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Praktische Religionswissenschaft und die wechselseitige Wahrnehmung der Religionen

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Religionswissenschaft vermittelt Kompetenz im Umgang mit Religionen, religiösen Strömungen und ihren Wertvorstellungen. Von einer gegenwartsorientierten Religionswissenschaft erwarten viele heute Informationen und Analysen, die einer Neuschaffung von Feindbildern und gegenseitiger Polemisierung entgegenwirken. Die Religionswissenschaft liefert die von vielen erhofften Beiträge zur Toleranz in der Begegnung mit dem „Fremden“. Dem Religionswissenschaftler tritt Religion immer als ein Ganzes mit verschiedenen Dimensionen entgegen: Gemeinschaft, Handlungen, Lehren, Erfahrungen. Die Erforschung der Religion(en) erfordert – zumindest von einem bestimmten geschichtlichen Zeitpunkt an – die angemessene Berücksichtigung der Beziehungen der Religionen zueinander, ihrer Vorstellungen voneinander, der politisch-ökonomisch-sozialen Determinanten sowie ihrer vielfältigen Vermittlungen. Diese wechselseitige Wahrnehmung zu erkennen, ist ein Ziel des vorliegenden Buches, das damit zugleich das Gespräch der Religionen miteinander befördern möchte.

Im Entstehen begriffen ist derzeit eine „Praktische Religionswissenschaft“4, von manchen auch als „engagierte“ bzw. „angewandte“ bezeichnet.5 1959 benutzte der jüdische Religionswissenschaftler R. J. Zwi Werblowsky den Terminus „angewandte Religionswissenschaft“ – allerdings um das dahinter sich verbergende Wissenschaftsverständnis rundweg abzulehnen: „Soweit ich es beurteilen kann, gibt es für eine ‚angewandte Religionswissenschaft‘ weder einen Anlass noch eine Rechtfertigung“.6 Weitsichtiger äußerte sich 1965 der Marburger Kirchenhistoriker Ernst Benz (1907–1978): „Diese Zurückhaltung der Religionswissenschaft, an der Lösung aktueller religiöser Fragen mitzuwirken, ist in manchen Fällen so betont, dass man bei manchen Religionswissenschaftlern den Eindruck hat, es wäre ihnen lieber, es gäbe nur tote, das heißt ausgestorbene Religionen, da diese sich besser für eine rein phänomenologische Betrachtung und eine kritische Analyse und Vergleichung eigneten als die lebenden Religionen.“7 Bei der Suche nach Vordenkern der Praktischen Religionswissenschaft im 20. Jahrhundert stößt man auf Persönlichkeiten wie Rudolf Otto (1869–1937), Friedrich Heiler (1892–1967), Gustav Mensching (1901–78), Mircea Eliade (1907–86) und Wilfred Cantwell Smith (1916–2000). Diese Gelehrten sind die namhaftesten, aber wohl nicht die einzigen in der noch ungeschriebenen bzw. umzuschreibenden Disziplingeschichte.

Angesichts der zum Teil dramatischen gesellschaftlich-politischen Verwerfungen weltweit und „vor Ort“ befindet sich die Praktische Religionswissenschaft in neuartigen Entdeckungszusammenhängen. Sie begreift sich als Teil des gesellschaftlichen Kommunikations- und Reflexionsprozesses und versucht, auf den durch die Religionen mit verursachten anschwellenden Problemdruck mit religionswissenschaftlichen Mitteln zu reagieren. Soweit sie die nötigen Grundlagenkenntnisse – zum Beispiel in der Aufarbeitung der wechselseitigen Wahrnehmung der Religionen – liefern kann, beteiligt sie sich an der Lösung dieser Probleme, vermittelt ihre Überlegungen den in diesen Praxisfeldern tätigen Personen.

Manche Forschungsbereiche (Sozialpolitik, Mediation, Politologie, Konfliktforschung, Familienplanung, Bioethik, Migrationsfragen, Management, internationale Beziehungen, Religionsrecht, interkulturelle Ethik) lassen ein wachsendes Interesse der Sozialwissenschaften an Religion, Religiosität, Frömmigkeit, Spiritualität erkennen. Der religiöse Anteil an den genannten Problemfeldern und Konflikten wird stärker veranschlagt. Dadurch wachsen der Praktischen Religionswissenschaft neue Anwendungsfelder zu. „In diesen aktuellen Kontexten wird sie zu einer Zubringerwissenschaft, zeigt historische Zusammenhänge auf, stellt kulturvergleichende Perspektiven heraus, durchleuchtet soziologische Prozesse“8.

Die Weltreligionen und wie sie sich gegenseitig sehen

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