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„Apersonale“ Alternative oder Dialogpartner christlicher Spiritualität? Der Blick auf den Buddhismus
ОглавлениеDie Beantwortung der Frage, wie der Katholizismus den Buddhismus sieht, setzt konfessionell die römisch-katholische Kirche, wie sie sich seit der Reformation als eigene Konfession von anderen christlichen Konfessionen unterscheidet,28 voraus. Bei allen christlichen Kirchen ist freilich auch auf die Gesamtgeschichte des Christentums Bezug zu nehmen, angefangen von den ersten Jahrhunderten. Deshalb soll auch hier kurz auf diese früheren Epochen verwiesen werden.
Die älteste Nennung Buddhas in einem griechischen Text findet sich bei dem Kirchenschriftsteller Klemens von Alexandrien (ca. 150–215). In Stromateis („Teppiche“) I 71, 3–6 heißt es:
Demnach war die Philosophie ein überaus wertvolles Gut […] In ihre Obhut nahmen sie […] bei den Baktrern die Samanäer […], bei den Indern die Gymnosophisten […] Von ihnen gibt es zwei verschiedene Zweige; die einen heißen Sarmanen, die anderen Brahmanen […] Zu den Indern gehören die Anhänger der Lehre des Buddha, den sie wegen seiner alles überragenden Heiligkeit wie einen Gott geehrt haben.29
Die hier genannten Sarmanen sind die indischen Shramanas (Asketen). Wichtig ist die positive Würdigung, die Buddha in diesem Text erfährt. Ein weiterer Aspekt ist die Nennung der Baktrer, die für die Übermittlung buddhistischer Kenntnisse eine große Rolle spielten, wenngleich die Rückführung des christlichen Mönchtums auf das buddhistische heute in Frage gestellt wird.30
Eine weitere wichtige Station in der Begegnung zwischen Christentum und Buddhismus war durch die Nestorianer-Mission in China gegeben. Alopen, ein nestorianischer Wandermönch, war 635 von Mesopotamien aus zu einer Missionsreise nach China aufgebrochen. Die bekannte Stele von Sian-Fu aus dem Jahr 751 bezeugt dies.31
Die christliche Begegnung mit dem Buddhismus vollzog sich auch in der Neuzeit insbesondere auf missionarische Weise. Da ist zunächst die Jesuiten-Mission in China zu nennen; Matteo Ricci (1552–1610) und seine Gefährten passten sich anfangs stark an die neue Umgebung an: „Sie kleideten sich wie buddhistische Mönche, bezeichneten sich selbst mit dem Wort für buddhistische Mönche (seng) und ließen sich in buddhistischen Klöstern oder in deren Nähe nieder.“32 Später wendete sich Ricci dem Konfuzianismus zu. Es kam auch zu christlich-buddhistischen Debatten. Ricci sah „den wesentlichen Gegensatz beider Religionen darin, dass die Buddhisten (und Konfuzianer) den Wesensunterschied von Gott und Mensch verwischen würden, sich selbst mit dem Höchsten Wesen identifizieren wollten“33. Eine Differenz wurde auch in der Frage des Tötens von Tieren deutlich.34
Etwa zur gleichen Zeit begann die christliche Missionierung durch Jesuiten in Japan; vor allem ist hier die Tätigkeit Franz Xavers (1506–1552) zu nennen, die zu raschen Erfolgen führte. Die folgende Zeit war geprägt durch die Vermischung der Missionstätigkeit mit kolonialistischen Interessen, was zu großen Spannungen, zu Verfolgungen und schließlich zum Verbot des Christentums in Japan führte.35 Eine neue Situation brachte die Öffnung zum Westen hin; im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts kam es zu christlich-buddhistischen Gesprächen. Die Dialogsituation in Japan am Ende des 19. Jahrhunderts kann von christlicher Seite in folgenden Fragen zusammengefasst werden: Die Frage, ob es möglich ist, in einem „nicht-moralischen und impersonalen Universum“ zu leben; wie man ohne einen „wohlwollenden Schöpfer“ glücklich sein könne, und wie der Glaube an Vor- und Wiedergeburten zu verstehen sei, warum es Fixierung auf Leiden anstatt auf Sünde gebe.36
Das 19. Jahrhundert führte auch in anderen Ländern (wie in Sri Lanka) zu einer Reihe von Disputen, in denen das Christentum angefragt war. Zu einem Dialog im heutigen Sinn ist es aber nicht gekommen, auch nicht zu einer umfassenden Wahrnehmung der anderen Religion – insbesondere wurde der Aspekt der Meditation nicht in seiner Bedeutung erfasst.
