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Maike Braun:
Systemrelevant

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»Wir wissen nicht genau, worin die Bedrohung besteht«, sagte El Jefe, vulgo: Polizeikommandant des Úmbigo-Systems. »Es kann sich um einen Cyberangriff auf Global City handeln, um eine schmutzige Bombe, selbst das Platzieren von Mini-Schwarzen-Löchern, mit deren Hilfe unser gesamtes Torsystem lahmgelegt werden kann, ist nicht ausgeschlossen.«

»Wissen wir, wer dahinter steckt?«, fragte jemand.

El Jefe verzog das Gesicht. »Leider nein.«

Der Verbindungsoffizier der Dusaner, ein Zweimeter-Waran, schlug mit seinem Schwanz gegen die Wand. Mit einem Klirren fiel die Ernennungsurkunde des Kommandanten zu Boden.

»Zum Glück bekommen wir Verstärkung von Terra«, sagte der Chef schnell. Der Dusaner brummte etwas. Die Monkis, die sich bei der ersten Regung des Dusaners hinter ihrem Schreibtischen verschanzt hatten, setzten sich wieder auf den Schreibtisch und selbst die Lubas in ihren Wassertanks pressten jetzt interessiert die Saugnäpfe gegen die Glasscheiben. Die Terraner waren ein abergläubisches Völkchen, in Ermittlungen aber erstaunlich effizient.

In dem Moment betrat eine kleine Frau in Blümchenkleid und mit blondem Haarmopp den Raum.

Unwillkürlich strich ich mir über meinen Bürstenschnitt.

»Darf ich vorstellen: Heidi Baumann«, sagte der Chef und wollte der Kollegin gerade die Lage schildern, als die abwinkte. Sie tippte sich gegen die Schläfe und sagte: »Ich habe mich auf dem Hinflug informiert.«

Auf seinen fragenden Blick hin ergänzte sie: »Schläfenlink.« Dann deutete sie auf ihre Augen. »Retinakameras. Sobald wir eine Verbindung mit Ihrem System hergestellt haben, können Sie alles verfolgen, was ich sehe und höre.«

El Jefe winkte mich herbei. »Das ist Joara«, sagte er. »Unsere IT-Expertin.«

Sobald die Verbindung stand, wandte sich die Baumann zum Gehen. »Wohin wollen Sie?«, fragte ich.

»Zum Friseur«, sagte sie.

Als Blümchenkleid kurz darauf an den Empfangstresen des Salons trat, warf ihr die Fari einen mitleidsvollen Blick zu und führte sie umgehend zu einem Waschbecken. Linkerhand färbte eine Monki gerade einem Dusaner die Stirnplatten in Metallfarben.

Kurz darauf rollte eine Monkifrau auf ihrem motorisierten Friseurwagen herbei und begann, der Baumann mit allen vier Armen gleichzeitig das Haar zu schamponieren.

Mit den Worten »Schon was Neues?« holte mich der Chef in das Hier der Polizeistation zurück.

»Die Haare werden gerade gewaschen«, antwortete ich.

Auf dem Frisierstuhl nutzte die Kollegin den Spiegel, um sich unbemerkt umzusehen. Mir fiel eine Gestalt im Wartebereich auf.

Weiter nach links, bitte, sagte ich daher per Schläfenlink, sorry, nach rechts.

Die Baumann musterte den Mann, graues Hemd, dunkelgraue Hosenträger, der in irgendwelchen bunten Heftchen blätterte.

»Wer ist das?«, fragte sie die Monki, die mit dem Schneiden begonnen hatte.

»Unser Hausgeist.«

»Hausgeist?«, fragte die Baumann.

Manchmal fragte ich mich, ob die Terraner hinter dem Mond lebten. Jedes Kind wusste, dass ohne Hausgeister kein Geschäft lange gut lief.

»Erst vor einer Woche hat ein Dusaner eine Fari angebrüllt, weil diese zuerst bedient wurde«, erzählte die Monki. »So eine Zweimeter-Echse braucht eine Fari nur anzuschnauben und sie fliegt gegen die Wand, so leicht, wie die sind.«

Die Baumann nickte.

»Sofort hat unser Hausgeist dem Dusaner eine Geschichte vorgelesen«, fuhr die Monki fort, »das hat ihn beruhigt.«

»Um was ging es denn in der Geschichte?«

Wenn die Baumann so weiter machte, waren wir morgen noch hier.

Nur Geduld, funkte da die Baumann zurück. Hatte ich etwa zu laut gedacht?

»Es ging um einen Kartoffelfehler«, sagte die Monki. »Ein ernst zu nehmendes Problem für einen Dusaner.«

Was ist ein Kartoffelfehler?, fragte ich.

Keine Ahnung. Sie können es später nachlesen. Im Moment haben wir Wichtigeres zu tun.

»Ihr Hausgeist sieht ein bisschen blass aus«, meinte die Baumann.

Die Monki ließ die Scheren sinken und nickte traurig. »Wenn wir nicht bald Nachschub an neuen phantastischen Geschichten bekommen, wird er sich ein anderes Etablissement suchen.«

Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass schon seit Monaten keine neuen Hefte mehr geliefert wurden. Checken Sie mal, wo die herkommen, funkte die Baumann mir zu.

Schon in Arbeit.

Die Storys stammten von einer eingeschworenen Gemeinschaft von Phantasten auf Terra. Allerdings hatte sich eine Gegenbewegung formiert, die sogenannten Neorealisten. Die bekämpften alles, was nicht q.e.d.-bar war. Der Brandanschlag auf eine Lagerhalle in Lunex vor einer Woche ging auf das Konto der Gruppe.

Ich schickte die Info an die Baumann, der die Monki gerade Strähne für Strähne auf Lockenwickler rollte.

Müssen Frachter von Terra nicht auf Lunex einen Zwischenstopp zum Auftanken einlegen, bevor sie hier im Úmbigo-System landen?

Ich veranlasse sofort die Überprüfung sämtlicher Frachter aus Lunex, funkte ich zurück.

Die Dauerwelle der Baumann war gerade trocken, als das Einsatzkommando aus Menschen und Dusanern den Containerhafen stürmte. Bereits beim zweiten Container wurden die Kollegen fündig. Er enthielt unmarkierte Ampullen. Der Kommandant ließ die Biogefahrentruppe anrücken.

»Und?«, fragte die Baumann, als sie frisch eingefärbt und dauergewellt ins Präsidium zurück kehrte.

»Das Labor sitzt noch dran. Aber wir haben auf Lunex nachgefragt. Dort befindet sich ebenfalls eine kleine Truppe von Phantasten, die sich ein Virus eingefangen haben. Seit Tagen bringen die nur noch drögen Realismus hervor.«

Es stellte sich heraus, dass sich in den Ampullen just dieses Virus befand. Es griff gezielt den rechten Gyrus angularis an und beschädigte das dort angesiedelte Sprachverständnis sowie die Vorstellungskraft.

Ein Gegenmittel war schnell gefunden, der Nachschub an phantastischen Geschichten lief wieder.

Ich ließ es mir nicht nehmen, dem Hausgeist die neuen Hefte persönlich vorbeizubringen – und mit metallisch schimmernden Haarstacheln wiederzukehren.

El Jefe schaute ziemlich schockiert und fragte mich, ob ich mir aus Versehen eine Überdosis Phantasmus eingefangen hatte.

»Heidi hat’s gefallen«, sagte ich. Außerdem habe der Fall ja wohl gezeigt, dass Phantastik systemrelevant sei.

PHANTASTISCH! PHANTASTISCH!

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