und Psychoanalyse sehr bedeutsam wurde (vgl. Strauß, Straumann & Lutz, 2020): Freuds These, dass psychische Vorgänge jeglicher Art unbewusst vonstattengehen, ist unter den Neurowissenschaftlern unumstritten (z. B. Kandel, 2012). Es wird allgemein anerkannt, dass Bewusstheit sehr begrenzt ist, was eine der wesentlichen Thesen Freuds untermauert.

Weitere Befunde, die mit psychoanalytischen Grundannahmen einhergehen, kommen aus der Gedächtnispsychologie und den kognitiven Neurowissenschaften. Hier liegt eine Fülle an Studien vor, die die Existenz eines »motivierten Vergessens« nachweist ( Kap. 11). Die Tatsache, dass sowohl die Fähigkeiten zur Einspeicherung als auch die des Gedächtnisabrufes durch innere und äußere Einflüsse beeinträchtigt werden können, steht in einer Linie mit dem Konzept des dynamischen Unbewussten. Ausgehend von Freuds Konzept des Urverdrängten hatten Psychoanalytiker von jeher angenommen, dass das prä- bzw. nicht-verbale Erfahrungswissen anderen Gesetzmäßigkeiten der Einspeicherung und des Abrufs unterliegt als das spätere verbal organisierte symbolisierte Wissen, das aus psychodynamischen Gründen verdrängt werden kann. Aber erst die gehirnanatomische und -funktionelle Unterscheidung von zwei Systemen, die des nicht-deklarativen/impliziten und des deklarativen/expliziten Gedächtnisses (Tulving, 1972; Schacter, 1987; LeDoux, 1996) führte zu einer interdisziplinär ergiebigen Neukonzeptualisierung entwicklungspsychologischer und klinischer Annahmen. Das explizite, als bewusst definierte Gedächtnis wird durch den Temporallappen und den präfrontalen Kortex vermittelt, wobei dem Hippocampus als der wichtigsten gedächtnissensitiven Struktur eine zentrale Stellung zukommt. Das implizite Gedächtnis hingegen, das seinem Wesen nach emotional ist, steht unter der Kontrolle der Amygdala, die sich verschiedener Hirnstrukturen bedient: des Hypothalamus, des Hirnstamms, der Basalkerne, des Kleinhirns und einiger Bereiche des assoziativen Kortex. Das implizite Gedächtnis reift sehr viel früher; die Amygdala ist bereits in den letzten Schwangerschaftswochen aktiv (Mancia, 2008). Hingegen ist der für das deklarative Gedächtnis so wichtige Hippocampus erst im 3. bis 4. Lebensjahr funktionsfähig, d. h., dass Neugeborene und Kleinkinder in den ersten drei Jahren nur über das implizite Gedächtnis verfügen. Dieses frühe Unbewusste ist nicht das Ergebnis von Verdrängung, denn ohne die Strukturen des expliziten Gedächtnisses, vor allem des Hippocampus, gibt es keinen Verdrängungsmechanismus. Erinnert wird in Verhalten, nicht in Gedanken (Kettner & Mertens, 2010). Die infantile Amnesie ist das bekannteste Phänomen, das auf diese neurobiologischen Prozesse rückführbar ist.

Ideengeschichte der Psychotherapieverfahren

Подняться наверх