Читать книгу Zugänge zur Literaturtheorie. 17 Modellanalysen zu E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann" - Группа авторов - Страница 17
Warum E. T. A. Hoffmann? Zur Wahl des Textes
ОглавлениеEs finden sich eine Reihe von Publikationen, die das Problem der Interpretation oder den Streit der Interpretationen an Kafka abhandeln (Bogdal 1993; Els 1994; Jahraus/Neuhaus 2002). Warum liegt diesem Band nun ein – aber vielleicht auch der bekannteste – Text von E. T. A. Hoffmann zugrunde? Diese Wahl hängt gleichermaßen direkt mit jenen Veränderungen zusammen, die schon an den Unterschieden im theoretischen Status der einzelnen vorgestellten Positionen deutlich wurden und die allesamt eine stärkere Gewichtsverlagerung von der Methodik und Methodologie zur Literaturtheorie in den letzten Jahrzehnten und Jahren bedeuten. Kafka ist vielleicht das prominenteste Beispiel, um methodische und methodologische Probleme in der Grundlagenforschung im eingeführten Sinne der Literaturwissenschaft anschaulich zu machen. Doch mit der genannten Gewichtsverlagerung zur Literaturtheorie gehen weitere Perspektivwechsel einher. War das Interpretationsproblem bei Kafka ein Problem einer Theorie der Interpretation, so geht es bei neuen literaturtheoretischen Kontextualisierungen weniger um diese systematische, sondern eher um eine historische Frage. KontextualisierungKontextualisierung wird als solche dabei weniger systematisch reflektiert als vielmehr historisch betrieben. Natürlich könnte man auch systematisch fragen, inwiefern ein Kontext einem Text überhaupt zugeordnet werden kann, aber der Blick über die Positionen zeigt, dass die Frage, welche Kontexte in Anschlag gebracht werden können, offensichtlich als interessanter gilt – und das ist aus diesem Grund eine historische Frage, weil Kontexte selbst immer wieder historisch spezifiziert sind. Nun ist auch Kafka als Werk der literarischen Moderne historisch höchst interessant, aber Hoffmanns Werk liegt näher an jener Umbruchstelle/SattelzeitUmbruchstelle von Gesellschaft-, Kultur-, Medien- und Literaturgeschichte (der Text erschien zuerst 1816), die mit einem Begriff des Historikers Reinhart Koselleck als Sattelzeit (vgl. Koselleck 1972, XV) charakterisiert werden kann. So lassen sich bei Hoffmann die Kontexte, die man an seinen Text herantragen kann, und wie sie durch Anthropologie, Medien, Räume, Alterität, Geschlecht, Trauma, Gesellschaft aufgezeigt werden, vielleicht etwas besser konturieren, als dies bei Kafka oder anderen Autoren möglich gewesen wäre.