Das Zweite Vatikanische Konzil
Zu einem wesentlichen Wandel in der Würdigung der Religion des Buddhismus vonseiten des Katholizismus kam es erst auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Obwohl der einschlägige Text in der Erklärung Nostra aetate nur sehr kurz über den Buddhismus (Artikel 2) spricht, erfasst er doch wichtige Aspekte:
In den verschiedenen Formen des Buddhismus wird das radikale Ungenügen der veränderlichen Welt anerkannt und ein Weg gelehrt, auf dem die Menschen mit frommem und vertrauendem Sinn entweder den Zustand vollkommener Befreiung zu erreichen oder – sei es durch eigene Bemühung, sei es vermittels höherer Hilfe – zur höchsten Erleuchtung zu gelangen mögen.37
Es wird also zuerst auf die Grundlehre vom Leiden Bezug genommen, das mit dem „radikalen Ungenügen der veränderlichen Welt“ umschrieben wird; im Buddhismus entsprechen dieser Charakterisierung am ehesten die Merkmale Vergänglichkeit (anicca) und Leid (dukkha).38 Allgemein wird von einem „Weg“ gesprochen, dessen Ziel auf zwei Weisen erreicht werden kann: nämlich einerseits als „Zustand vollkommener Befreiung“ und andererseits als „höchste Erleuchtung“ – hierin können die beiden Hauptrichtungen des Buddhismus erkannt werden, nämlich Theravada- und Mahayana-Buddhismus; bei der Letzteren wird eine weitere Differenzierung vorgenommen, die den Wegen des Zen- (jiriki: mit eigener Kraft) bzw. des Amida-Buddhismus (tariki: mit fremder Kraft) entspricht.39
Im Anschluss an den konziliaren Neuaufbruch kam es zu vielen Begegnungen zwischen Buddhismus und katholischem Christentum. Wichtig war die Rezeption buddhistischer Meditationsformen, insbesondere Zen, bei der Heinrich Dumoulin (1905–1995) und Hugo M. Enomiya-Lassalle (1898–1990) wegweisend waren. Der positive Beitrag dieser buddhistischen Meditationsform für christliche Spiritualität wird gewürdigt und aufgenommen. Viele Laienkreise, aber auch Klostergemeinschaften übernahmen diese Form der Meditation in ihr christliches spirituelles Leben. Eine weitere Ebene der Begegnung war die theologische Auseinandersetzung und insbesondere auch der Dialog mit der Kyoto-Schule. Ein zentraler Gedanke, der hier als eine Basis für die Begegnung betrachtet wurde, war die paulinische Aussage von der Kenosis, von der Selbstentäußerung Christi, der Knechtsgestalt angenommen hat (vgl. Phil. 2, 5 ff.) – diese wird in Parallele zur buddhistischen „Leere“ gesehen. Westliche Theologen wie auch buddhistische Philosophen der Kyoto-Schule haben Gemeinsamkeiten zwischen christlicher Mystik und buddhistischer Erfahrung des Nichts herausgestellt, wie es z. B. Shizuteru Ueda im Hinblick auf Meister Eckehart getan hat.
Das katholische Lehramt sah und sieht noch immer auch die Gefahren der interreligiösen Begegnung, die sich besonders im Gespräch mit den östlichen Religionen, speziell mit dem Buddhismus zeigen würden. Schon im Anschluss an das Friedenstreffen in Assisi (1986) gab es vor allem vonseiten verschiedener, großteils konservativer katholischer Kreise Kritik an möglichen negativen Auswirkungen dieses „Modells“40.
Eine weitere Gefahr, die aus der Sicht des Vatikans auf jeden Fall vermieden werden sollte und gegen die sich der damalige Kardinal Ratzinger, der jetzige Papst Benedikt XVI., als Vorsitzender der Glaubenskongregation entschieden ausgesprochen hat, wird in Relativismus und Synkretismus gesehen. Diese wurden vor allem in der unkritischen Rezeption östlicher Meditationsformen gesehen. Partiell offener für solche Meditationsmethoden ist die römische Verlautbarung über einige Aspekte der christlichen Meditation, die ebenfalls von Kardinal Ratzinger unterzeichnet ist. Unter den „östlichen Methoden“ werden „Zen“, „transzendentale Meditation“ und Yoga verstanden, die sich von Hinduismus und Buddhismus inspirieren lassen41. In deutlichem Unterschied zum buddhistischen Verständnis von sunyata (Leerheit) soll aus christlicher Sicht das „Entleeren“ des Geistes so verstanden werden, dass „eine liebevolle Aufmerksamkeit für Gott bleiben soll, so dass im Beten eine Leere ist, die dann vom göttlichen Reichtum ausgefüllt werden kann. Die Leere, die Gott braucht, ist jene des Entsagens gegenüber dem eigenen Egoismus […]“ (Nr. 19).
