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DAS NEUZEITLICHE SCHLOSS

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Eine erste Veränderung ihres spätmittelalterlichen Erscheinungsbilds erfuhr die Martinsburg durch das Anfügen eines weitgehend freistehenden Schlossgebäudes an die Südwestkante der Burg. Dieses wurde ab 1628 vom Mainzer Erzbischof Georg Friedrich von Greiffenclau zu Vollrads (1626–1629) begonnen und bis 1631 unter dem Mainzer Erzbischof Anselm Casimir Wambolt von Umstadt (1629–1647) weitgehend fertiggestellt, jedoch nicht unter Dach gebracht. Den Baubeginn hält eine Inschrift mit der Jahreszahl 1628 am rheinseitigen Fundament im Bereich des ursprünglichen Grabens fest (Taf. 13). Das Datum der Vollendung dieser Arbeiten kennzeichnen Inschriften mit der Jahreszahl 1631 auf Brüstungsfeldern der Kantenerker an seinem südlichen Ende (Taf. 18).

Das neue Schlossgebäude war mit seinen drei Geschossen und acht Fensterachsen von Anfang an als Solitär geplant und sollte die vornehmen Repräsentationsräume für den Erzbischof aufnehmen (Abb. 4). Neben den beiden Erkern an seinen Südost- und Südwestkanten dürfte er aufgrund der Baubefunde einen entsprechenden Erker an seiner Nordwestkante aufgewiesen haben, während er mit seiner Nordostkante an die Martinsburg ansetzte.9

Abb. 3: Martinsburg, Ansicht von Westen, Zeichnung von Wenzel Hollar, 1627/1628

Abb. 4: Martinsburg mit neuem Schlossgebäude, Rekonstruktionsversuch der Grundrisse von Erd- und 1. Obergeschoss nach 1631

Für seine Errichtung wurde der Mauerzug der Vorburg, der sich südlich an den Hauptbau anschloss, niedergelegt. Der Hauptbau selbst wurde kaum verändert, vermutlich wurden lediglich Durchgänge zwischen beiden Bauteilen hergestellt (Abb. 5).10 Das neue Schlossgebäude ersetzte den Mauerzug der Vorburg, ragte jedoch leicht in den vorhandenen Burggraben hinein. Die südliche Mauer der Vorburg wurde bis an den Neubau herangeführt und damit die Ummauerung der Vorburg geschlossen. Der wasserführende Graben wurde nun auch auf der Rheinseite des neuen Schlossgebäudes verlängert (Abb. 6; vgl. Taf. 21)11.

Abb. 5: Schlossgebäude, Ansicht von Westen, Visualisierung des Zustands nach 1631

Abb. 6: Martinsburg mit neuem Schlossgebäude, Vogelschauansicht von Mainz von Matthäus Merian, 1637 (Ausschnitt)

Folglich blieb die Burganlage trotz der Errichtung des neuen Schlossgebäudes in ihrer Verteidigungsfähigkeit vollkommen unverändert. Die Vorburg behielt weiterhin ihre geschlossene Ummauerung samt dem wasserführenden Graben. Der durch seine Fassadengestaltung sicherlich schwieriger zu sichernde Neubau erhielt sowohl durch sein hohes Sockelgeschoss als auch durch die Erweiterung des Wassergrabens auf der Rheinseite eine Sicherung, sodass die Verteidigungsfähigkeit der Vorburg insgesamt erhalten blieb.12

Zeitgleich sollte durch einen geplanten, aber erst später ausgeführten Verbindungsgang zwischen dem neuen Schlossgebäude und dem Kanzleigebäude der funktionale Zusammenhang der einzelnen Residenzbauten verstärkt werden. Dieser Verbindungsgang hätte den Burggraben auf mehreren Pfeilern ruhend überbrückt. Vermutlich wurde er jedoch nicht fertiggestellt, da ein Kupferstich aus dem Jahr 1669 lediglich einige Pfeiler zeigt (Taf. 20).13 Der Mainzer Erzbischof Damian Hartard von der Leyen (1675–1678) ließ das Schlossgebäude in den Jahren 1675 bis 1678 vollenden und abweichend vom ursprünglichen Konzept um acht weitere Fensterachsen in derselben Flucht nach Norden erweitern, wobei hofseitig die ursprüngliche Fassadengliederung weitergeführt, die feldseitige Mauer aber zurückversetzt ausgeführt wurde (Abb. 7). Von diesem Erweiterungsbau haben sich die acht Fensterachsen auf der Hofseite des Rheinflügels erhalten. Auch die hofseitigen Marmorportale des so entstandenen Rheinflügels gehören zu dieser Bauphase (Taf. 15).

