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Einleitung

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„Das wahre Leben, hier,

mein Lieber, findet es statt!

Spürst du es nicht in deinem Bauch?“1 Hans Magnus Enzensberger

„Die Leiblichkeit […] ist uns aufgegeben.

Sie gehört zu uns, seit wir die Bühne unseres

Dramas betreten haben. Ihren Sinn in

diesem Drama gilt es zu verstehen.“2 Józef Tischner

Bei einem anstrengenden Sporttraining, dem Steigen von Treppenstufen oder dem Genuss eines guten Rotweins können wir uns als leiblich-strukturierte Wesen erleben. Jeder von uns, ob Mann oder Frau, Kind oder Greis, führt eine leibliche Existenz. Nicht umsonst heißt es daher im Deutschen: „Wie er/sie leibt und lebt“. Und bei besonderen Gefahren sprechen wir von einer „Bedrohung für Leib und Leben“. Hier scheint noch anzuklingen, dass der Begriff „Leib“, den wir im Deutschen vom Begriff des „Körpers“ abgrenzen können, von „lîp“ kommt: „Leben“. Leib und Leben gehören ganz fest zusammen, schließlich sind wir alle keine Engel (also reine Geistwesen). Wir begegnen einander als leibliche Wesen und haben so einen Zugang zu ihnen. Ja, wir sind als Leibwesen auf andere verwiesen und angewiesen, was sich z.B. bei der Nabelschnur eines Kindes oder der erotischen Liebe unter Erwachsenen in besonderer Weise zeigt. „Ein einziges isoliertes Bewusstsein“, so Karl Jaspers, „wäre ohne Mitteilung, ohne Frage und Antwort, daher ohne Selbstbewusstsein. […] Es muss im anderen Ich sich wieder erkennen, um sich als Ich in der Selbstkommunikation gegenüberzustellen und um das Allgemeingültige zu fassen.“3 Dank unseres Leibes können wir uns im Anderen wiedererkennen und den Anderen als Anderen erkennen und anerkennen.

Viele Lebensvollzüge müssen wir am eigenen Leib erlernen: Wenn wir geboren werden, können wir uns noch nicht aufrichten, laufen und springen. Auch eine Kontrolle über die eigenen Ausscheidungen ist – zum Leidwesen der Eltern – noch nicht möglich. Wir lernen dies alles durch das Vorbild anderer. Dass wir uns im Laufe unseres Lebens viele Bewegungsabläufe einverleiben, hat der französische Philosoph Merleau-Ponty sehr eindrucksvoll am Beispiel eines Musikers verdeutlicht: Ein Organist „setzt sich auf die Bank, bedient die Pedale, zieht die Register, nimmt dem Instrument mit seinem Leibe Maß, verleibt sich Richtungen und Dimensionen ein, richtet in der Orgel sich ein wie man in einem Hause sich einrichtet“4. Nach einiger (manchmal auch durchaus anstrengenden) Übungszeit hat er dann das Stück „in den Fingern“. Die Musik schwingt in ihm, drückt sich durch seinen Leib aus.

In vielen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Debatten scheint ungeachtet dessen die Leiblichkeit des Menschen immer mehr ins Abseits zu geraten. Der Leib wird mit einer instrumentell-technologischen Brille betrachtet oder ganz vergessen: zum Beispiel dadurch, dass es heute möglich ist, mit Hilfe von Medikamenten Schlaf und Verdauung zu überwachen und zu regulieren und den Menschen künstlich zu beatmen. In den Debatten über Organspende und Hirntod dominiert nicht selten die Auffassung, wonach sich Körperteile wie defekte Maschinenteile austauschen lassen und der Mensch – ungeachtet seiner erhaltenen Leibesfunktionen – tot sein soll, wenn ein Organ nicht mehr funktionsfähig ist. Und im Bereich der Kommunikation ist es heute oftmals nicht unüblich, viele Geschäfte per Internet zu erledigen. Hier ein Passwort, dort eine Geheimnummer, die per E-Mail verschickt wird. Auf der Expo 2005 in Japan wurden Roboter-Damen vorgestellt, die den Besuchern Informationen an die Hand gaben. Aufgrund des demographischen Wandels wird auch darüber nachgedacht, derartige Roboter z.B. in der Betreuung und Pflege alter Menschen einzusetzen. Viele menschliche Beziehungen verarmen auf Dauer gesehen, wenn sie nicht mehr leiblich sind. Zu denken wäre etwa auch an die unterschiedlichen „sozialen Netzwerke“ im Internet oder auch das weit verbreitete Computerspiel „second life“. Dies alles ist Grund genug, um über Leib und Leben nachzudenken, den Leib vom Leben her zu verstehen und aus ganz unterschiedlichen Perspektiven einen Blick auf ihn zu werfen. Oder wie es Merleau-Ponty sagt: die Welt „wie sie in unserem Leben, für unseren Leib“5 da ist, zu berücksichtigen. Was sagt eine behinderte Frau zum Thema Leiblichkeit? Was ist die Sicht der Medizin und von modernen Philosophen? Welchen Zugang haben Künstler, Sportler und eine Tänzerin zur Leiblichkeit des Menschen? Welche Ansätze finden sich in der Belletristik? Wie gehen Architekten mit der Tatsache um, dass wir unsere Welt nur als leibliche Wesen wahrnehmen, erkennen und erkunden können? Was ist der Beitrag der Theologie? In neun Themenkreisen sollen diese Fragen angegangen werden.

