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1. Das Projekt der Moderne

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Wenn Spätmoderne hier in der Spannung von Wandel und Kontinuität zur Moderne gesehen wird, ist zur Klärung eine kurze Bestimmung dessen sinnvoll, was mit dem Begriff „Moderne“ verbunden wird. Die Anfänge der Moderne werden sehr unterschiedlich angesetzt. Sie haben mit den Veränderungen von Weltbild und Denken durch die naturwissenschaftliche Revolution des 17. Jahrhunderts und der aus ihr folgenden „Entzauberung der Welt“ sowie mit der Aufklärung und den politischen Revolutionen des 18. Jahrhunderts zu tun. Der Beginn der Moderne kann aber auch erst mit der industriellen Revolution und dem spektakulären Wachstum des historischen Bewusstseins im 19. Jahrhundert angesetzt werden. Begriff und theoretisches Konzept der Moderne finden sich jedenfalls nicht vor dem 19. Jahrhundert.19 Exemplarisch kann man den Übergang zur Moderne an der Erfindung der Dampfmaschine festmachen, da mit ihr der Zusammenhang von analytisch und experimentell verfahrender Naturwissenschaft, von praktischer Verwertung der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse in der Technik und dem ökonomischen Gewinnstreben, das beide verknüpft, etabliert wird.20

Als grundlegende Dimensionen der Modernisierung lassen sich folgende Prozesse benennen, die zwar eng miteinander zusammenhängen, sich aber analytisch trennen lassen:21

(1) Domestizierung der Natur: Durch die Fortentwicklung des naturwissenschaftlichen Wissens und der modernen Techniken entwickelt sich eine immer perfektere Beherrschung der Natur. Eigenrechte der Natur werden zugunsten ihrer Ausbeutung, die Grundlage der Reichtumsproduktion wird, ausgeblendet.

(2) Gesellschaftliche Ausdifferenzierung: Die gesellschaftliche Struktur der Moderne ist durch zunehmende Arbeitsteilung und wachsende funktionale Differenzierung geprägt. In den verschiedenen Funktionssphären setzen sich grundlegende Freiheits- und Partizipationsrechte für immer mehr Mitglieder der Gesellschaft durch.

(3) Rationalisierung: Begünstigt durch diese Prozesse erscheint die Welt zunehmend durch Vernunft beherrschbar und berechenbar. Die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft werden unter Effizienzgesichtspunkten neu geordnet.

(4) Pluralisierung: In geschichtlicher und interkultureller Perspektive wird die Pluralität von Überzeugungen und Lebensweisen zunehmend bewusst. Die eigenen Traditionsbestände werden zum Gegenstand der kritischen Reflexion und verlieren an verbindender und verbindlicher Kraft.

(5) Individualisierung und Biographisierung: Das eigene Leben und die persönliche Identität verlieren zunehmend ihre relative Selbstverständlichkeit, Stabilität und soziale Einbindung. Sie werden als dynamische Wirklichkeiten und als individuell zu bewältigende Aufgaben entdeckt; es herrschen der Zwang und die Chance zur Selbstbestimmung.

(6) Säkularisierung: Der Einfluss religiöser Institutionen, Glaubensvorstellungen und Praktiken auf die verschiedenen Bereiche des Lebens nimmt in der modernen Welt kontinuierlich ab. Der Wille zur rationalen Welterklärung und zur autonomen Daseinssicherung setzt sich durch. Dadurch erscheinen Welt und Dasein als vom Menschen geprägte und gemachte Größen.

Der all diesen angedeuteten Prozessen zugrunde liegende Gedanke der Moderne ist der des Fortschritts. Der überschäumende und selbstbewusste Geist der Moderne fordert die „Entmachtung der Vergangenheit“ und „das Einschmelzen bestehender Verhältnisse“.22 Er macht die Veränderung des Gegebenen zur Norm. Fortschritt, Wachstum und Neuheit werden in Wissenschaft und Technik, Wirtschaft und Politik, Kunst und Mode zu den maßgebenden Orientierungen. Moderne stellt sich als Befreiung aus überkommenen Strukturen dar, als „die Apotheose des unentwegt Neuen“, verbunden mit der Hoffnung, dass die Verhältnisse „einer fortschreitenden Veränderung und Verbesserung bis hin zur Vollendung unterzogen werden können“.23 So lässt sich das Fortschrittsprojekt der Moderne als Verweltlichung der christlichen Heilserwartung, als ein „Absenken der Himmelsleiter“24 interpretieren: Die christliche Hoffnung scheint in die Verheißung des Fortschritts unter den Leitkategorien von Vernunft und Freiheit umgewandelt.25

Praktische Theologie in der Spätmoderne

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