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1.1 Warum dieses Buch?

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass sich Deutschland auf seine Krankenhäuser verlassen kann. Gut ausgebildete, leistungsbereite Mitarbeiter:innen haben alles gegeben und durch „kreative Improvisation“ Schlimmeres verhindert. Klar wurde auch, dass Engagement und Kreativität nicht immer ausreichen. Das gilt z.B. für das Finden freier Intensivkapazitäten. Eine digitale Lösung kam zum Einsatz: das Register der Intensivbettenkapazitäten (kurz „DIVI-Register“) wurde von der Wunschliste vieler Intensivmediziner mit staatlicher Hilfe und gesetzgeberischer Verbindlichkeit in eine täglich erlebbare Realität katapultiert. Leider aber beruht diese wichtige Übersicht auch heute noch vielerorts auf händischen Meldeprozessen, deren Effizienz ebenso zu wünschen lässt wie ihre Genauigkeit und Aktualität.

Die Digitalisierung deutscher Krankenhäuser lässt in jeder Hinsicht zu wünschen übrig. Das gilt für die internen Prozesse ebenso wie für die Vernetzung mit anderen Krankenhäusern oder den Leistungserbringern im ambulanten oder rehabilitativen Sektor. Trotz gut dokumentierter Leuchttürme, wie z.B. dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) oder dem Unfallkrankenhaus Berlin (UKB), die bereits vor Jahren umfassende Klinikinformationssysteme (KIS) einführten, erfolgt die medizinische Dokumentation in den meisten Krankenhäusern Deutschlands immer noch mit Papier und Stift. Leidtragende dieser Fehlentwicklung sind Patient:innen ebenso wie das Klinikpersonal. Wichtige Informationen stehen relevanten Entscheidungsträgern nicht zur Verfügung, weil sie fehlgeleitet oder gar verloren gegangen sind. Pflegende und Ärzt:innen verbringen zunächst viel Zeit mit händischer Dokumentation und anschließend mit dem Suchen nach den erstellten Dokumenten. Patient:innen bleibt häufig nicht übrig als sich in Geduld zu üben, um sich dann mit einer nicht optimalen Diagnostik und Therapie abzufinden.

Warum also dieses Buch? Sicherlich nicht um die Regale um eine weitere deprimierende Zustandsbeschreibung des Digitalisierungsnotstands in deutschen Krankenhäusern zu bereichern. Nein, den Herausgebern und Autor:innen geht es um eine Handreichung für diejenigen, die bereit sind, das Tal des Jammerns hinter sich zu lassen, um die in ihrer Verantwortung befindlichen Krankenhäuser in eine digitale Zukunft zu führen. So verbindet dieses Buch einen Überblick über vorhandene und in Entwicklung befindliche digitale Instrumente mit klaren Anleitungen zur Entwicklung und Umsetzung einer digitalen Strategie für Krankenhäuser. Ein besonders hilfreicher Baustein sind dabei die detaillierten Beschreibungen im Markt vorhandener KIS-Produkte. Natürlich liegt ein besonderer Schwerpunkt auf den 10 digitalen Handlungsfeldern des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) – das Buch geht aber bewusst darüber hinaus und skizziert die bereits heute absehbaren digitalen Langzeittrends. Dabei sind sämtliche Beiträge von der tiefen Überzeugung getragen, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist, sondern immer nur Mittel zum Zweck einer besseren Versorgung der Patienten.

1.2 Was hat sich verändert?

Die deutsche Gesundheitsversorgung befindet sich als System an einem wahrhaften „Tipping Point“. Es geht um die Transformation von analog zu digital, oder präziser ausgedrückt, von einer Parallelwelt bestehend aus digitalen Inseln und Analogbereichen hin zu einer digital vernetzten medizinischen Versorgung. Einige Bereiche in der Medizin, wie z.B. die diagnostische Bildgebung oder die Labormedizin, haben diese Transformation bereits vor Jahren vollzogen. Auch gehören Verwaltungssysteme bereits seit geraumer Zeit zum Alltag in Arztpraxen und Apotheken. Ohne sie wären Abrechnung und Materialverwaltung gar nicht mehr vorstellbar. Und selbstverständlich nutzen auch Krankenhäuser digitale Instrumente für Leistungsdokumentation und deren Abrechnung.

Und warum jetzt ein „Tipping Point“? Der entscheidende Unterschied liegt in der Einbeziehung der eigentlichen medizinischen Versorgung in den Fokus der Digitalisierung. Nicht mehr Abrechnungsfragen, sondern Diagnostik und Therapie bestimmen die Ausrichtung digitaler Strategien. Dies erfordert eine zunächst ungewohnte Orientierung am Patienten und seiner Reise durch das Gesundheitssystem, also der sog. Patienten-Journey. Diese erstreckt sich über alle Versorgungssektoren von der Prävention über Diagnostik und Therapie bis zur Rehabilitation.

1.3 Warum jetzt?

Gefühlt ist „digital“ geradezu über Nacht zum Synonym von „systemrelevant“ und „innovativ“ geworden. In Wahrheit aber hat eine ganze Reihe von eher langfristigen Entwicklungen dazu beigetragen, diesen Tipping-Point ausgerechnet jetzt entstehen zu lassen.

Angetrieben wird die vermehrte Nutzung digitaler Technologien durch drei zentrale Trends, die ihren Ursprung in den Bedürfnissen bzw. dem Empfinden der Menschen selbst haben:

Gestiegene Souveränität der Patient:innen mit dem Bedürfnis nach Transparenz und digitaler Kommunikation gepaart mit dem Wunsch, über eigene medizinische Daten in ihrer Gesamtheit unabhängig vom Entstehungsort und Entstehungszeitpunkt zu verfügen.

