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3.2.1 Die erste Welle: Klassische Konditionierung und Expositionsverfahren

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Die interventionsorientierte Verhaltenstherapie beginnt in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts mit Joseph Wolpe (1958). Zugrunde lag eine naturwissenschaftlich geprägte Lern-Psychologie, die bis in die Anfangsjahre des 20. Jahrhunderts zurückreicht. So warb John B. Watson (1913) für eine naturwissenschaftlich experimentell orientierte Psychologie mit Herausarbeitung übergreifender Prinzipien der Verhaltenssteuerung. Es wurde nicht nur auf Tierexperimente zurückgegriffen, wie beispielsweise die Konditionierungsexperimente von Pawlow (1907), sondern es wurden auch analoge Humanexperimente durchgeführt, wie die berühmte Beschreibung der Angstkonditionierung des »Kleinen Albert« von Watson und Rayner (1920), die damit die Übertragbarkeit vom Tiermodell auf den Menschen nahelegten.

Das Modell der klassischen Konditionierung geht davon aus, dass ein neutraler Stimulus, der mit einem unbedingt oder unkonditional angst- und verhaltensauslösenden Stimulus (UCS) parallelisiert wird, in der Folge selbst zum konditionierten angst- und verhaltensauslösenden Stimulus (CR) werden kann. Will man diese Assoziation lösen, dann kann dies nach dem ebenfalls experimentell belegten Prinzip der Habituierung erfolgen. Man konfrontiert den Probanden so lange mit dem konditionierten angstauslösenden Stimulus, bis eine Gewöhnung eintritt und der Stimulus keine emotionale Reaktion mehr auslöst und wieder zum neutralen Stimulus wird. Partiell kann dies sogar mit unbedingten Stimuli geschehen.

Dieses Modell wandte Wolpe (1958) auf Angstreaktionen an und entwickelte das technische Vorgehen der »systematischen Desensibilisierung«. Dabei wird der angstauslösende Stimulus in gestufter Intensität dargeboten (z. B. zunächst ein Bild einer Spinne, dann eine Spinne im Glas, dann die Spinne auf der Hand). Jede Stufe muss so lange geübt werden, bis eine entspannte Betrachtung möglich ist. Unterstützt werden kann dieses Verlernen einer Angstreaktion durch eine »reziproke Hemmung«, d. h. den gleichzeitigen Einsatz von Entspannungsverfahren, die mit einem Angstarousal inkompatibel sind.

Diese Art der Angstbewältigung durch Exposition ist außerhalb der Psychologie schon seit jeher bekannt gewesen, wie beispielsweise die Beschreibung von J. W. v. Goethe über die Bekämpfung seiner Höhenangst auf einem Kirchturm zeigt (von Goethe 1812–1814).

Zur Anwendung dieses Prinzips der Exposition und Habituierung zur Löschung von emotional aufwühlenden Erlebnisreaktionen wurden in den Folgejahren bis zum heutigen Tag vielfältige neue technische Varianten vorgeschlagen. Dies begann damit, dass auf die Entspannung verzichtet wurde und statt einer gestuften Exposition die massierte oder prolongierte Exposition (Rachman & Hodgson, 1980; Foa & Chambless, 1978) empfohlen wurde. Statt der stimulusorientierten Exposition wurde die Reaktionsexposition entwickelt (Hand, Marks & Lamontagne, 1974), bei der sich der Proband mehr mit der eigenen physiologischen Reaktion konfrontiert, als sich mit dem äußeren Stimulus zu befassen. Es wurde die sog. Augenbewegungs-Desensibilisierung mit Neulernen (EMDR, Eye Movement Desensitization and Reprocessing; Shapiro, 1989) oder die »narrative Therapie« (Schauer et al., 2011) entwickelt. Im Kern sind alle diese Verfahren als eine Behandlungsform zu verstehen, bei der es darum geht, mit unterschiedlichen technischen Spielarten, unangenehme emotionale Reaktionen, die zumeist mit einer vorangegangenen Erfahrung zusammenhängen, dadurch zu löschen, dass der Betroffene sich mit dem Auslösestimulus solange befasst, bis es zu einer Gewöhnung kommt, d. h. der Auslösestimulus »langweilig« wird. Das Paradigma der klassischen Konditionierung mit folgender therapeutisch induzierten Habituierung hat also bis heute in der Verhaltenstherapie eine zentrale Bedeutung in der Behandlung von Angstreaktionen jeder Art, aber auch sonstiger Emotions- und Verhaltensreaktionen. Es wurden schließlich auch Versuche unternommen, pathologisches Verhalten, z. B. Alkoholsucht, durch aversive Konditionierung mit zu reduzieren (Vogler e al., 1975), was sich aber nicht durchsetzen konnte.

Ideengeschichte der Psychotherapieverfahren

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