Ein erster Zugang erfolgt über das Thema Sinn und Sinnlichkeit des Leibes. Unser Leib vermag auf das, was uns begegnet, zu antworten. Ja, er ist selbst Träger von Sinn und Bedeutung, oder wie es Maurice Merleau-Ponty formuliert, ein „System von Bewegungs- und Wahrnehmungsvermögen, […] ein sein Gleichgewicht suchendes Ganzes erlebt-gelebter Bedeutungen“6. Unseren Leib können wir erleben. Wiederum mit Merleau-Ponty gesprochen: „Handle es sich um den Leib des Anderen oder um meinen eigenen Leib, zur Kenntnis des menschlichen Leibes führt kein anderer Weg als der, ihn zu er-leben, d.h. das Drama, das durch ihn hindurch sich abspielt, auf sich nehmen und in ihm selber aufzugehen.“7

Der erste Themenkreis wird mit einem Beitrag von Regine Kather zum Thema Der menschliche Leib – Medium der Kommunikation und der Partizipation eröffnet. Die Überzeugung, man könne den Leib ganz und gar naturwissenschaftlich erfassen, habe seit Descartes zu der eigentümlichen Frage geführt, woher wir denn überhaupt so genau wissen können, dass unser Gegenüber ein Mensch, Träger von Bewusstheit und Subjektivität, ist. Nur dadurch, dass wir von uns auf andere schließen? Durch Analogie also? Nicht nur unser Verhältnis zu anderen Menschen, so Regine Kather, erfahre durch einen rein naturwissenschaftlich-objektivierenden Zugang eine grundlegende Veränderung. Auch unsere Beziehung zu Tieren und zur Natur als Ganzer verändere sich. Kather macht darauf aufmerksam, dass wir Menschen aufgrund der gemeinsamen Evolutionsgeschichte viele Formen des Ausdrucks mit Tieren teilen: „In der belebten Natur finden Menschen Vorformen dessen, was ihnen aus eigener Erfahrung vertraut ist.“ Kein einziges Lebewesen, so sagt sie im Hinblick auf die moderne Ökologie, könne aus sich heraus bestehen, weshalb sie dafür plädiert, die Natur als dynamisches Zusammenspiel einer Vielfalt von Lebewesen und anorganischer Stoffe zu verstehen; mit Scheler gesprochen erscheine sie dann als ein „Ganzes von Ausdrucksfeldern“. „Indem sich ein Mensch aus seinem Verhältnis zur Umwelt selbst wahrnimmt, überschreitet er die Befangenheit in die eigenen Interessen.“ Unser Leib, so Kather, ermögliche einen Zugang zur Natur durch den Stoffwechsel wie auch durch die Bedeutung qualifizierter Perzeptionen.

In seinem Beitrag Weil wir alle keine Engel sind – Leib, Leben und Sinnlichkeit des Menschen stellt Marcus Knaup heraus, dass alles, was Menschen tun und sind, sie als leiblich strukturierte Wesen sind und tun: ob dies Stoffwechselprozesse sind, das Schreiben von Aufsätzen oder die Begegnung mit anderen. Denn: Wir sind weder Engel, Gespenster oder ein Haufen von Neuronen. Knaup beleuchtet, was es heißt, lebendig zu sein und seine Leiblichkeit erleben zu können. Er stellt heraus, warum wir keine Maschinen sind und es unangebracht ist, den Menschen auf Gehirn und Geist zu verkürzen, was gerade vor dem Hintergrund der modernen Neurowissenschaften immer wieder behauptet wird. Da der Leib für Knaup das Medium ist, mit dem wir Welt erschließen und das Kommunikation erst ermöglicht, beleuchtet er zum Schluss seiner Ausführungen auch das Phänomen des Erotischen. Entgegen einer heute nicht selten anzutreffenden Leibfeindlichkeit plädiert er dafür, den Menschen in seiner Sinnlichkeit und Lebendigkeit ernst zu nehmen.

Der zweite Themenkreis ist überschrieben mit „Geschlechtlichkeit und Leib“. Ausgehend von dem gegenwärtigen Befund einer „Verstörung der Geschlechter“ erarbeitet Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz eine Perspektive von humaner Leiblichkeit, der zufolge weder einer Ethik der geschlechtlichen Differenz im Sinne von Luce Irigaray noch jenem kulturalistischen Entwurf eines semantischen Konstruktivismus, so wie ihn Judith Butler entwickelt hat, das Wort geredet werden soll. Stattdessen gibt die Religionsphilosophin im Rahmen ihrer kritischen Reformulierung des Leibbegriffes vor dem Hintergrund von gender eine dritte Aussicht, die „zwischen datum und factum“ des Leibes klar unterscheidet und Möglichkeiten für eine umfassende Integration der Geschlechtlichkeit in einen allgemeinen, d.h. religiösen Bedeutungshorizont aufzeigt.

