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4 Vier Kontexte, viel Kommunikationsbedarf 4.1 Mehrsprachige Familien und lebensweltliche Mehrsprachigkeit

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Statistiken in europäischen Ländern, ebenso wie im DACH-Raum, bestätigen, dass nicht nur die Anzahl der verwendeten Sprachen pro Person steigt, sondern auch eine DiversifizierungDiversifizierung der sprachlichen Ressourcen stattfindet. Exemplarisch führen die Zahlen der österreichischen Schulstatistik zu dem Schluss, dass ein Viertel aller Kinder in den Pflichtschulen im Alltag zusätzlich zu Deutsch noch mindestens eine weitere Sprache verwendet (BMB 2017), und ähnliches ist für Deutschland und die Schweiz anzunehmen. Das bedeutet also, dass in Familien mehrsprachige Praktiken an der Tagesordnung sind: in der alltäglichen Kommunikation in der Wohnumgebung, aber auch durch die größere Verfügbarkeit medialer Formate des unmittelbaren Austauschs mit Verwandten und Freund:innen über größere Distanzen. Untersuchungen zu Familiensprachpolitiken zeigen, wie alltäglich sprachliches Handeln in mehr als einer Sprache in Familien verhandelt wird (siehe Special Issues von King & Lanza 2019 oder Lanza & Curdt-Christiansen 2018). Dolmetschung zwischen Familienmitgliedern und externen Personen findet meist durch Familienmitglieder statt und umfasst sowohl Laut- als auch Gebärdensprachen (Johnson 2020).

In den letzten Jahren konnten vor allem auch Studien zur Nutzung von Online-Plattformen oder Kommunikationsapps zeigen, wie die sprachliche Gestaltung von familiären Netzwerken sich in der Diaspora entwickelt (Lexander & Androutsoupoulos 2019). Am Beispiel polnischsprachiger Jugendlicher, die mit ihren Familien nach Norwegen migriert sind, zeigt Obojska (2017), wie die Teenager Englisch, Norwegisch und Polnisch nutzen, um sich in der Familie, aber vor allem auch als Produzent:innen von Videoblogs zu positionieren. Während das Norwegische vor allem durch die Schule sehr schnell die im Alltag relevanteste Sprache wird und das Englische wie in vielen Bereichen als zukunftsweisendes Kommunikationsmittel wahrgenommen wird, erfüllt das Polnische online eine wichtige Rolle (u.a. durch das im Vergleich zum Norwegischen potentiell viel größere polnischsprachige Publikum). Eine der befragten Jugendlichen erlebt sich in diesem Sinn auch als Botschafterin, die für Jugendliche aus Polen aus einem neuen Land berichtet und sich zwar nicht als Dolmetscherin, aber doch als kommunikative Mittlerin erlebt. Kontext und Wissen um das erreichte Publikum spielen dabei auch in virtuellen Räumen wie Foren und Kommentarbereichen noch eine wichtige Rolle (Szabla & Blommaert 2018). Relevant werden die von Deumert (2014) als mobile practices bezeichneten Kommunikationsformen, wenn sie aufgreifen, was Jacquemet (2005) als transidiomatische Praktiken beschrieben und Pennycook mit Sprache als lokal verortete Praxis theoretisiert hat (2010 sowie 2016). Sprecher:innen nutzen ihre mehrsprachigen Ressourcen parallel bzw. wechseln je nach Bedarf zwischen verschiedenen Sprachen, Registern oder Sprachformen. Wunsch und Wirklichkeit sind dabei natürlich nicht immer deckungsgleich, d.h. es ist durchaus wahrscheinlich, dass Sprecher:innen manche ihrer Ressourcen gern öfter nutzen würden, und sich andererseits zur Verwendung anderer eher gezwungen fühlen. Die Möglichkeit, in der eigenen Sprachwahl handlungsfähig zu bleiben (als agency in der Forschung untersucht), ist nicht nur individuell verhandelt, sondern stets auch an soziale Zusammenhänge gebunden. Dieser Bereich soll im nächsten Beispiel beleuchtet werden.

Entwicklungslinien des Dolmetschens im soziokulturellen Kontext

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