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2.2.6 Psychoanalyse und andere Psychotherapieansätze
ОглавлениеSchon aus historischen Gründen ist der Einfluss der Psychoanalyse nicht nur auf die Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und ihre Varianten, sondern auch auf andere bedeutsame psychotherapeutische Verfahren und Methoden unübersehbar (Kriz, 2001). Bei den weiter oben beschriebenen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte ist aber auch zu bedenken, dass Konzepte aus der Psychologie (oft ungenannt) in die psychodynamische Psychotherapie integriert wurden. Insbesondere Konzepte aus der interpersonalen Persönlichkeitstheorie wurden – beispielsweise von Strupp und Binder (1984) oder Luborsky (1988) – in Kurzzeittherapien (basierend auf zyklisch-maladaptiven Beziehungsmustern oder zentralen Beziehungskonflikten) integriert. Auch Parallelentwicklungen sind auffällig, wenn man z. B. Kernkonzepte der psychoanalytisch-interaktionellen Methode (Heigl-Evers & Ott, 2002), der erwähnten Mentalisierungsbasierten Psychotherapie und der von L.S. Benjamin außerhalb des psychodynamischen Feldes entwickelten »interpersonalen Wiederherstellungstherapie« betrachtet.
Einflüsse der Psychoanalyse auf andere Verfahren sind zunächst zu nennen bezüglich Viktor E. Frankl, dem Begründer der Logotherapie – einer eher philosophisch orientierten Therapierichtung – und Ludwig Binswanger als Begründer der Daseins- bzw. Existenzanalyse. Beide standen mit Freud in Kontakt, wovon ein reger Briefwechsel zeugt, auch wenn Frankl eher den Adler-Schülern zugerechnet wurde. Wilhelm Reich (1897–1957), zunächst ein Freud-Schüler, beeinflusste maßgeblich die nach dem 2. Weltkrieg einsetzenden Entwicklung der Körpertherapien als einer neuen, mit der klassischen Psychoanalyse kaum zu vereinbarenden Therapierichtung. Grundlegend in Reichs Lehre ist die Auffassung, dass die Libido den ganzen Körper bzw. Leib erfüllt und nicht nur an die erogenen Zonen gebunden ist. Von hier aus lässt sich eine direkte Verbindung zur Humanistischen Psychotherapie ( Kap. 4) ziehen, die den Menschen u. a. als »verkörpert« betrachtet. Die Arbeit mit dem Körper – mit dem Körpererleben und/oder mit dem Körperausdruck – stellt einen zentralen Aspekt der Humanistischen Psychotherapie dar.
Carl R. Rogers (1902–1987) grenzte sich allerdings deutlich von Freud ab, übernahm aber grundlegende Auffassungen des Freud-Schülers Otto Rank, der besonders die Bedeutung des Aspektes der Sicherheit und Geborgenheit in der therapeutischen Beziehung betonte. Die Annahme der grundlegenden Fähigkeit der Klienten zur eigenständigen Lösung ihrer Probleme steht im Mittelpunkt der Behandlungstheorie dieses Behandlungsverfahrens.
Fritz Perls, der als Begründer der Gestalttherapie – einer weiteren Behandlungsmethode aus dem Kreis der breit aufgefächerten humanistischen Verfahren – gilt, absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Psychoanalytiker mit Lehranalysen bei Wilhelm Reich und bei Karen Horney. Schon 1936 kam es zu einem ersten Bruch mit orthodoxen Analytikern. Ein Besuch Perls in Wien bei Freud geriet zu einer weiteren großen Enttäuschung. Er wandte sich von der Freudschen Psychoanalyse ab und entwickelte in Abgrenzung zur Psychoanalyse zusammen mit seiner Frau Lore Perls und Paul Goodman die Gestalttherapie. Bereits 1941 erschien das Buch Das Ich, der Hunger und die Aggression, das auf eine Revision der Theorie und Methode Freuds abzielte. 1951 tauchte dann der Begriff »Gestalttherapie« als Buchtitel erstmalig auf.
In den spezifischen Kapiteln zu einzelnen psychodynamischen Konzepten ( Kap. 7–16) wird dargestellt, dass auch in die Verhaltenstherapie, speziell in ihren Entwicklungen der letzten Zeit (z. B. Schematherapie, CBASP) explizit psychodynamische Grundannahmen (etwa aus der Objektbeziehungspsychologie) integriert wurden.