Harald Seubert schließt in seiner philosophischen Kritik zum Thema Zuhause sein im Leib? – Überlegungen zu Gender und Sexualität inhaltlich an die Überlegungen von Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz zur Gender-Problematik an. Dabei richtet er den Blick hauptsächlich auf die Entstehungsbedingungen des heutigen kulturwissenschaftlichen Diskurses und prüft geläufige Muster der Argumentation. Seubert bezieht in seine Analysen nicht nur klassische geschlechteranthropologische Modelle von Platon bis Hegel ein, sondern lässt auch berühmte philosophierende Frauen wie Edith Stein und Simone Weil zu Wort kommen. Vor diesem Hintergrund verweist er auf die personale Dimension des Menschseins, die in vielen Gender-Debatten unberücksichtigt bleibt, denn „in der Personalität, der Gott-Ebenbildlichkeit des Menschen, ist die Isolierung der Geschlechter und der immanente Zwang, sich gegeneinander durchzusetzen, aufgehoben in eine höhere Einheit“.

Im dritten Themenblock geht es um den Leib als Organ der Selbsterfahrung und Freiheit. Zwischen Leib und Körper ist der Beitrag von Thomas Fuchs überschrieben. Hintergrundfolie hierfür ist die Unterscheidung Plessners zwischen Körper-haben und Leib-Sein. Wenn das Verhältnis des Leibes zur Umwelt wie zum Anderen gestört oder gehemmt sei, trete der Körper in Erscheinung. Der „Körper“, wie Thomas Fuchs ihn verstanden wissen will, sei der Leib als widerständiger, als Gegenstand fremder Wahrnehmung. „Der Leib“, so Fuchs, „meint gar keinen Gegenstand, sondern letztlich die Bewegung des Lebens selbst. Der Körper hingegen, auf den ich in der Reflexion zurückkomme, ist der bewusst gewordene, ‚festgestellte‘, für einen Moment angehaltene und damit immer schon wieder vergangene Leib.“ Unser Leben vollziehe sich im Spannungsverhältnis von Leib und Körper, was dann zum einen im Hinblick auf psychische Krankheiten (Hypochondrie, Anorexie), zum anderen im Hinblick auf gesellschaftliche Entwicklungen der Gegenwart (moderne Körperinszenierungen) veranschaulicht wird.

Günter Rager geht in seinem Beitrag dem Verhältnis von Leiblichkeit und Freiheit nach. Für Rager ist eine gute Beziehung zur eigenen Leiblichkeit nur auf Basis von Freiheit möglich: „Glücklich leben, heißt im Einklang mit sich selbst zu sein, heißt Harmonie von Leiblichkeit und Freiheit erstreben.“ In einem ersten Schritt seiner Analysen stellt Rager geläufige Positionen zur Freiheitsdiskussion, die er kritisch kommentiert, vor. Darauf aufbauend zeigt er, wie reduktionistische Ansätze die Freiheitsdimension der Leiblichkeit leugnen: Durch eine Technisierung (z.B. Enhancement) und geschlechteranthropologische Indifferenzierung des Leibes (Gender-Theorie) wird die Freiheit des leiblichen Werdens als ein Zu-sich-Kommen beschränkt. Damit wir nun den Leib nicht vorschnell zum Objekt machen, sollten wir auf seine Signale hören und ihn so annehmen, wie er sich uns gibt, d.h. ihn „in Freiheit […] als Gabe annehmen.“

Krankheit, Gebrechlichkeit und Behinderung verweisen auf die Endlichkeit des Leibes und des eigenen Lebens. Auch Blut und andere Körperflüssigkeiten rufen uns dies in Erinnerung. Insofern wir leibliche Wesen sind, sind wir auch verletzlich, sterblich. Richtig und wichtig in diesem Zusammenhang scheint wohl diese Beobachtung Merleau-Pontys zu sein: „Psychologische Motive und körperliche Anlässe können sich miteinander verschlingen, da keine Bewegung des lebendigen Leibes psychischen Intentionen gegenüber absolut zufällig ist, aber auch kein psychischer Akt, der nicht in physiologischer Anlage wenigstens seinen Keim oder seine allgemeine Vorzeichnung hätte. […] Zwischen Psychischem und Physiologischem walten Wechselbezüge, die es fast stets unmöglich machen, eine geistige Störung als psychische oder somatische zu bestimmen.“8 Der vierte Abschnitt des vorliegenden Buches beleuchtet den gebrechlichen und verletzbaren Leib im Zustand von Krankheit und Behinderung.

