Читать книгу Die deutsche Exilliteratur 1933 bis 1945 - Группа авторов - Страница 18

III.

Оглавление

Abschließend soll noch einmal die für die „Erziehung vor Verdun“ so elementare Konstellation von Krieg und Exil in den Blick genommen werden. 1942 schrieb Zweig in der Exil-Zeitschrift „Orient“: „Die Erlebnisse eines Schriftstellers fallen in einen tiefen Brunnen, gleich metallenen Kugeln. Dort setzen sie Patina an, oxidieren, verbinden sich mit ihrer neuen Umgebung. Zieht man sie heraus, so sind sie meist verwandelt, auf ihren wesentlichen Nenner gebracht, kunstgerecht verwittert.“47

Man könnte dies auch als den Prozess der Rekonvaleszenz auf ganz eigene, dichterische Art und Weise bezeichnen; das Credo lautet: „Die Kunst war lang, und kurz war unser Leben.“48 Es ist die Stille, die auf Werner Bertins letzten Roman vor dem Kriegseintritt und dessen letzten Satz, „Solange man lebt, ist nichts endgültig“,49 folgen wird: „Mir aber sind die Augen aufgerissen. Und seither bin ich in Bewegung. Es kommt also nicht auf den Dichter an – vorläufig. Solange die Wirkungen dieses Krieges fortzittern, wird gewissenhaftes Zeugnis das Wichtigste sein für den, der davonkommt.“50

Zweig selbst kämpfte nach dem Ersten Weltkrieg jahrelang gegen das Verstummen. Hinzu kam seine Erblindung infolge einer im Krieg zugezogenen Augentuberkulose. Des Lesens und Schreibens nicht mehr mächtig, diktierte er seiner Sekretärin in stundenlangen Sitzungen seine Bücher, ohne zu stocken. Schon allein deshalb wird ihm Bertins letzter Satz ganz sicher nicht entgangen sein: „So, ganz so, nur viel dichter.“ Der Vergleich ist das sprachliche Ausdrucksmittel des Exils, ein Ort der Bewährung, und doch bleibt er, wie die verlorene Heimat, eine Idee der Gegenwart.

1 Heinz Wetzel: War and the Destruction of Moral Principles in Arnold Zweig’s „Der Streit um den Sergeanten Grischa“ and „Erziehung vor Verdun“, in: The First World War in German Narrative Prose, hg. v. Charles N. Genno u. Heinz Wetzel, Toronto 1980, S. 50–71, hier S. 50.

2 Detlef Claussen: „Rechtschaffen erzählen“ in verbrecherischer Zeit, in: Arnold Zweig: Psyche, Politik und Literatur. Akten des II. Internationalen Arnold-Zweig-Symposiums – Gent 1991, hg. v. David R. Midgley, Bern 1993, S. 202–210, hier S. 203.

3 Arnold Zweig: Erziehung vor Verdun, in: ders.: Berliner Ausgabe, hg. v. d. Humboldt-Universität zu Berlin u. d. Akademie der Künste, Berlin, Berlin 2001, Teil 1, 5, S. 411.

4 Jost Hermand: Engagement als Lebensform. Über Arnold Zweig, Berlin 1992, S. 98.

5 Bernd Hüppauf: Assoziationen. Über Arnold Zweigs Sprache als Aufhebung der Moderne, in: Text und Kritik 104 (1989), S. 38–56, hier S. 40.

6 Arnold Zweig an Helene Weyl, 15. Oktober 1919, in: Arnold Zweig, Beatrice Zweig und Helene Weyl: Komm her, wir lieben Dich. Briefe einer ungewöhnlichen Freundschaft zu dritt, hg. v. Ilse Lange, Berlin 1996, S. 161–164, hier S. 163.

7 Siehe hierzu die Äußerung Zweigs bezüglich der gescheiterten gesellschaftlichen Integration der Juden: „Es muß ein Konstruktionsfehler im Gesellschaftsleben vorliegen, der an dieser Stelle aufklafft.“ (Arnold Zweig: Bilanz der deutschen Judenheit 1933. Ein Versuch, in: ders.: Berliner Ausgabe, Berlin 1998, Teil 3,3,2, S. 236).

8 Zweig [Anm. 3], S. 160f.

9 Arnold Zweig an Lion Feuchtwanger, 26. März 1934, in: Lion Feuchtwanger, Arnold Zweig: Briefwechsel 1933–1958, hg. v. Harold von Hofe, Bd. I: 1933–1948, Berlin 1984, S. 37–39, hier S. 37f.

10 Alexander Lernet-Holenia: Mars im Widder, Frankfurt a. M. 2002, S. 166.

11 Zweig [Anm. 3], S. 180.

12 Arnold Zweig: Erinnerung an einen 1. August, in: ders.: Essays, Bd. 2: Krieg und Frieden, Frankfurt a. M. 1987, S. 23–28, hier S. 28.

