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Näfäsch – die Kehle
ОглавлениеIch will Gott loben und singen. Dass das hebräische Wort für Seele näfäsch auch die Kehle bezeichnet, hat mich schon immer berührt. Im Weinen, im Schreien, in der Sprache, im Schweigen, im Gesang, im Essen und Trinken, im Hunger und im Durst geschieht für mich vielfältig Gott.
Ich singe Gott, ihr allein zur Ehre, und finde mich dabei befreit von mir selbst, vom bedrückenden Staub der Schwermut, der sich manchmal auf die Sinne zu legen und alles zu verstopfen droht.
Von Gott kommt keine ohne Auftrag zurück. Ich empfinde dies als wahr. Als oft ängstlicher Mensch hilft mir Gott, mich nicht zu ducken, sondern für ihr Recht zu streiten. Wunderbar ausgedrückt von Hilde Domin: |59|
Ich will einen Streifen Papier
so gross wie ich
ein Meter sechzig
darauf ein Gedicht
das schreit
sowie einer vorübergeht
schreit in schwarzen Buchstaben
das etwas Unmögliches verlangt
Zivilcourage zum Beispiel
diesen Mut den kein Tier hat
Mit-Schmerz zum Beispiel
Solidarität statt Herde
Fremd-Worte
heimisch zu machen im Tun
Mensch
Tier das Zivilcourage hat
Mensch
Tier das den Mit-Schmerz kennt
Tier
das Gedichte schreibt
Gedicht
das Unmögliches verlangt
von jedem der vorbeigeht
dringend
unabweisbar
als rufe es
«Trink Coca-Cola»28
Hilde Domin
Kein Wort von Gott in diesem Gedicht, aber für mich ist es pure Gottesrede, Gott als das Fremd-Wort, das heimisch werden will in unserm Tun. Grossmütig, unserer Verführbarkeit eingedenk mit Schalk und hoffentlich Barmherzigkeit, aber unerbittlich, nichts Geringeres fordernd und hoffend als unsere Stern-Menschlichkeit.
Erschienen in FAMA 1/1998: «Gott oh Gott»