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Karolingische „Renaissance“?

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Auf diesen Grundlagen konnte Karl der Große aufbauen, als er – jetzt in großem Stil – seine Bemühungen um eine umfassende Bildungsreform in Gang setzte. Seit dem 19. Jahrhundert hat man von der „karolingischen Renaissance“ gesprochen; in neueren Darstellungen wird der Begriff zunehmend vermieden, kann er doch zu Missverständnissen führen. In der eigentlichen Renaissance im Italien des 15./16. Jahrhunderts ging es wirklich um eine Wiedergeburt (italienisch rinascimento) der klassischen Antike, damit aber einer heidnischen Kultur. Zwar wollte auch Karl der Große seine Pfalz in Aachen zu einem „neuen Rom“ machen und damit ein geistig-kulturelles Zentrum seines Großreichs errichten; zwar ließ auch er die verehrten lateinischen Vorbilder, die großen klassischen Autoren, sammeln und abschreiben, obwohl es doch heidnische Texte waren. Schon der heilige Augustinus (†430) hatte differenziert geurteilt: „so finden sich auch unter den heidnischen Wissenschaften neben einer Menge von Aberglauben und einem Ballast von unnützer Gelehrsamkeit, die ein jeder von uns […] verabscheuen und fliehen muss, schöne, für den Dienst der Wahrheit ganz geeignete Künste und die nützlichsten Sittensprüche, ja selbst manche Wahrheiten über die Verehrung des einen Gottes. Das ist gleichsam das Gold und Silber der Heiden, […] und das muss ihnen der Christ entreißen, um es zur Verkündigung des Evangeliums in rechter Weise zu gebrauchen“ (De doctrina christiana II,60). Und so ging es auch Karl weniger um die Inhalte, sondern um die sprachliche Form; die Aneignung antiker Bildungsinhalte geschah nicht um ihrer selbst willen, sondern diente dem Zweck der Erneuerung und Reform der kirchlichen Bildung und sollte zur geistigen Hebung von Klerus und auch Volk dienen. Man kann geradezu von einer Anverwandlung dieser klassisch-heidnischen Werke aus christlichem Geist sprechen. Josef Fleckenstein hat das treffend in Bezug auf den bedeutendsten Hofgelehrten Alkuin formuliert, der im Hofkreis das literarische Pseudonym Flaccus führt (Quintus Horatius Flaccus = Horaz): „Alkuin wollte nicht mit Horaz ein antiker Heide, sondern Horaz sollte in ihm ein christlicher Flaccus sein.“

So empfiehlt sich wohl doch statt „Renaissance“ die Bezeichnung „karolingische Bildungsreform“, zumal „ mit dem Ausdruck ‚Reform‘ auch der planmäßige, von oben ausgehende Zug zur Förderung der Bildung betont werden kann“ (Wilfried Hartmann). Was Karl mit seinen Reformmaßnahmen erreichen wollte, wird aus zahlreichen seiner Verwaltungserlasse, der sog. Kapitularien, deutlich. Darin begegnen immer wieder Anweisungen zu konkreten Fragen der Bildungsförderung. Eines der umfassendsten Kapitularien, die Admonitio generalis („allgemeine Ermahnung“) von 789, kennzeichnet Karls gesamtes Reformprogramm als ein dreifaches Bemühen: das Fehlerhafte zu verbessern (errata corrigere), das Unnütze zu beseitigen (superflua abscindere) und das Richtige, Rechte zu bekräftigen (recta cohortare). In den Texten Karls und seiner Helfer tauchen immer wieder Begriffe wie correctio, reparatio, renovatio, reformatio auf. Richtpunkt der Reform war dabei nicht die Erneuerung des Alten (wie bei der humanistischen Renaissance), sondern des Richtigen, Rechten; „Die Bildungsreform Karls des Großen als Verwirklichung der norma rectitudinis“ ist denn auch die wichtige Monographie von Josef Fleckenstein betitelt.

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