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Das Bildungsideal der artes liberales Die Entwicklung des Kanons

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Erstmals bei Cicero findet sich der Ausdruck artes liberales, „freie Künste“ für ein Programm der höheren, nicht dem Gelderwerb dienenden Allgemeinbildung des freien Römers. Die deutsche Übersetzung mit „Künste“ könnte missverstanden werden, denn es geht nicht um künstlerische Fähigkeiten, sondern um Wissenschaften und erlernbare Fähigkeiten, „Techniken“ (so gaben die Römer das griechische techne mit ars wieder). Die Bezeichnung wie auch die Zahl der Einzeldisziplinen waren zunächst noch nicht festgelegt, doch seit der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. setzte sich zunehmend die Siebenzahl durch: Grammatik, Rhetorik, Dialektik (das Trivium = Dreiergruppe, wovon sich unser Wort „trivial“ herleitet) als sprachliche Fächer, Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik (das Quadrivium = Vierergruppe) als mathematische Fächer. Römische Autoren hatten zuweilen auch Medizin und Architektur hinzugerechnet, womit sie auf die Neunzahl in Parallele zu den neun Musen kamen. Schon die römische Antike brachte eine Reihe von Handbüchern der artes liberales hervor, von Varro (116–27 v. Chr.) bis zu Augustinus (354–430). Letzterer hat dazu beigetragen, das heidnisch-antike Lehrsystem auch für Christen annehmbar zu machen.

In der christlichen Spätantike war „erkenntnistheoretisch die Bibel an die Stelle der Wissenschaft getreten, und die artes liberales wurden in den Dienst christlicher Umdeutung antiker Wissensinhalte gestellt“ (Detlef Illmer). Als ein herausragender Kenner antiken Wissens (griechischen wie römischen), besonders der mathematischen Fächer und der Logik, ist Boethius (um 480–524) zu nennen. Von seinen Büchern über die vier Disziplinen des Quadriviums (er prägte diesen Terminus) sind nur die Schriften über die Arithmetik und die Musik erhalten. Daneben ist der vielseitige Gelehrte Cassiodor (†nach 580) zu nennen, der nach einer politischen Laufbahn unter Theoderich dem Großen in seiner kalabrischen Heimat das Kloster Vivarium gegründet hatte, das sich zu einem wissenschaftlichen Zentrum mit einer großen Bibliothek entwickelte. In seinem „Lehrbuch der geistlichen und weltlichen Wissenschaften“ (Institutiones divinarum et saecularium litterarum) behandelte er im zweiten Teil alle sieben artes liberales.

Zum maßgeblichen Vermittler der artes für die mittelalterliche Überlieferung wurde ein heidnischer Rhetor aus Afrika, Martianus Capella (5. Jahrhundert). In Romanform – teils in Prosa, teils in Versen – bot er eine enzyklopädische Darstellung der sieben artes unter dem Titel „Über die Hochzeit der Philologie mit Merkur“ (De nuptiis Philologiae et Mercurii). Als Erster personifizierte er die einzelnen Künste. Jede ars wurde anlässlich der Überreichung eines Hochzeitsgeschenks nach Aussehen und Auftreten geschildert. Die „Mischung aus Buchgelehrsamkeit und hemmungsloser Phantasie“ (Tusculum-Lexikon) mag dem Mittelalter besonders zugesagt haben. Zumindest für die mathematischen Disziplinen blieb das Werk bis ins 11. Jahrhundert das wichtigste Handbuch, während Martianus’ Darstellung der sprachlichen Fächer weniger Nachwirkung zeigte. Für die Grammatik griff man im Frühmittelalter eher auf die schon erwähnten Handbücher des Donat und Priscians zurück.

Die Siebenzahl wurde früh kanonisch, die Parallele zu den sieben Planeten, Sakramenten, Tugenden bot sich an. Schon Cassiodor hatte die Sprüche Salomonis 9,1 zitiert: „Die Weisheit hat ihr Haus gebaut, ihre sieben Säulen behauen“, und Alkuin bezeichnete die artes als die sieben Stufen, die zur Weisheit führen.

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