Abb. 7: Martinsburg mit erweitertem Schlossgebäude, Rekonstruktionsversuch der Grundrisse von Erd- und 1. Obergeschoss nach 1678

Abb. 8: Martinsburg mit erweitertem Schlossgebäude, Grundriss des Erdgeschosses, um 1680 (Ausschnitt)

Abb. 9: Martinsburg mit erweitertem Schlossgebäude, Grundriss des Obergeschosses, um 1680 (Ausschnitt)

Die Erweiterung verband nun das Schlossgebäude mit älteren Wirtschaftsbauten am nördlichen Rand der Vorburg, die bisher durch einen Torbau mit dem Hauptbau der Martinsburg verbunden waren (Abb. 3). Da hierdurch der Zugang zum eigentlichen Burghof versperrt wurde, musste eine Durchfahrt im Erdgeschoss des Erweiterungsbaus vorgesehen werden. Im Zusammenhang mit der Erweiterung des Schlossgebäudes wurde auch das turmbekrönte westliche Ende des Hauptgebäudes der Burg niedergelegt, um an dieser Stelle größere Räume und ein Treppenhaus anzulegen. Dies zeigt deutlich ein Kupferstich der Martinsburg mit dem erweiterten Schlossgebäude.14 Diesen Bauzustand geben ebenfalls zwei Grundrisspläne (Abb. 8, 9; vgl. Taf. 23, 24)15 wieder, die bisher in die Zeit um 1700 datiert wurden. Dass sie tatsächlich etwa 20 Jahre älter sein dürften, werden die folgenden Überlegungen zeigen.

Die beiden Grundrisspläne dürfen nicht als Bau- oder Bestandspläne missverstanden werden, vielmehr handelt es sich um eine Beschreibung der einzelnen Raumfunktionen, was auch für die restlichen Bereiche der Burg gilt. Dennoch ist deutlich erkennbar, dass durch die Erweiterung des neuen Schlossgebäudes weder der Bereich der Ummauerung des Burghofs noch die Mauerzüge und Türme der Vorburg beseitigt wurden. Dies lässt Rückschlüsse auf die Verteidigungsfähigkeit der Anlage zu. Trotz des Abbruchs des turmbekrönten westlichen Endes des Hauptbaus, der natürlich dessen Struktur schwächte, behielten die eigentliche Burg weitgehend und die Vorburg vollkommen ihre bisherige Verteidigungsfähigkeit. Mehr noch als die Errichtung des neuen Schlossgebäudes um 1630, betraf dessen Erweiterung nach 1675 nur den inneren Bereich der Burganlage. Lediglich die Vollendung des Verbindungsgangs zum Kanzleigebäude und zur Schlosskirche geht darüber hinaus.

Dass die Erweiterung des Schlossgebäudes über den tatsächlich ausgeführten Bereich im Innern der Burganlage hinausgehen sollte, zeigt der Baubestand an der Ansatzstelle des heutigen Nordflügels an den Rheinflügel im Bereich des Hofs. Hier endet der Erweiterungsbau an seinem nördlichen Ende mit einer zweifachen Stufung: Die Werksteine beider Stufen gehören eindeutig zu seinem Mauerwerk, wie an ihren Lagerfugen erkennbar ist. Folglich war an dieser Stelle bereits ein Nordflügel vorbereitet, jedoch nicht ausgeführt worden.

Unter Erzbischof Anselm Franz von Ingelheim (1679– 1695) wurde dann der Anbau eines zweiten Flügels rechtwinklig an das nördliche Ende des bereits errichteten Rheinflügels vorbereitet, aber nicht ausgeführt. Davon zeugen die erhaltenen Fundament- und Sockelreste unter dem heutigen Nordflügel des Schlosses, welche an der Nordwestkante die Jahreszahl 1687 tragen (Taf. 17). Das westliche Ende dieser Fundamente zeigt mit der Diagonalstellung des Sockels eine ähnliche Gestaltung wie das südliche Ende der Fundamente unter dem Renaissanceflügel. Sie dürften damit ähnliche Kantenerker wie die Südfassade vorbereiten haben. Interessanterweise sparen die angelegten Fundamente den Bereich der älteren Wirtschaftsbauten am nördlichen Ende des rheinseitigen Schlossflügels aus, sodass diese mit Sicherheit zum älteren Bestand der Martinsburg gehörten.

Zwei wichtige Beobachtungen ergeben sich aus einem Vergleich der Lage der 1687 angelegten Fundamente (Abb. 7) mit den älteren Lageplänen der Vorburg (Abb. 8; Taf. 23). Für den geplanten Nordflügel des Schlosses hätten nicht nur die älteren Wirtschaftsbauten und der Mauerzug am nördlichen Ende der Vorburg, sondern auch der nördliche Turm im stadtseitigen Bereich der Ummauerung der Vorburg abgebrochen werden müssen. Folglich dürften die gezeigten Pläne nicht um 1700 entstanden sein, da sie einen Zustand vor der Anlage der Fundamente des geplanten Nordflügels zeigen.16 Wichtiger noch ist die Beobachtung, dass mit der Anlage der Fundamente die Verteidigungsfähigkeit der Vorburg und damit der gesamten Anlage aufgegeben werden musste. Damit unterscheidet sich diese Maßnahme deutlich von der Erweiterung des Schlossgebäudes, welche die Sicherheit der Gesamtanlage nicht in Frage stellte. Mithin ist erst in den 80er Jahren des 17. Jahrhunderts die Verteidigungsfähigkeit der Burg für den geplanten repräsentativen Ausbau des Kurfürstlichen Schlosses aufgegeben worden.

Das Mainzer Schloss

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