13 Zweig [Anm. 3], S. 197.

14 Wulf Köpke sieht in der Figur des Armierungssoldaten den möglichen Handlungsspielraum des jüdischen Schriftstellers „als Deutscher, als Antifaschist“ problematisiert: „Nicht zuletzt ist die Position des Armierungssoldaten symbolisch zu nennen: er ist Soldat, aber ohne Waffen; er ist dem Trommelfeuer und den Fliegerbomben ausgesetzt, aber ohne Gegenwehr; er soll Stellungen und Wege bauen, aber sie werden sofort wieder zerstört.“ (Wulf Köpke: Wozu kann Verdun erziehen? Arnold Zweigs „Erziehung vor Verdun“ als Roman des Exils und als Stück einer lebenslangen Auseinandersetzung, in: Internationales Alfred-Döblin-Kolloquium Saarbrücken 2009. Im Banne von Verdun. Literatur und Publizistik im deutschen Südwesten zum Ersten Weltkrieg von Alfred Döblin und seinen Zeitgenossen, hg. v. Ralf Georg Bogner, Bern 2010, S. 351–371, hier S. 368).

15 Zweig [Anm. 3], S. 496 [Hervorhebung N. D.].

16 Ebd.

17 Ebd.

18 Ebd., S. 100.

19 Martin Buber: Ich und Du, in: ders.: Werke, Bd. I: Schriften zur Philosophie, München/Heidelberg 1962, S. 77–171, hier S. 103.

20 Gottfried Benn: Gehirne, in: ders.: Sämtliche Werke. Stuttgarter Ausgabe, Bd. 3: Prosa 1, hg. v. Gerhard Schuster, Stuttgart 1987, S. 29–34, hier S. 34.

21 Ebd., S. 29.

22 Zweig, [Anm. 3], S. 489.

23 Ebd., S. 492.

24 Benn [Anm. 20], S. 32.

25 Zweig [Anm. 3], S. 291.

26 Ebd., S. 289.

27 Ebd., S. 300.

28 Benn [Anm. 20], S. 34.

29 Ebd., S. 33.

30 Ebd., S. 32.

31 Arnold Zweig: Junge Frau von 1914, Berliner Ausgabe, Berlin 1999, Teil 1,3, S. 313f.

32 Zweig [Anm. 3], S. 496.

33 Ebd., S. 223.

34 Siehe hierzu auch Zweigs Gedicht „Gefällter Wald“ (1920), dessen letzter Vers die poetologische Konsequenz aufzeigt: „Vor wenig Tagen rauschten sie noch gegen Wind gestemmt:/Nun ist der Hügel wie mit Großgranaten abgekämmt,/Und sie, die liegen, sollen, zu Papier gebreit,/Zeitungen werden, Zeitungsblätter, die man auf den Boden streut – /Mit Lügen, Haß, Gewinngier und Verrat bedruckt,/[…] Um Zeitungsdruck erschlagen lag ein junger Wald!/Und ich gedachte eurer, Kameraden, die, in Frankreichs Lehm gekrallt,/Von Großgranaten fürchterlich in Klump gestückelt,/Wir da und dort begruben, in die Zeltbahn eingewickelt;/[…] Papier-erschlagen seid ihr, ach, ins Grab gesunken/Und nun vergessen […]/[…]Im Tannenbrausen hör ich eure gramerfüllten Stimmen gehen …/Ich will mir morgen die gefällten Fichten sehr genau besehn.“ (Jahresringe. Gedichte und Spiele, Berlin 1964, S. 129f.).

35 Zweig [Anm. 3], S. 39f.

36 Ebd., S. 114.

37 Ebd., S. 493.

38 Ebd., S. 200.

39 Ebd., S. 104.

40 Fritz von Unruh: Opfergang, Frankfurt a. M. 1966, S. 153.

41 Zweig [Anm. 3], S. 466.

42 Zweig [Anm. 7], S. 12.

43 Zweig [Anm. 3], S. 114.

44 Ebd., S. 180.

45 Ebd., S. 262.

46 Walter Benjamin: Über einige Motive bei Baudelaire, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd. I.2: Abhandlungen, hg. v. Rolf Tiedemann u. Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt a. M. 1976, S. 614–616, hier S. 616.

47 Arnold Zweig: Cinema Esther Pantomime, in: Orient 3 (1942), S. 1.

48 Zweig [Anm. 31], S. 294.

49 Vgl. Zweig [Anm. 3]. Hier ließe sich die Dialektik des Traumas (vor-)formuliert sehen: „Verdun bleibt für Zweig dabei das zentrale Ereignis seines Lebens, das Trauma, das zur Folge hatte, dass er vom Ersten Weltkrieg nicht los kam und bis zum Ende seines Lebens ringen musste, um mit diesem Ereignis fertig zu werden. Es ist bezeichnend, dass der Romanzyklus, das gewaltige Epos ‚Der große Krieg der weißen Männer‘ nie vollendet werden konnte.“ (Köpke [Anm. 14], S. 368).

50 Zweig [Anm. 3], S. 180.

Die deutsche Exilliteratur 1933 bis 1945

Подняться наверх