Jutta Pagel-Steidel bezeugt in ihrem Plädoyer für das Recht auf Leben, wie es ist, mit einer Körperbehinderung zu leben. Am eigenen Leib hat die Autorin gespürt, wie der gegenwärtige Umgang mit Behinderungen in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit alles andere als selbstverständlich ist. Eine auf stetige Optimierung getrimmte Gesellschaft tut sich mehr denn je schwer mit Themen wie Körperbehinderung, vor allem was das ethische Verhalten hinsichtlich vorgeburtlich diagnostizierter Defekte anbelangt. Pagel-Steidel sieht unter anderem in der Selektion ungewollten Lebens eine moralisch verwerfliche Tat, die indirekt auch jeden Behinderten, der ja auch abgetrieben hätte werden können, emotional trifft. Deshalb optiert Pagel-Steidel für ein uneingeschränktes ‚Recht auf Leben‘, das unteilbar ist und niemals an Bedingungen geknüpft werden kann. Ihr zufolge sollte eine Gesellschaft endlich lernen zu akzeptieren, dass „Behinderungen nun mal zum Leben gehören“.

Manuela Fuelle zeigt, wie es ist, wenn der Leib anfängt zu erzählen. Anhand der Romane von Dostojewski versucht Fuelle zu veranschaulichen, inwieweit das persönliche leibliche Gebrechen eines Autors Eingang in seine Texte finden konnte. Dostojewski, oft selbst krank an Leib und Seele, lässt in seinen Erzählungen Helden auftreten, die mit sich und ihrer Existenz ringen. Deren Moral und Gesundheit wird dabei ständig bedroht. So ist es vornehmlich die Krankheit, die als „sprechendes Gewissen und strafende Dunkelheit“ die vom Fieber ergriffenen Protagonisten ereilt. Fuelle versucht in Dostojewskis literarischem Werk damit Spuren einer Narratologie des Krankseins zu entdecken, die tiefe Einblicke in die leiblich-seelische Grundverfasstheit des Menschen zulässt.

Magnus Striet greift in seinem Beitrag Gebrochene Leiber die Frage nach der Verletzlichkeit des Lebens und der Bedrohtheit des Leibes auf und erinnert an den französischen Schriftsteller und Philosophen Albert Camus, dessen Geburtstag sich 2013 zum hundertsten Mal jährt. Camus, 1957 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet, hatte kurz vor seinem Tod in seinem Tagebuch vom „Fleisch“ gesprochen, das als „erbärmlich“ und „schmutzig“, aber auch als „heilig“ charakterisiert wird. „[A]lle anthropologischen Beschreibungen“, so Striet im Hinblick auf diese Tagebucheintragung, lassen sich „in einen Kontext einordnen, der durch Kulturleistungen geprägt ist und in dem Normativitäten existieren.“ Camus heilige das Fleisch, so Striet, da es das Fleisch des Menschen sei und heilig sein solle.

Das fünfte Kapitel trägt die Überschrift Verräumlichter Leib, verleiblichter Raum. Dank unseres Leibes, können wir unsere Welt erschließen und so etwas wie Raum überhaupt erfahren. Wir sind durch unseren Leib orts- und perspektivengebunden: Dort wo ich mich aufhalte, kann gleichzeitig niemand anders sein. Edmund Husserl und seine Schülerin Edith Stein sprechen vom „Nullpunkt unserer Orientierung“9. Ein Haus oder eine Kirche kann ich umschreiten. Beim eigenen Leib sieht dies freilich etwas anders aus: „Das Fenster kann nur darum mir einen bestimmten Blickpunkt der Kirche gegenüber erzwingen, weil zuvor schon der Leib mir einen Gesichtspunkt der Welt gegenüber aufzwingt.“10

Achim Hahn nimmt als Architekturtheoretiker die Leiblichkeit unter dem Gesichtspunkt des Wohnens in den Fokus: Das Wohnen des Menschen im Raum einer landschaftlichen Gegend heißt sein Beitrag. Nicht nur wohnt der Mensch in einem Leib, sondern auch der Leib selbst ist auf eine ihm gemäße Behausung angewiesen. Kennzeichen des fühlenden Leibes ist ein spezifisches Gestimmtsein, das ihn mit seiner Umwelt sympathetisch verbindet. Kraft dieser durch den Leib vermittelten „erlebten Räumlichkeit“ ergeben sich Hahn zufolge nun bestimmte Gestaltungsformen des Bleibens und Verweilens. Der Architekturtheoretiker untersucht dabei auf Basis der anthropologischen Notwendigkeit, eine Heimstatt errichten zu müssen, vor allem Möglichkeiten für ein gutes Wohnen. Dieses gute Wohnen, das „offensichtlich als eine leibhafte Erfahrung präsent ist“, ist analog zum Heimischwerden in seinem Leib auf die gebrauchsorientierte Schaffung vertrauter Umgebungen aus.

