Читать книгу Entwicklungslinien des Dolmetschens im soziokulturellen Kontext - Группа авторов - Страница 23
3 Kommunikationsbedarf in diversen Gesellschaften – Beispiele aus der Praxis
ОглавлениеForschung zu mehrsprachigen Sprecher:innen geht davon aus, dass die meisten Menschen im Alltag in verschiedenen Sprachen (oder auch Sprachformen einer Sprache) interagieren, sich in mehreren sozialen Räumen bewegen und sich dabei in vielen Bereichen entspannt und gut ausgestattet fühlen. In anderen Bereichen bedarf es jedoch sprachlicher oder kommunikativer Unterstützung, und bisweilen sind diese Interaktionen sogar schambehaftet, etwa wegen als defizitär wahrgenommener sprachlicher Voraussetzungen. Die folgende Auswahl von Kommunikationskontexten gibt demgemäß ein Kontinuum wieder: Es reicht von lebensweltlicher Mehrsprachigkeit in Familien zu Sprachentscheidungen von Gemeinschaften, in denen Minderheiten oder Mehrheitssprachen vertreten sind. In anderen Fällen muss der Zugang zu sprachlichen Ressourcen wieder erworben werden, wie bei ‚verlorenen/verdrängten‘ Kindheitssprachen in Fällen von Traumatisierung. Wiederum anders stellt sich die Situation für Menschen dar, die geflüchtet oder migriert sind, und sich nun in noch neuen sprachlichen Zusammenhängen wiederfinden. Dazwischen bzw. darum gibt es natürlich noch viele andere Kontexte, in denen sprachliches Handeln stattfindet und in denen Anforderungen unterschiedlicher Art an Sprecher:innen gestellt werden.
Manche Kontexte, etwa in der Familie aber auch im Bereich traditioneller Minderheitensprachen, sind wenig prädestiniert für den Einsatz von Dolmetschung. Auch der Einsatz von Sprachen, die als lingua franca verwendet werden können (in Österreich etwa oft Englisch), minimiert etwa im Feld von Journalist:innen und Medien den sichtbaren Bedarf. In anderen hingegen ist der Bedarf von Dolmetschung mit großer Dringlichkeit gegeben: In jedem Fall können wir jedoch davon ausgehen, dass Dolmetschen in komplexen mehrsprachigen Kontexten stattfindet, in denen sich alle Beteiligten ihrer linguistischen Repertoires bedienen, um gemeinsame kommunikative Ziele zu erreichen.