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Ein neues Lebensmuster
ОглавлениеTrotz aller wertvollen „Inputs“, hilfreichen Strategien, psychologischen und seelsorglichen Ratschlägen: Leicht war und ist es keineswegs, das über Jahre zementierte Profil des Leistungsethikers zu demontieren. Zu verwoben sind die „roten Fäden“ meines Lebens – die Selbst-Definition über meine Leistung, um wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden, das Funktionieren-Müssen, Sich-keine-Schwäche(n)-leisten-Dürfen, die irrige Annahme, keiner außer mir könne die Dinge „richtig“ machen, und daraus resultierend ein mich und meine Mitmenschen belastender Kontrollwahn, um nur einige „Fäden“ zu nennen.
In der Klinik wurde mir geholfen, dieses Knäuel in die Hand zu nehmen, zu entwirren und zu einem neuen Lebens-Muster zu verknüpfen. In der Musik-, Tanz- oder Maltherapie begann ich, meine Gefühle wieder wahrzunehmen und vor allem zuzulassen. Dabei lernte ich auch mein Temperament neu anzunehmen und differenzierter zu betrachten. Wie der Cello-Bogen, der mal sanft und meditativ über die Saiten streicht, um dann wieder hektisch und schrill hin und her zu treiben, können in meinen Wesenszügen unterschiedliche „Saiten“ zum Schwingen gebracht werden, die alle ihre Berechtigung haben.
Auch von und in den Gesprächen mit Mit-Patienten habe ich viel gelernt – zuweilen mehr als von manchem Arzt oder Therapeuten. Nachhaltig in Erinnerung geblieben ist mir der Satz eines Gesprächspartners: „Wenn sich die Umstände nicht ändern, dann musst du selbst dich verändern.“
Diese An- und Herausforderung wurde ganz konkret, als es am Ende meines sechswöchigen Aufenthalts um meine berufliche Perspektive ging. Immer noch sah ich mich als Herzblut-Journalistin, für die es keinen anderen Job geben konnte. Doch der Auftakt meiner beruflichen Wiedereingliederung entpuppte sich als Farce: Bereits in meiner zweiten Arbeitswoche saß ich an einem Tag schon wieder zwölf Stunden in der Redaktion. Spätestens da merkte ich, dass ich von den meisten Kollegen keine Rücksichtnahme und von meinem Arbeitgeber keine wesentlichen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen erwarten durfte: Einige hielten mich einfach für schlecht organisiert, andere boten mir halbherzig Hilfe an, die ich natürlich ablehnte, um sie nicht ihrerseits noch mehr zu belasten.