Roland Kohlhaas beschreibt in seinem Beitrag Leibraum – zum Körper in der Skulptur aus der Sicht des Bildhauers, wie sich die Skulptur als Körper zu sich selbst und zum Raum, in dem sie sich befindet, verhält. Der Körper der Skulptur tritt dabei dem Bildhauer in verschiedenen Weisen entgegen: „Bildhauerei“, so Kohlhaas, „ist nur als eine figürliche denkbar, das heißt als eine leibbezogene.“ Des Bildhauers Aufgabe ist es nun, diese Perspektiven zu bündeln und sie in einer einheitlichen Zielgestalt zum Leib werden zu lassen. Dabei betont Kohlhaas vor allem die Wichtigkeit einer adäquaten Erfassung der Oberflächenstrukturen und Texturen für den schöpferischen Prozess. Der Bildhauer tritt gleichsam in ein Spannungsverhältnis mit dem von ihm Geschaffenen. Während des Austausches mit dem zu formenden Material ermöglicht ihm der durchaus wörtlich zu verstehende Bruch mit konventionellen naturalistischen Darstellungsweisen kreative Möglichkeiten. So ist der in sich stimmige oder stimmig repräsentierte Leibkörper letztlich freier Ausdruck der inneren Notwendigkeit des Dargestellten, denn „im Bauch der Bilder wohnen unsere Möglichkeiten“, so Kohlhaas abschließend.

Um Darstellungen und Inszenierungen des Leibes geht es im sechsten Kapitel des vorliegenden Buches. Dank unseres Leibes können wir tanzen, springen, wandern, schwimmen, Gewichte heben und sonstigen sportlichen Aktivitäten nachgehen. Unser Leib zeichnet sich durch seine Selbstbewegung aus. Er wird nicht einfach fremdbewegt. In der Leibwahrnehmung sind uns unsere Eigenbewegungen gegeben. Anders gesagt: Wir können unsere Bewegungen erleben. Hinzukommt, dass wir dieser Bewegung auch äußerlich gewahr werden können. Merleau-Ponty schreibt: „Wir machen unsere Bewegungen nicht in einem ‚leeren‘, zu ihnen beziehungslosen Raum, sondern in einem, der zu ihnen in ganz bestimmter Beziehung steht; […] seinen Leib bewegen heißt immer, durch ihn hindurch auf die Dinge abzielen, ihn einer Anforderung entsprechen lassen.“11 Und bei Edith Stein heißt es: „[D]er Leib als Ganzes nimmt ein anderes Raumstück ein als vorher. So konstituiert sich zugleich mit der Räumlichkeit des Leibes und seinen Bewegungen eine äußere Räumlichkeit, in der er sich befindet und bewegt.“12

Mónica E. Alarcón Dávila widmet sich dem Thema Gegenwärtigkeit und Präsenz in der Tanzimprovisation. Sie zeigt auf, dass der Tanz einen Leib zeigt, der nicht nur eine räumliche Dimension hat, sondern durch seine Bewegungen und Selbstbezüglichkeiten zugleich zeitliche Dimensionen entfaltet. Tanz und Tänzer/in könne man nicht trennen. Insbesondere nimmt Alarcón Dávila die Tanzimprovisation in den Blick, welche nicht mit Willkürlichkeit und reiner Zufälligkeit verwechselt werden dürfe, da der Zufall einkalkuliert und beherrscht werde. „Im Tanz spürt man sich selbst und den anderen und kommuniziert miteinander durch Körperkontakt (Kontakt), wobei jeweils flexibel auf das Gespürte reagiert wird (Improvisation).“

Schönheitsoperationen sind inzwischen zu einer gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit geworden. Der Leib selbst wird zu einer Projektionsfläche von Wünschen, wird selbst zum Projekt und Konstrukt. Schmerzen werden in Kauf genommen und viel Geld investiert, um den „gestylten Superbody“ zu bekommen. Gina-Lisa Lohfink, Teilnehmerin bei der Fernsehsendung Germany’s next Topmodel, formuliert das so: „Meine Schönheitschirurgen sind Heroes für mich“, so die junge Frau, die nach einer Brustvergrößerung auch für das Männermagazin Playboy gebucht wurde. „Sie haben mich erschaffen. Wenn du langweilig bist, wenn du so aussiehst wie alle anderen, bekommst du kein Geld und keine Aufträge. Du musst diese Extreme haben, um bekannt und erfolgreich zu sein.“13

Aus der kunstwissenschaftlichen Perspektive versucht Jörg Scheller in seinem Beitrag Am Busen der Kultur. Zur Ästetik der Männerbrust dem Phänomen des Brustmuskels im Kontext von Körperinszenierung und Leibstilisierung nachzugehen. Anhand der ästhetischen Betonung der muskulösen Männerbrust, vor allem innerhalb der Kultur des Bodybuildings, verdeutlicht Scheller, dass sich eine moderne Sehnsucht nach Verewigung an der übertriebenen Pflege und Kultivierung ausgewählter Körperteile vornehmlich auszudrücken wagt. Die Brust als „Stück des realen, lebendigen, biologischen Körpers wird überführt ins Reich des Symbolischen, wird abstrahiert, ästhetisiert und ausgestellt, wird Teil eines Kunst-Leibs, dessen Gebrauchswert mit seinem Ausstellungswert zusammenfällt“. Jene Brust scheint damit, so Scheller weiter, über die Geschlechtergrenzen hinaus zum Symbol für eine nach Distinktionsmerkmalen suchenden, aber letztlich den Verstrickungen des gender mainstreaming weiterhin unterworfenen Gesellschaft zu sein.