Es soll nicht verschwiegen werden, dass es auch Irritationen im buddhistischchristlichen Dialog gab. Die Sicht des Buddhismus, wie sie Papst Johannes Paul II in seinem Buch Die Schwelle der Hoffnung überschreiten vertritt, das im Jahr 1994 erschienen ist, provozierte zahlreiche Proteste vonseiten buddhistischer Mönche und Laien. In diesen ursprünglich in einem Interview gemachten Aussagen wendet sich der damalige Papst gegen „negative“ Aspekte des Buddhismus wie die „Weltverneinung“ und dessen „Atheismus“; diese Äußerungen sind religionswissenschaftlich als einseitig zu betrachten und gehören eher einer vorkonziliaren Sichtweise an.
Dialog mit dem Buddhismus in Europa42
Nachdem sich im 20. Jahrhundert die Missionsrichtung von Osten nach Westen umgekehrt hat und der Buddhismus ein wichtiger Teil des Religionsspektrums in Europa ist, ist zu dem Dialog mit dem Buddhismus in den Ursprungsländern der Dialog mit europäischen Buddhisten hinzugetreten. So fand 2002 in Straßburg eine Konsultation zum Thema „Die Antwort der Seelsorge auf die Ausbreitung des Buddhismus in Europa“ statt, die vom Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog sowie vom Rat der Europäischen Bischofskonferenzen veranstaltet wurde.
Die Literatur zum christlich-buddhistischen Dialog ist in letzter Zeit fast unüberschaubar geworden. Die folgenden Überlegungen möchten einige Aspekte näher erörtern, die sich speziell auf den Buddhismus in Europa und nicht primär auf diese Religion in ihren Ursprungsländern beziehen. Diese Einschränkung ist freilich nur eine relative, weil de facto alle großen Richtungen des Buddhismus heute in Europa anzutreffen sind: Theravada-Mönche ebenso wie tibetische Lamas, japanische Zen-Meister in gleicher Weise wie andere Repräsentanten und Anhänger des Mahayana-Buddhismus. Insofern ist auch der Dialog mit westlichen Buddhisten ein Gespräch mit den verschiedenen Richtungen dieser Weltreligion in ihren vielfältigen Ausprägungen. Dennoch kann nicht geleugnet werden, dass das kulturelle Umfeld, in dem dieser Diskurs stattfindet, eine besondere Ausprägung des Dialogs mit sich bringt: einerseits durch das Faktum, dass die Menschen, die sich hier zum Buddhismus bekennen, durch die hier vorherrschende Kultur ebenso wie durch die Religion des Christentums oft von Kindheit an geprägt sind, und andererseits durch die Tatsache, dass das interreligiöse Gespräch mehr oder weniger ausdrücklich stets vor dem Hintergrund der Voraussetzungen des neuzeitlichwestlichen Selbstverständnisses stattfindet.
Von diesem doppelten Tatbestand her ergeben sich meiner Meinung nach Aspekte, die für den christlich-buddhistischen Dialog in Europa charakteristisch sind und die eine neue Verhältnisbestimmung zwischen beiden Religionen zur Folge haben, die zu einer wechselseitigen Vertiefung der Kenntnis der anderen Religion sowie der eigenen führt.
Im Gespräch zwischen Christentum und Buddhismus wird unschwer deutlich, dass im Hinblick auf die zentralen Grundlagen der jeweiligen Religion wesentliche Differenzen bestehen, wie insbesondere in der Frage nach der letzten Realität (Gott bzw. Nirvana), dem Wesen des Menschen (Nichtseelenlehre oder personales Selbst) und der auf den Tod folgenden Existenzform (ewiges Leben bzw. Wiedergeburtslehre). Trotz dieser Differenzen in der Lehre kann z. B. die Praxis ursprünglich buddhistischer Meditationsformen eine für den christlichen Glauben vertiefende und bereichernde Bedeutung bekommen, da gerade die meditative Erfahrung den Zugang zum Absoluten ermöglicht. Heute ist dies vielen Menschen Anliegen und eigene Erfahrung geworden. Die Begegnung mit dem Buddhismus mag so für den Christen eine inspirierende Möglichkeit eröffnen, das Zentrum des eigenen Glaubens in neuer Weise zu erleben.