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Die 25. Stunde
ОглавлениеIch zog daraus eine Schlussfolgerung, die eine gefährliche Eigendynamik entwickelte. Nachdem ich mit 18 Jahren mein Abitur und anschließend – auf Anraten meiner Mutter – ein freiwilliges soziales Jahr in einem Altenpflegeheim absolviert hatte, nahm ich ein Studium mit zeitweilig fünf Fächern auf, das ich trotzdem in der Mindest-Studienzeit beendete. Auch in den Semester„ferien“ war ich natürlich nicht untätig: Ich erinnere mich beispielsweise an jenen Sommer, in dem ich morgens um 4 Uhr zum Münsteraner Postamt radelte, dort bis 8 Uhr 30 Uhr Briefe sortierte, von 9 bis 16 Uhr ein Praktikum im städtischen Kulturamt machte und anschließend in die Redaktion der Lokalzeitung ging, wo ich als freie Mitarbeiterin überwiegend Abendtermine hatte, von denen ich anderntags berichten musste.
Damals hätte ich (noch) nicht sagen können, was mich eigentlich drängte und antrieb. Im Gegenteil: Ich definierte mich über diesen „Eu-Stress“ und meine Leistungsfähigkeit. Dass ich dennoch während des Studiums in der Lage war, nicht nur eine freilich kurzfristige Paarbeziehung, sondern auch zahlreiche private Kontakte zu pflegen, ist nicht zuletzt der Duldsamkeit meiner Freundinnen und Freunde anzurechnen. Sie merkten höchstens mal an, dass sie sich – O-Ton – zuweilen fühlten „wie eine Salami-Scheibe, die gerade noch zwischen zwei terminliche Brötchenhälften gepresst wird“. Eine Freundin witzelte, der liebe Gott habe mir offenbar als Zeichen seiner besonderen Wertschätzung eine 25. Stunde am Tag geschenkt, die nur ich nutzen dürfe. Und eine WG-Mitbewohnerin schrieb mir zum Abschied in mein Gästebuch: „Fast vier Jahre teilten wir Küche, Bad und Telefon und sahen uns dennoch oft nur im Vorbeihuschen, hetzend von Termin zu Termin. Ich sah Dir oft verwundert nach, wie Du so von einem zum anderen Ereignis (Kino, Chor-Proben, Dates, Uni, Redaktion, Konzerte, Kirche, Freunde …) rauschtest. Echt eine Power-Frau, die, so hoffe ich, weiter viel wirbelt und frischen Wind in ihre Umwelt bringt!“