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1. Mathematisierung der Natur: Galilei, Descartes, Newton

Die neuzeitliche Mathematisierung der Natur steht in der antiken Tradition von Pythagoras (um 570–um 495 v. Chr.). Aus pythagoreischer Sicht machen Zahlen und mathematische Proportionen das Wesen der Dinge aus, was Platon (428/427–348/347 v. Chr.) im Timaios aufgreift und bei Johannes Kepler (1571–1630) in der pythagoreischen Sicht der Weltharmonie wiederkehrt. Galilei, Descartes und Newton machen vor diesem Hintergrund die Physik zu einer mathematischen |33|Disziplin, die auf die Erkenntnis universeller Naturgesetze zielt. Sie begründen damit ein mechanistisches Weltbild, das bis heute folgenreich ist, auch wenn die Naturwissenschaft seine Grenzen im 20. Jh. gesprengt hat.

1.1 Das Buch der Natur

Galileis Leistung besteht darin, die Anwendung der Mathematik von der Himmelssphäre auf irdische mechanische Vorgänge zu übertragen. Die Astronomie hatte die Mathematik seit der Antike zur ‚Rettung der Phänomene‘ benutzt, um die scheinbaren Planetenbewegungen im Rahmen des ptolemäischen Weltbilds zu beschreiben. Galilei überträgt dieses mathematische Vorgehen von den Bewegungen der Himmelskörper auf die Mechanik, auf den freien Fall von irdischen Körpern unter Absehung vom Luftwiderstand, auf Wurfprozesse und auf die Bahn von Kanonenkugeln. Nach einem berühmten Diktum Galileis ist das Buch der Natur in mathematischen Lettern geschrieben (Galilei [1623] 1987: 275 / 1992: 38):

„Die Philosophie ist in dem größten Buch geschrieben, das unseren Blicken vor allem offensteht – ich meine das Weltall […] Es ist in mathematischer Sprache geschrieben, und seine Buchstaben sind Dreiecke, Kreise und andere Figuren, ohne diese Mittel ist es dem Menschen unmöglich, ein Wort zu verstehen, irrt man in einem dunklen Labyrinth herum.“

Galilei strebt die Entzifferung dieses mathematisch verfassten Buchs der Natur mit den mathematischen und experimentellen Methoden der Physik an. Ihm ist bewusst, dass dies in Konkurrenz zur biblischen Offenbarung steht; wobei dieses „Konkurrenzunternehmen“ aus seiner Sicht sogar größere Gewissheit verspricht als die Bibel, denn das Buch der Natur sei direkt von Gottes Hand und nicht von Menschenhand geschrieben (Galilei 1615).

Die Metapher vom Buch der Natur hat einen theologischen Hintergrund (→ I.2; II.1). Sie stammt von Aurelius Augustinus (354–430), danach gilt Gott als Urheber der Naturgesetze. Die mathematische Deutung dieser Metapher bleibt – bei zunehmender Säkularisierung – in der Physik und Naturphilosophie von der frühen Neuzeit bis zum 20. Jh. wirksam, wie sich von Galilei über Descartes, Newton, Leibniz und Kant bis hin zu Planck und Einstein verfolgen lässt (vgl. etwa Planck 1908). Galilei verwendet die Metapher als Kritik an der biblischen Offenbarung, um für das kopernikanische Weltbild zu argumentieren. Bei Descartes (1644) führt die Metapher zum Programm der mathesis universalis – einer mathematischen Einheitswissenschaft, die alle Wissenschaften von der Mechanik bis zur Medizin und Ethik begründen kann. Newton (1687) formuliert das Gesetz der universellen Gravitation, das den Weltlauf berechenbar macht. Das Gravitationsgesetz vereinheitlicht die Bewegungen der Himmelskörper mit mechanischen Vorgängen auf der Erde, indem es beiden Phänomenen die Schwerkraft als einheitliche Ursache zugrunde legt; Keplers Gesetze der Planetenbewegungen und Galileis Fallgesetz lassen sich als Näherungen aus dem Gravitationsgesetz ableiten.

|34|1.2 Experimentelle Methode, Atomismus und mechanistisches Weltbild

Galilei strebt die Entzifferung des mathematisch verfassten Buchs der Natur mittels systematischer Messungen an, wobei er Beobachtungsinstrumente wie das Fernrohr sowie auch physikalische Experimente benutzt, um die Phänomene zu analysieren und hinter den unmittelbaren Augenschein vorzudringen. Er perfektioniert die experimentelle Methode als ein Verfahren, mittels dessen man die Naturphänomene in getrennte Komponenten zerlegen kann, um ihre Eigenschaften unter idealen Bedingungen zu untersuchen. Ziel ist dabei, die Zusammensetzung der Phänomene mit mathematischer Präzision zu beherrschen. Hier verbindet sich das mathematische Denken mit einer „atomistischen“ Vorgehensweise, d.h. mit der Zerlegung der Phänomene in Komponenten (wie z.B. freien Fall und Luftreibung), die sich im Experimentierlabor isolieren und unter möglichst genau definierten technischen Bedingungen erforschen lassen. Bei Galilei und seinen Nachfolgern geht dieser Ansatz mit der Erklärung der Körper aus Korpuskeln oder Atomen als kleinsten Bestandteilen einher.

Das mathematische Bild der Natur ist entsprechend seit dem 17. Jh. mechanistisch und atomistisch geprägt. So gegensätzliche Denker wie Descartes und Thomas Hobbes (1588–1679) vertreten eine mechanistische Korpuskularphilosophie, nach der alle Vorgänge in der physischen Welt auf Druck und Stoß mechanischer Korpuskeln zurückgehen (Descartes 1644; Hobbes 1655). Newton wiederum nimmt an, dass das Gravitationsgesetz im Großen wie im Kleinen gilt und dass auch das Licht aus Atomen mit den Eigenschaften mechanischer Körper besteht (Newton 1704). Das mechanistische Denken kulminiert in der deterministischen Vorstellung, es gäbe einen allwissenden Dämon, der die Anfangsbedingungen aller Atome in der Welt kennt und daraus nach den Gesetzen der Mechanik den Weltlauf für alle Zeiten vollständig berechnen kann (Laplace [1814] 1996: 2) (→ II.7):

„Eine Intelligenz, welche für einen gegebenen Augenblick alle in der Natur wirkenden Kräfte sowie die gegenseitige Lage der sie zusammensetzenden Elemente kennte, und überdies umfassend genug wäre […], würde in derselben Formel die Bewegungen der größten Weltkörper wie des leichtesten Atoms umschließen; nichts würde ihr ungewiß sein und Zukunft wie Vergangenheit würden ihr offen vor Augen liegen.“

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