Читать книгу PHANTASTISCH! PHANTASTISCH! - Группа авторов - Страница 10

Paul Felber:
Späte Rache

Оглавление

Nachdem Robert Wirz aus Zürich, der sich an diesem schicksalhaften Tag im Spätherbst auf einer Urlaubsreise durch die Südstaaten von Nordamerika befand, die Gedenkstätte von Andersonville verlassen hatte, stieg er wieder in seinen Mietwagen und machte sich auf die Suche nach einer Unterkunft in der näheren Umgebung.

An diesem geschichtsträchtigen Ort im Bundesstaat Georgia befand sich zur Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges von 1861 bis 1865 das größte Gefangenenlager der Konföderierten. Tausende durch schwere Krankheiten gezeichnete Soldaten der Nordstaaten wurden wegen der katastrophalen Bedingungen dahingerafft wie die Fliegen! Der Lagerkommandant war ein gewisser Captain Henry Wirz aus Zürich gewesen, der nach dem Krieg als Südstaatler und Kriegsverbrecher in Washington gehängt wurde.

Während der Fahrt beschäftigte ihn ein böser Verdacht. War dieser Henry Wirz vielleicht ein entfernter Verwandter von ihm gewesen? Er kannte jedoch seinen Familienstammbaum zu wenig gut, um in dieser Hinsicht Gewissheit zu haben. Es dunkelte bereits, als er kurz darauf auf die etwas heruntergekommene, herrschaftlich aussehende Villa mit den drei Giebeln stieß. Sie stand in einer parkähnlichen Grünanlage, etwas abseits der Durchgangsstraße. Über der imposanten Veranda leuchtete ein grüner Schriftzug: GUESTHOUSE.

Er stieg die Holzstufen hinauf und trat durch die halb offene Tür, was ihn kurz verwunderte, in das Gebäude. Der Vorraum und die im Halbdunkel befindliche Rezeption waren verlassen. »Hallo, ist hier jemand?« Keine Antwort. Er wollte seine Frage gerade wiederholen, als ein älterer Mann mit Vollbart, der eine Uniformjacke der Konföderierten trug, aus einem Nebenraum trat und ihn freundlich begrüßte. Mit dem breitkrempigen Hut auf dem Charakterkopf glich er auffallend dem berühmten General Robert E. Lee. Vermutlich ein Patriot. Wirz erkundigte sich nach dem Preis für eine Nacht. Obwohl ihm der Betrag zu hoch schien, war er damit einverstanden. Während er auf dem Registrierschein seine Personalien eintrug, fragte er den Uniformierten nach weiteren Logiergästen.

»Nein, Sir, Sie sind heute mein einziger Gast. Normalerweise ist das Haus zu dieser Jahreszeit ausgebucht. Weshalb es in diesem Herbst anders ist, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich gebe Ihnen die Suite im Obergeschoss, die zum Park hinausgeht. Sehr ruhig. Sie wird Ihnen gefallen«, dann nahm er das ausgefüllte Formular von Robert Wirz entgegen, warf einen kurzen Blick darauf und stutzte, als er den Namen las.

»Mister Wirz, sind Sie etwa ein entfernter Verwandter von Captain Henry Wirz? Der Mann wurde meiner Meinung nach zu Unrecht hingerichtet. Die wahren Schuldigen saßen damals in der Regierung von Präsident Jefferson Davis. Der Captain hat nur seine Pflicht getan. Wenn Sie mehr darüber wissen möchten, erzähle ich Ihnen die Geschichte morgen beim Frühstück.« Er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: »Glauben Sie an Geister?«

Wirz erstaunt über die seltsame Frage, verneinte vehement. Der Patriot nickte kurz und sagte dann: »Unzufriedene Gäste, die meisten davon aus dem Norden, Yankees, behaupten immer wieder, dass es in meinem Haus spuke, dass ihre Nachtruhe gestört würde durch seltsames Geflüster und laute Schritte auf dem Korridor. Vor allem Gäste in der einzigen Suite in der oberen Etage beschwerten sich öfters bei mir. Das ist Unsinn, purer Aberglaube! Sie werden bestimmt gut schlafen.«

Der Bärtige übergab seinem Gegenüber den Schlüssel zu seinem Zimmer, wünschte ihm eine gute Nacht und zog sich wieder in den Nebenraum zurück. Robert Wirz nahm sein Gepäck und stieg die knarrende Treppe zum Obergeschoss hinauf. Plötzlich glaubte er, hinter sich Schritte zu vernehmen. Überrascht blickte er zurück. Aber da war niemand. Er schüttelte den Kopf und ging den kurzen Korridor entlang zu seinem Zimmer. Verwundert sah er, dass die Tür halb offen stand. Er betrat den Raum, der nach abgestandener Luft und nasser Erde roch. Als er sie gerade schließen wollte, spürte er eine kalte Berührung! Erschrocken fuhr er zusammen. Was war das? Sein Herz klopfte heftig. Hatte er sich das nur eingebildet? Bevor er die Tür ganz zumachte und abschloss, warf er nochmals einen prüfenden Blick auf den verlassenen Korridor, der nur schwach beleuchtet war.

Er ging zum Fenster und öffnete es. Die hereinströmende Nachtluft erfrischte und beruhigte ihn. Müde von den Ereignissen des Tages, zog er sich um und ging zu Bett. Wenig später fiel er in einen unruhigen, traumgequälten Schlaf. Überall sah er abgemagerte Soldaten in zerfetzten blauen Uniformen keuchend und stöhnend herumliegen. Aber das Schlimmste war der anklagende Blick in ihren tief liegenden Augen, der Schmerz in ihren ausgezehrten Gesichtern.

Plötzlich erwachte er schweißgebadet und knipste die Nachttischlampe an. Er spürte, dass er nicht mehr allein war im Zimmer. Ein widerlicher Geruch von Fäulnis und Moder breitete sich im Raum aus. Von allen Seiten vernahm er Geflüster, krankhaftes Husten, und ganz deutlich vernahm er jetzt schwere Schritte vom Korridor her, und was ihn besonders entsetzte, war eine Stimme, die den Namen von Henry Wirz erwähnte! Auf einmal fühlte er, wie etwas Eiskaltes seine Beine anfasste. Und als er zur Seite schaute, sah er eine bis zum Skelett abgemagerte, menschliche Gestalt unter dem Bettlaken hervorkriechen. Mit offenem Mund, als wollte sie ihm etwas sagen, starrte sie ihn an!

Und in diesem Moment fing Robert Wirz zu schreien an. »Nein, nein, ich bin unschuldig, bitte nicht!« Immer wieder gellte seine angstvolle Stimme durch das Haus. Er bemerkte den Mann von der Rezeption nicht, der ins Zimmer stürmte und den wild um sich Schlagenden zu beruhigen versuchte. Verwundert nahm der Patriot einen unangenehmen Geruch wahr und sah verblüfft einen Uniformknopf an einem blauen Stofffetzen, der neben dem Bett lag. Robert Wirz aber war wahnsinnig geworden!

PHANTASTISCH! PHANTASTISCH!

Подняться наверх