Gestiegenes Bedürfnis nach Sicherheit, Bequemlichkeit und Effizienz führt zu verstärkter Nutzung digitaler Versorgungsangebote wie Telekonsilen, Apps auf Rezept, e-AU etc.

Besseres Verständnis der biologischen Lebensgrundlagen (Entschlüsselung des genetischen Codes menschlicher Zellen) als Basis für eine individuell optimierte Diagnostik und Therapie. Die damit einhergehende Datenflut ist die entscheidende Basis der personalisierten Medizin.

Diese Trends aus dem Gesundheitsbereich treffen auf technologische Quantensprünge insbesondere im Bereich der Cloud-Technologien, die Datenspeicherung und Computing in neue Dimensionen geführt haben. Gepaart mit dem ubiquitären Zugang zu Daten über Smartphones erlauben sie einen orts- und zeitunabhängigen Zugriff für alle. Aus dieser Kombination ergab sich das Potenzial einer umfassenden Transformation hin zu einer digital geprägten Medizin, der die Regulatorik in Deutschland lange Zeit hinterherhinkte.

Die Abschaffung des „Fernbehandlungsverbots“ durch den deutschen Ärztetag 2017 war eine erste Zäsur, die digitale Telemedizinanwendungen in Deutschland zunächst einmal legalisierte. Es folgte mit Beginn der ablaufenden Legislatur eine vom Bundesgesundheitsminister Jens Spahn forcierte umfassende Anpassung der regulatorischen Grundlagen zur Unterstützung digitaler Anwendungen in der gesetzlichen Regelversorgung. Das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) mit dem Fast Track für die „App auf Rezept“, die Neuausrichtung der gematik, die Ausweitung der Telematikinfrastruktur, die Einführung von SNOMED CT, die Einrichtung eines nationalen Forschungsdatenzentrums sowie die Vorlage des Patientendaten-Schutz-Gesetzes (PDSG) mit seinen Festlegungen zur Ausgestaltung der Cloud-basierten elektronischen Patientenakte (ePA) mit eAU sowie dem digitalen Rezept – so viel Fortschritt und Innovation in 36 Monaten war bis dato gar nicht vorstellbar. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber mit klaren Vorgaben zu Formaten und Konventionen die Grundlagen für Vernetzung und Interoperabilität medizinischer Daten gelegt.

Und dann kam Corona – und die damit verbundene Erkenntnis, dass digitale Lösungen für die Bewältigung der Pandemie eine essenzielle Rolle einnehmen. Die Videosprechstunde, bis Anfang 2020 eine eher exotische Ausnahme in der Interaktion zwischen Arzt bzw. Ärztin und Patient:in, wurde auf einmal zur gern genutzten Alternative. Über 100.000 Ärzt:innen kommen inzwischen regelmäßig virtuell in das Wohnzimmer ihrer Patient:innen. So erfolgreich und beliebt ist die Videosprechstunde, dass der Gesetzgeber die Möglichkeiten der telemedizinischen Interaktion vor wenigen Monaten auch auf andere Leistungserbringer wie Hebammen und Physiotherapeut:innen ausgeweitet hat.

Mit der Corona-Pandemie traten auch die digitalen Defizite in deutschen Krankenhäusern deutlich zutage. Die Politik reagierte in Rekordzeit! Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) haben Bund und Länder für die Jahre 2021 bis 2023 zusätzliche Mittel in Höhe von 4,3 Mrd. Euro für die Digitalisierung der Krankenhäuser bereitgestellt. Ausgestattet mit klaren Vorgaben in 10 Handlungsfeldern schafft das KHZG die finanzielle und inhaltliche Grundlage dafür, bestehende digitale Defizite bei den deutschen Krankenhäusern zu beheben. Vom Patientenportal über Unit-Dose-Medikamentierung bis zur Pflegedokumentation: Die Förderrichtlinie kombiniert klare Vorgaben bezüglich Interoperabilität und Datensicherheit mit anwendungsbezogenen Muss-Kriterien. Ergänzt wird der Pflichtkatalog durch „Kann-Kriterien“, die auf weitere Entwicklungspotenziale verweisen. Im Vordergrund steht erfreulicherweise die strukturierte Digitalisierung patientennaher Arbeitsabläufe.


Somit profitiert die Digitalisierung deutscher Krankenhäuser von einem einzigartigen zeitlichen Zusammentreffen von erkennbarem medizinischem Nutzen, artikuliertem Patientenwillen, ausgereiften technologischen Möglichkeiten, notwendigen regulatorischen Anpassungen und befristeter finanzieller Unterstützung. Ganz nach dem Motto: Jetzt oder Nie!

1.4 Gestalten statt gestaltet werden!

Die Voraussetzungen für eine aktive Gestaltung der digitalen Zukunft der Krankenhäuser waren noch nie so umfassend gegeben wie heute. Das Erreichen des Tipping-Point hin zu einer digital geprägten Gesundheitsversorgung in Deutschland muss als Weckruf für alle Manager:innen, Ärzt:innen, Pflegende, und Träger von Krankenhäusern verstanden werden. Dieses Buch unterstützt alle Entscheider:innen und Nutzer: innen bei der Umsetzung der Digitalisierung in allen relevanten Handlungsfeldern. Kurzgefasst, wird in einfacher Sprache die Digitalisierung mit verständlichen Beschreibungen und klaren Aussagen aus einer Welt der IT-Nerds in den Planungs- und Entscheidungsalltag von Manager:innen, Ärzt:innen und Pflegenden überführt. Ein Muss für alle Gestalter:innen, die auch in Zukunft noch Verantwortung für ihr Krankenhaus tragen wollen.

Digitalisierung im Krankenhaus

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