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Heinrich Mann „Henri Quatre“ (1935–1938) I. Deutschland und Frankreich

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Am 16. Februar 1933, einen Tag nachdem die Preußische Akademie der Künste eine Pressenotiz ausgegeben hatte, der zufolge Heinrich Mann, der Präsident der Sektion für Dichtkunst, in der Konsequenz eines Gespräches mit dem Akademiepräsidenten Max von Schillings die Akademie verlassen habe, schrieb die „Berliner Börsenzeitung“ über das Geschehen:

Heinrich Mann glaubt immer noch an die französische Revolution […]. Wir aber wollen, daß in der Akademie endlich deutscher Geist herrsche, und daß in ihr Männer wirken, die sich dem deutschen Volk und seinem Ringen um eine Erneuerung des deutschen Lebens zu innerst verbunden fühlen.1

Wenngleich der Kommentar der Zeitung ein frühes Zeugnis jener faschistischen Ideologeme ist, welche die Presse wie das gesamte öffentliche Leben Deutschlands in den nachfolgenden Jahren durchdringen sollten, kann das Werk Heinrich Manns kaum treffender charakterisiert werden als mit einem Hinweis auf die Ideale der Revolution des Jahres 1789 und der ihnen im Diskurs des 19. und frühen 20. Jahrhunderts beigemessenen Bedeutungen und Einflüsse.

In seiner Autobiographie „Ein Zeitalter wird besichtigt“, die im März 1946 erschienen ist, hält Heinrich Mann nicht nur die Erinnerung an jene vertrauliche, abendliche Sitzung fest, die ohne sein Wissen einberufen wurde und zu der er erst auf Drängen des Dichters Gottfried Benn zu späterer Stunde hinzu gebeten worden war; er verbindet seine Erinnerungen an diesen Abend auch mit einer Betrachtung über die Künstler und Intellektuellen, die seit dem aufgeklärten 18. Jahrhundert ihre Heimatländer verließen oder verlassen mussten und in der Fremde ein Exil fanden. Über das schwierige Verhältnis von Geist und Macht, Gedanke und Tat, Ideal und Wirklichkeit nachdenkend, schreibt er über den französischen Philosophen Voltaire:

Voltaire war eine europäische Macht, gleich, ob ein Staat ihn deckte. Die Höfe von Versailles und Potsdam hatten mit ihm zu rechnen; sie erwarteten Vorteile von seinem Ruf, und sie fürchteten ihn. Er sie auch, aber er besaß diplomatische Waffen wie sie und publizistische, die ihnen fehlten. Dagegen wird ein Zeitalter der staatlichen Propaganda eine ohnmächtige Literatur haben. Exiliert wird sie immer sein, ob draußen oder im Lande. Der offenkundige Landfremde wird zuletzt keine trüberen Demütigungen ausstehen als der scheinbar Beheimatete.2

Indem seine Memoiren auf Voltaire und den Einfluss der Schriften des Philosophen auf die politischen Debatten des vorrevolutionären Frankreichs rekurrieren, deutet Heinrich Mann die eigenen literarischen wie publizistischen Arbeiten in der Nachfolge der französischen Aufklärung sowie jener deutschen Intellektuellen, die sich vom Primat des Idealismus der klassischen und romantischen Tradition absetzend auf das Siècle des Lumières beriefen. Zugleich spiegelt sich in der autobiographischen Betrachtung nicht nur die Erfahrung des Exils, sondern auch die resignative Einsicht, dass der Literatur gegenüber den Massenmedien des 20. Jahrhunderts nur mehr eine untergeordnete Bedeutung im Ideenkampf der politischen Auseinandersetzung zukomme.

Die deutsche Exilliteratur 1933 bis 1945

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