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SCHLOSSARCHITEKTUR ALS „VISITENKARTE“ FRÜHNEUZEITLICHER TERRITORIALSTAATEN UND IHRER INSTITUTIONEN

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Bundeskanzler Helmut Kohl hat das neue, maßgeblich durch ihn selbst initiierte und von 1997 bis 2001 errichtete neue Bundeskanzleramt in Berlin (Abb. 1) als ein Haus charakterisiert, „mit dem die Bundesrepublik identifiziert wird“1 und die Aufgabe der für den Entwurf verantwortlichen Architekten, Axel Schultes und Charlotte Frank, dahingehend beschrieben, dass die von ihnen gestaltete Architektur allen Betrachtern einen anschaulichen Begriff vom wiedervereinigten, weltoffenen und zugleich selbstbewussten Deutschland vermitteln solle. Überdies hatte das neue Bundeskanzleramt die Aufgabe zu erfüllen, mit Hilfe der Architektur nicht nur der „angemessenen protokollarischen Bewältigung“ zu dienen, sondern auch die „hervorgehobene Stellung“ des deutschen Bundeskanzlers zu „dokumentieren“, wie es der damalige Kanzleramtsminister Friedrich Bohl in einer Pressekonferenz formulierte.2

Der von Helmut Kohl ins Spiel gebrachte Gedanke, dass Architektur gewissermaßen als „Visitenkarte“ eines Staates und seiner Institutionen dienen könne, greift letztlich auf eine sehr alte, seit der Antike bestehende Tradition zurück, die der Florentiner Humanist und Architekt Leon Battista Alberti in der Mitte des 15. Jahrhunderts in seinem Architekturtraktat De Architectura bzw. L’Architettura reflektierte. In diesem Traktat erinnerte er seine Zeitgenossen und herrschaftlichen Auftraggeber daran, dass kein Medium besser geeignet sei, den Rang eines Fürsten zu demonstrieren, als die Baukunst. Sie sei letztlich beeindruckender, glaubwürdiger und nachhaltiger als jede historiografische, schriftlich fixierte Überlieferung. Unter Rückgriff auf antike Topoi und die Schriften Vitruvs sowie unter Bezug auf den griechischen Historiografen Thukydides lobt Alberti die Klugheit der Alten, die ihre Stadt mit jeder Art von Gebäuden derart ausschmückten, dass sie weit mächtiger schienen, als sie waren.3 Direkt anschließend spricht Alberti das Motiv des Fürstenruhms an und stellt die rhetorische Frage: Und welchen gab es unter den mächtigsten und weisesten Fürsten, der nicht unter die vornehmsten Mittel, seinen Namen und Nachruhm zu verbreiten, die Baukunst gezählt hätte? 4


Abb. 1: Berlin, Bundeskanzleramt

Abb. 2: Wenzel Hollar, Martinsburg in Mainz im Jahr 1627 (kurz vor der ab 1628 erfolgten Errichtung des neuen Südflügels)

Diese Einschätzung, dass Baukunst Fürsten und ihren Staaten sprichwörtlich ein Gesicht geben und staatliche Autorität verbildlichen könne, zieht sich wie ein roter Faden durch die Frühe Neuzeit. Rund zweihundert Jahre nach Alberti, in der Mitte des 17. Jahrhunderts, weist Jean-Baptiste Colbert, der für Ludwig XIV. als Finanzminister und Surintendant des Bâtiments du Roi tätig war, anlässlich der Louvre-Erweiterung ausdrücklich darauf hin, dass die Gestalt des königlichen Palastes die Menschen von der Stärke königlicher Macht überzeugen und zu untertänigem Gehorsam anhalten müsse.5 Nochmals einhundert Jahre später bringt der hessische Jurist und Diplomat Friedrich Carl von Moser die Sinnbildlichkeit von Schlossarchitektur als Ausweis fürstlich-königlicher Autorität auf eine prägnante Formel. So schreibt er in seinem Teutschen Hof-Recht von 1754: In der Residenz erscheinet der Fürst als Haupt seines Volcks und in dem Glanz der angebohrnen oder erlangten Würde.6

Abb. 3: Ansicht von Mainz mit alter Martinsburg und neuem Südflügel, 1633 (Ausschnitt aus: Matthäus Merian: Topographia Archiepiscopatuum Moguntinensis, Trevirensis et Coloniensis, 1646)

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