Leiblichkeit und Kunst ist das Thema des siebten Themenblocks. Immer wieder und zu allen Zeiten haben sich Künstler mit der Leiblichkeit des Menschen auseinandergesetzt: in Zeichnungen, Skulpturen, Personenportraits oder der Malerei. Der Philosoph Maurice Merleau-Ponty vergleicht sogar den Leib mit einem Kunstwerk, was er damit begründet, dass der Leib „ein Knotenpunkt lebendiger Bedeutungen [sei], nicht das Gesetz einer bestimmten Anzahl miteinander variabler Koeffizienten“14. Wer schon einmal die Sixtinische Kapelle in Rom besucht hat, wird sehr schnell zustimmen können, dass man dieses Gesamtkunstwerk eben nicht auf einzelne Farbpartikel reduzieren kann. Der Betrachter hat es mit einer bestimmten Kompositionsthematik zu tun, die auf ihn wirkt und zu ihm spricht. Bei der Erfahrung des eigenen Leibes ist es wohl ganz ähnlich: Auch hier reichen mathematische Bestimmungen und Erklärungen nicht aus, um ihn zu verstehen.

Martin Hähnel zeigt in seinem Beitrag Leibbilder/Bildleiber – Annäherungsversuche an eine Ästhetik der Inkarnation wie in der Kunst, v.a. der Malerei des 20. Jahrhunderts, Leiblichkeit nicht nur in Form einer äußerlichen und vorwiegend raumbezogenen Darstellung bzw. Inszenierung bestimmter Objekte thematisiert werden kann, sondern auch in der Gestalt des Kunstwerkes selbst, welches einen leibhaftigen Knotenpunkt bilden kann, zu finden ist. Vor allem bei Lucien Freud beobachten wir den konzentrierten Übergang von „fleischlichen Darstellungen“, (die Hähnel „Leibbilder“ nennt), welche der Maler anhand von Aktbildern gewinnt, hin zu der Idee, dass das Bild selbst so etwas wie „Fleisch“ sei. Beispielsweise nimmt bei Freud das Bild durch die dick aufgetragenen, schier undurchdringlichen Farben, die eine gewisse Erdenschwere symbolisieren, eine leibhaftige Gestalt an und wird damit quasi zum „Bildleib“. Unerwarteterweise nähert sich Freud hier der abstrakten Kunst an, die sich bekanntlich angeschickt hatte, die Bedeutung der Farbe unter Verzicht auf die Bindung an bestimmte Sujets neu zu entdecken. So sind die schimmernden Farbflächen Rothkos und die beunruhigend schweigsamen Farbfelder Newmans im Gegensatz zu Lucien Freuds oder Francis Bacons verwundeten und teilweise einer Geistigkeit trotzenden Leibbildern ungegenständliche Versuche, um den „Bildleib“ in der Form einer elementaren Präsenzerfahrung wiederzugewinnen. Der Beitrag von Hähnel stellt diese und weitere Verleiblichungsmöglichkeiten in der Kunst dar.

Nicht nur auf Künstler haben z.B. die „Beinahe-Berührung“ von göttlicher Hand und der Hand Adams im Deckenfresko der Sixtina wie auch die „betenden Hände“ von Dürer eine große Bedeutung ausgeübt: Die Hand ist ein beliebtes Motiv in der Kunst. Im Jahr 1996 wurde in Wolnzach ein Museum eröffnet, das sich ganz der künstlerisch-kulturgeschichtlichen Auseinandersetzung mit der Hand widmet.15 Damit wird dem Rechnung getragen, dass die menschliche Hand etwas ganz Besonders ist. Jedes Biologiebuch gibt uns Auskunft darüber, dass gerade die Entwicklung der Hand für die Entwicklung des Menschen eine besondere Bedeutung hat. Mit der Hand können Werkzeuge hergestellt werden, Hände können helfen, heilen, streicheln, tragen, zum Gebet gefaltet werden, segnen, ineinander gelegt werden. Sie können aber auch verletzen, zu Fäusten geballt werden und töten. Wenn Menschen sich in unserem Kulturkreis begrüßen oder für etwas entschuldigen, reichen sie sich die Hand: Es treffen nicht zwei Gehirne aufeinander, sondern es begegnen sich zwei Menschen in ihrer Leiblichkeit.

