Читать книгу Mönche, Schreiber und Gelehrte - Группа авторов - Страница 9
Die karolingische Bildungsreform Vorstufen
ОглавлениеDie Bemühungen um eine Hebung des Bildungsstandes setzten schon unter Karlmann und Pippin, Onkel und Vater Karls des Großen, ein. So ist ein Brief Papst Pauls I. an König Pippin (zwischen 758 und 763) überliefert, in dem er dem König eine gewünschte Zusendung von Büchern ankündigt: neben liturgischen Werken eine ars grammatica Aristolis (sic!) und andere Schriften, „alle in griechischer Sprache geschrieben“. Dass Pippin selbst griechische Texte lesen konnte, ist nicht anzunehmen; dass es aber zu seiner Zeit des Griechischen mächtige Kleriker im Frankenreich gab, ist unbestritten. Das zeigt auch die letzte von Pippin 767 in der Pfalz Gentilly (bei Paris) abgehaltene Synode, von der zwar keine Akten überliefert sind, die aber durch den Bericht der Reichsannalen einwandfrei bezeugt ist. Dort kam es zu einem theologischen Streitgespräch inter Romanos et Grecos über die Trinität und andere dogmatische Fragen. Auf Pippin geht auch die Neuordnung des geistlichen Hofdienstes in Gestalt der Hofkapelle zurück. Deren ursprüngliche Aufgabe, die Obhut des Reliquienschatzes (vor allem der namengebenden cappa des heiligen Martin), war erweitert worden um die Durchführung des herrscherlichen Gottesdienstes. Schließlich wies Pippin der Hofkapelle noch eine weitere bedeutende Aufgabe zu: die Beurkundung. Unter den merowingischen Königen sahen wir noch gebildete Laien als referendarii in ihrer „Kanzlei“ beschäftigt, denen die Ausfertigung der königlichen Urkunden oblag. Die Hausmeierurkunden übernahmen noch deren Unterzeichnungsformeln, aber der Titel referendarius begegnet nicht mehr. Unter Karl Martell finden wir 726 das erste Beispiel dafür, dass ein Kleriker eine Hausmeierurkunde fertigte, und ebenfalls eine Karls-Urkunde von 723 bietet einen der frühesten Belege für die Bezeichnung cancellarius. Das waren aber noch vereinzelte erste „Vorboten“ für die Veränderungen, die dann unter König Pippin voll durchschlugen. Jetzt ging das Beurkundungsgeschäft, ja darüber hinaus die gesamte schriftliche Verwaltungstätigkeit in die Hände der Kapelläne über. In ihrer Tätigkeit als Urkundenschreiber wurden sie meist notarii genannt, ihr Vorgesetzter hieß cancellarius, auch er blieb dem obersten Kapellan unterstellt, also der Institution Hofkapelle zugehörig – „der Terminus ‚Kanzlei‘ der Diplomatik ist daher lediglich ein Hilfsbegriff, der erst im späten 12. Jahrhundert eine Entsprechung in den Quellen findet“ (Peter Csendes). Insgesamt bahnte sich hier eine zukunftsweisende Entwicklung an: Das für das Mittelalter so spezifische Bildungsmonopol des Klerus wird sichtbar; Pierre Riché spricht geradezu von „une véritable révolution“.
Aber nicht nur diese organisatorischen Veränderungen weisen in die Zukunft; auch die sprachliche Gestaltung der Hausmeier- bzw. Königsurkunden wandelt sich unter Pippin und zeigt deutliche Fortschritte. Allgemein kann man um die Mitte des 8. Jahrhunderts einen Wendepunkt und seitdem den langsam beginnenden Aufschwung im Niveau der lateinischen Orthographie und Grammatik feststellen. Der Wechsel im Personal für das Urkundenwesen am Hof zeigte erste Wirkungen. Schon Chrodegang, der spätere Bischof von Metz, der 741 die letzte überlieferte Urkunde Karl Martells unterfertigte, wurde von seinen Zeitgenossen wegen seiner vortrefflichen Kenntnisse sowohl der fränkischen als auch der lateinischen Sprache gepriesen.
Überblickt man die zahlreichen verschiedenen Reformbemühungen unter Pippin, so ergibt sich insgesamt eine durchaus ansehnliche Bilanz. Zwar kreisten die kirchenreformerischen Anstrengungen vorrangig um die moralische Besserung der Kleriker und um organisatorische Fragen der kirchlichen Verwaltung, aber zumindest in Ansätzen sehen wir auch schon Bemühungen um eine Hebung des Bildungsstands. Wenn 768, in Pippins letztem Lebensjahr, Papst Stephan III. den König bat, ihm zu einem in Rom geplanten Konzil „eine Reihe kundige Bischöfe zu schicken, die in allen heiligen Schriften und in den Grundsätzen der heiligen Kanones [d.h. im Kirchenrecht] ausgebildet und äußerst erfahren sind“, so konnte er wohl davon ausgehen, dass solche gelehrten Männer inzwischen im Frankenreich zu finden waren.