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Welche Bedeutung hat der Kontext?

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Es lässt sich eine Geschichte der Literaturwissenschaft erzählen, die an die Stelle der Methodendiskussion der 1970er und 1980er Jahre in den 1990er und 2000er Jahren immer neue KontextKontextualisierungen gestellt hat, die häufig als Wenden bzw. Turns gekennzeichnet wurden (Bachmann-Medick 2006). Dabei werden Kontexte erschlossen, um über diese neue Zugänge zum Text zu eröffnen. Fachgeschichtlich beispielgebend ist sicherlich der New Historicism. Denn wie er die literarischen Texte neu zum Sprechen bringt, das lässt sich als grundlegendes Modell nahezu allen konkreten, neueren literaturtheoretischen Positionen unterstellen und kann als Beschreibungsmodell auch auf ältere Positionen rückwirkend angewendet werden.

Das zentrale Konzept dabei ist wie gesagt das des Kontextes. Stellt Literaturtheorie die Frage, was denn ein literarischer Text sei, so ließen sich entsprechend dieser Idee alle Antworten auf die Frage auf ein Grundmodell zurückführen, das besagt, dass ein Text konstitutiv auf seinen Kontext zurückzuführen sei oder dass ein Text durch seinen Kontext regelrecht konstituiert würde. Diese Idee ist nicht neu und wurde neben dem New Historicism auch schon von einigen anderen differenztheoretischen Modellen angewendet, die darauf beruhen, den Text immer in Differenz zu etwas außerhalb des Textes zu setzen. In verallgemeinerter Form würde das heißen: Literaturtheorie definiert erstens den Text über seinen Kontext, und die Entwicklung der Literaturtheorie lässt sich zweitens beschreiben als eine Folge von Ansätzen, in denen immer wieder neue Kontexte für den Text namhaft gemacht wurden (vgl. Jahraus 2007 und 2014). Aus dem Verhältnis von Text und Kontext wird die Gültigkeit der Interpretation abgeleitet (vgl. Vollhardt 2015).

Natürlich hat dieses Unterfangen weitreichende texttheoretische Konsequenzen, die in den einzelnen Positionen unterschiedlich stark reflektiert wurden. Denn Text und Kontext stehen in einem dynamischen Verhältnis zueinander, das immer wieder neu justiert werden muss. So kommt es etwa darauf an, ob andere Kontexte selbst textförmig sind oder einen völlig anderen Status als die literarischen Texte haben. Denn dies wirft die Frage auf, wie man denn dann das Verhältnis zwischen Text und nicht-textuellem Kontext überhaupt noch herstellen kann. Umgekehrt – und hier erweist sich die Literaturtheorie als ungemein produktiv, ja, sie geht sogar in eine allgemeine Medien- und/oder Kulturtheorie über – kann die Bestimmung des Textes durch den Kontext auch auf den Kontext zurückwirken. Dies kann nämlich dann geschehen, wenn eine solche Bestimmung die Textualität des KontextesTextualität des Kontextes sichtbar werden lässt, wenn zum Beispiel die kulturelle Bestimmung und Konstitution des Textes dazu führt, dass nunmehr die Kultur in ihrer TextualitätKultur in ihrer Textualität (vgl. Bachmann-Medick 2004) erkannt werden kann oder sogar vorausgesetzt werden muss.

So problematisch solche Kontextualisierungen für den Text im Einzelnen auch sein mögen – und die einzelnen Beiträge werden diese Probleme in unterschiedlicher Form immer wieder aufgreifen –, so ergiebig ist dieses Modell dann, wenn man es zur Beschreibung der Entwicklung literaturtheoretischer Positionen selbst verwendet. Darüber hinaus kann man in einer solchen Beschreibung auch ein Instrument zur Evaluation neuer(er) literaturtheoretischer VersucheEvaluation neuer(er) literaturtheoretischer Versuche sehen, andere Kontexte für die Literatur zu rekrutieren. Man muss sich dabei jedoch immer vor Augen halten, dass es nicht ausreicht, Literatur lediglich in andere Kontexte zu stellen. Wie immer man das Verhältnis einer Position zur Literatur beschreiben will (ob sie wissenschaftlich ist oder gerade den wissenschaftlichen Bezug verneint, ob sie Literatur analysiert oder interpretiert oder aber Analyse und/oder Interpretation in Abrede stellt), wie immer sie Literatur bestimmt, sei es mit literaturimmanenten oder mit literaturfremden Kriterien, so ist doch eines nicht zu leugnen und für jede Position unhintergehbar: Sie bezieht sich immer, wenn nicht auf die Sache, so doch auf den Begriff der Literatur. Und insofern muss sie wiederum unseren Bezug auf das (unseren Zugang zu dem – unseren Umgang mit dem), was Literatur ist oder heißt, erweitern, auf eine neue Grundlage stellen, bereichern.

Wenn dies über den Weg geschieht, neue Kontexte für Texte bereitzustellen, dann müssen diese Kontexte unseren Bezug, unseren Zugang, unseren Umgang verändern und verbessern. Das meint nicht allein eine oberflächliche methodische interpretatorische Verwertung, sondern meint vielmehr einen speziell literaturtheoretischen Beitrag. Solche Kontextualisierungen müssen also auch zu einem literaturtheoretisch reicheren Konzept des literarischen Textes selbst führen, indem sie auch aus literaturwissenschaftlicher Sicht deutlich machen, was solche Kontextualisierungen über das, was Literatur ist oder heißt, selbst aussagen können.

Zugänge zur Literaturtheorie. 17 Modellanalysen zu E.T.A. Hoffmanns

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