Der österreichische Lyriker und Aktionskünstler Christian Ide Hintze (1953–2012) beschreibt ebenso sprachgewaltig wie genau in seinem Beitrag Legendenmachen die Hände der Wiener Künstlerin Heidi Baratta und ihre „händische Kunst“, Aktmalerei zu betreiben. Ihre Hände sind wie eine Ikone, die etwas von ihrer Lebensgeschichte offenbaren: „Und so wie ich glaube, dass jede, nicht nur körperliche, menschliche Besonderheit seine besondere, geradezu heilig zu nennende Botschaft, seine besondere, geradezu heilig zu nennende Leitkraft enthält und der Träger, ob verkrüppelt oder gelähmt oder zweischädlig daher die verdammte Pflicht hat, sich besonders um die Entwicklung, die Offenbarung, das Weltlichwerden dessen, was da seine Besonderheit enthält, zu kümmern, anstatt, wie es ja üblich ist, sich als ein Missgebildeter oder als ein mit Missbildungen Geschlagener den zur ununterbrochenen Niederwerfung, Vertuschung, Verniedlichung geschaffenen, sich gemeinhin sozialfürsorglich gebenden Institutionen und Anstandsregeln auszuliefern, so glaube ich auch daran, dass die Hände der Heidemarie Baratta sowohl eine ihr Leben bestimmende Leitkraft als auch eine für uns alle wesentliche Botschaft enthalten.“ Um diese handgreifliche Botschaft, diese kunstschaffenden und welterschließenden Hände geht es Christian Ide Hintze, der das Erscheinen dieses Sammelbandes leider nicht mehr erleben durfte.

Leib und Verantwortung ist das Thema des achten Kapitels. Unser Leib ist, mit Edith Stein gesprochen, „Ausdruck der gesamten Existenz“16. Bedeutungen werden am Leib für Andere „greifbar“: Sein Wohlsein ebenso wie seine Angst und seine Hilfsbedürftigkeit. Insofern hat der leibliche Ausdruck auch Konsequenzen, wie ich mich der anderen Person gegenüber verhalte. Es hat Folgen für mein eigenes Handeln. Für Lévinas ist der Leib daher eben nicht „Hindernis, das der Seele entgegensteht, noch Grab, das sie gefangen hält, vielmehr das, wodurch das Sich die Empfänglichkeit selbst ist“, und dies „Für-den-Anderen“.17 Als menschliche Personen ist es uns möglich, unsere leiblichen Prozesse nicht einfach nur hinzunehmen. Wir können uns hierzu verhalten und Verantwortung übernehmen. Diesen Aspekt unserer Leiblichkeit untersuchen Eberhard Schockenhoff und Patrick Spät.

Eberhard Schockenhoff wählt in seinem Beitrag In Leib und Seele Einer zunächst einen phänomenologischen Zugang, um die Bedeutung der Leiblichkeit für unsere personalen Selbstvollzüge herauszustellen. In einem zweiten Schritt verknüpft er diese Überlegungen mit dem Denkmodell des aristotelisch-thomasischen Hylemorphismus, der als Zwischenposition zu dualistischen und naturalistischen Denkmodellen verstanden werden kann und der der phänomenologisch erfahrenen Ganzheit des Menschen Rechnung trägt. Von hier her beleuchtet Schockenhoff dann die ethischen Konsequenzen im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit des leiblichen Lebens sowie der Teilhabe an der Menschenwürde. Die Würde des Menschen hängt nicht von seinen bewussten Leistungsvermögen ab, z.B. seinem Erinnerungsvermögen oder seiner Zukunftserwartung. Dann nämlich „wird ‚Personsein‘ ein soziales Etikett, das wir denen zubilligen, die unseren Leistungserwartungen entsprechen“. Es gibt, so unterstreicht Schockenhoff, „kein leibliches Leben eines Menschen, das nicht das Leben einer Person wäre“.

Die Frage nach der Vernachlässigung der Leiblichkeit treibt Patrick Spät um. In seinem Beitrag Stresstest für die Ethik macht er ein Problem der idealistischen und vieler heutiger Philosophen darin aus, am falschen Ende anzusetzen. „Der Mensch wird als ideales, geistiges Wesen gedacht, der engelsgleich seine moralische Vernunft oder seinen logischen Verstand gebraucht […] gegessen, geatmet und geschlafen hat er schon.“ Spät empfiehlt daher den Leib-Begriff als geeigneten Grundpfeiler philosophischer Überlegungen. Vor diesem Hintergrund denkt er auch über „Paro“ nach, einen Roboter, der in vielen japanischen und auch deutschen Altenheimen bereits in der Pflege demenzkranker Bewohner eingesetzt wird und fragt, ob Roboter den „Leib-Stresstest“ für die Ethik bestehen.

Das Geheimnis der Inkarnation, der Fleischwerdung des Gottessohnes, gehört zu den zentralen Grundbotschaften des Christentums. Hiernach hatte Jesus keinen Scheinleib, sondern einen ganz und gar menschlichen Leib, ein menschliches Antlitz wie wir auch. In seiner Passion hat Jesus physisch gelitten und ist, so die Botschaft der Bibel, am Ostermorgen leibhaft (nicht nur im Geist seiner Jünger) von den Toten auferstanden. Den auf Christi Tod getauften Jüngerinnen und Jüngern ist eine Auferstehung des Leibes verheißen (1 Kor 15,44). Daher sagt der Kirchenvater Tertulian: Caro cardo salutis – Das Fleisch ist der Schlüssel des Heils. „Diesem materiellen und verweslichen Körper – welcher die Beute des Werdens und darüber hinaus noch der Sitz der Sünde ist, das Organ des sinnlichen Begehrens, das vorherbestimmte Opfer aller Lockmittel und Idole – wird die Aufgabe anvertraut, uns dem Tod zu entreißen“, wie es der französische Philosoph Michel Henry sagt, der vom Gedanken der Inkarnation her seine Phänomenologie des Lebens entwickelt hat.18 „Gottes Offenbarung an die Menschen“, so Henry weiter, „ist folglich die Tatsache des Fleisches. Das Fleisch als solches ist Offenbarung.“19 Auch die Kirche selbst wird in der christlichen Theologie als Leib gesehen: als mystischer Leib Christi (1 Kor 12,20 u. 24; Kol 1,18). Den Gläubigen wird der Leib Christi in die zu einem Thron gefalteten Hände oder auf die Zunge gelegt. Sie sollen, wie der Kirchenvater Augustinus sagt, das werden, was sie empfangen: Leib Christi.

Der letzte Themenkreis Leib und Gott wird eröffnet durch einen Beitrag des Dominikanerpaters Johannes H. Weise. Er untersucht in seinem Beitrag Die Leiblichkeit in der Feier der Liturgie als Einübung in Grundvollzüge des Lebens, wie die Leiblichkeit in der Feier der Liturgie zum Tragen kommt. Dabei steht im Zentrum, wie die Leiblichkeit in der Liturgie mit dem normalen Alltag gekoppelt ist oder sein kann, also ob und wie der leibliche (Mit-)Vollzug der Liturgie zu einer Lebensgrundhaltung beiträgt. Es erinnert teilweise an den alttestamentlichen Propheten Ezechiel, der eine Buchrolle essen musste, sich also das Wort Gottes ganz konkret erst einverleiben musste, bevor er zum Volk Israel geschickt wurde, wenn Johannes Weise auf Parallelen von Verdauen geistiger und leiblicher Nahrung verweist: Das, was wir essen, muss verarbeitet und verwertet werden. „[D]iesen Vorgang“, so Johannes Weise, „finden wir in der Eucharistie wieder. Das Wort der Heiligen Schrift wird uns nicht vorgelesen, damit wir es irgendwann auswendig können, sondern es ist gemäß dem Gleichnis Jesu (vgl. Mk 4) wie ein Same, der durch einen Verarbeitungs- und Verwandlungsprozess in uns und durch uns Frucht tragen soll.“

„Wenn der Mensch nur Geist sein will und den Leib sozusagen als bloß animalisches Erbe abtun möchte“, so hatte Papst Benedikt XVI. in seiner ersten Enzyklika Deus Caritas est festgehalten, „verlieren Geist und Leib ihre Würde. Und wenn er den Geist leugnet und so die Materie, den Körper, als alleinige Wirklichkeit ansieht, verliert er wiederum seine Größe.“ Mit einem Beitrag von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. schließt auch der vorliegende Band. Das Wort „Leib“, so ist hier zu erfahren, bezeichne in der Bibel nicht einfach einen Körper oder sei als Gegensatzbegriff zum Bereich des Geistigen gedacht. Vielmehr sei die menschliche Person in ihrer Ganzheit gemeint. Leiblichkeit umfasse dabei den Aspekt der Kommunikation wie auch den der Grenze zum anderen. Die christliche Vorstellung der Auferstehung besage, dass der Leib als Grenze aufhöre, aber das, was an ihm Kommunion, Gemeinschaft und Beziehung ist, bleibe. Weil Christus sich den Menschen leibhaft zuwende, müsse sich die Kommunion im Dienst am Nächsten fortsetzen.

Wie man als Leser bei der bevorstehenden Lektüre hoffentlich erfahren wird, hat Leiblichkeit, diese „heilige, unerschöpfliche Hieroglyphe jeder Menschengestalt“20, sehr viele, teilweise auch unbekannte Gesichter, Formen und Facetten. Die vorgestellten Perspektiven sollen aber vor allem eines verdeutlichen: Wir sind als endliche Wesen, ob es wir wollen oder nicht, mit einem Leib beschenkt worden. Ohne diesen Leib, der uns Möglichkeiten bietet und Grenzen auferlegt, wären wir nicht fähig, uns und andere als Personen, die sich selbst zu überschreiten gewohnt sind, zu erkennen und zu (er-)leben. Es scheint somit eine verborgene Weisheit des Leibes zu geben, die uns persönlich angeht und um deren Verständnis sich die folgenden Beiträge bemühen.

Die Herausgeber

Leib und Leben

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