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Lebensstil und Verhalten
ОглавлениеDie Klassifizierung von Personen nach Gesundheitsverhalten und Faktoren des Lebensstils, wie etwa Rauchen, Alkoholkonsum oder körperlicher Aktivität, ist nicht nur oberflächlich, sondern erfasst auch nicht die zugrundeliegenden psychologischen Einstellungen der betreffenden Personen. Die Experten sprachen sich aus für eine psychografische und einstellungsspezifische Differenzierung der Individuen. Die Grundlage bilden gemeinsame Vorlieben, Überzeugungen und Emotionen, die sie dazu motivieren, bestimmte gesundheitsrelevante Verhaltensentscheidungen zu treffen.
Die Wahl für oder gegen ein gesundheitsschädliches oder -förderliches Verhalten unterstellt theoretisch die Rationalität von Entscheidungen und eine gewisse Wahlfreiheit. Auch gesundheitsschädliche Verhaltensweisen können aus Sicht des Individuums rational „richtig“ sein, auch wenn sie objektiv Gesundheit gefährden. Zugleich sind sich die Autoren bewusst, dass es eine Reihe u.a. sozialer, psychologischer und ökonomischer Zwänge gibt, die die individuelle Wahlfreiheit einschränken oder Entscheidungen in größerem Umfang vorgeben (s. z.B. Duffy, McLaughlin & Green 2018; Clark & Lohéac 2007). Diese Einschränkung von Wahlfreiheit betrifft – bewusst oder unbewusst – nicht nur indirekt gesundheitsrelevante Entscheidungen wie Berufswahl oder Wohngegend, sondern auch unmittelbar relevante wie z.B. die Wahl von Lebensmitteln, das Maß körperlicher Betätigung oder den Konsum gesundheitsschädlicher Substanzen (s. z.B. Gruber & Köszegi 2001). Vor dem Hintergrund soll Verhaltensentscheidung hier ausschließlich als tatsächlich freie Wahl verstanden werden.
Versteht man unter Hedonismus in seiner modernen Form das individuelle und in Teilen egoistische Bestreben, Krankheit und Schmerzen kurzfristig zu vermeiden und gleichzeitig das eigene Leben mit möglichst viel Lebensfreude und Spaß auszuleben, so ergeben sich im Zusammenhang mit individueller Risikofreude jeweils vier verschiedene Patiententypen, die von „niedrig“ bis „hoch“ eingestuft werden. Die Verknüpfung dieser beiden Skalen führt zu den folgenden Typen von Individuen / Patienten, deren Verhaltenspräferenzen leicht identifiziert werden können (s. Abb. 3).
Personen mit hoher Risikobereitschaft und einer stark hedonistischen Einstellung (DL) zeigen genussorientierte und gesundheitsschädliche Verhaltensweisen wie zum Beispiel die Missachtung von Vorsichts- und Präventionsmaßnahmen, die Ausübung von Risikosportarten etc. sowie einen verstärkten Konsum von Genussmitteln wie Tabak, Alkohol und Drogen. Der Gegenpol zu diesem Typus sind Personen mit geringer Risikoneigung und wenig ausgeprägtem Hedonismus (PL) – solche, die sichere und risikofreie Entscheidungen treffen und sich in Gesundheitsfragen pragmatisch oder gar gesundheitsbewusst verhalten. Idealtypisch sind sie präventionsorientiert und zeigen gesundheitsfördernde Verhaltensweisen wie körperliche Aktivität und gesunde Ernährung. Diese Personen sind vermutlich quer durch die Bevölkerung zu finden, können aber insbesondere mit der gesundheitsbewussten Mittelschicht assoziiert werden. Der „Genussorientierte Lebensstil“ beschreibt Individuen, die einen höheren Grad an Hedonismus aufweisen, dies aber mit einem risikoarmen Lebensstil kombinieren – einige bewusst, ein Großteil vermutlich eher ohne darüber nachzudenken. Der „vulnerable Lebensstil“ (VL) schließlich vereint eine hohe Risikobereitschaft und wenig ausgeprägte hedonistische Verhaltensweisen, die langfristig gesundheitlich schädlich sind. Er umfasst jedoch auch „Workaholics“ und Personen, die (auch) aufgrund ihrer Lebensumstände (eher) risikoreiche Berufe wählen, ohne notwendigerweise in der Lage zu sein, kompensatorische Maßnahmen zu ergreifen. Beide Typen sind sehr krankheitsanfällig, denn sie verfügen über eine eingeschränkte Fähigkeit oder Möglichkeit zur Selbstkontrolle und sind anfällig für riskante Verhaltensentscheidungen. Hohe Risikoorientierung wird tendenziell zu einem höheren Bedarf an Rehabilitation und psychologischer Unterstützung führen. Für Personen mit einem „vulnerablen Lebensstil“ sind ein besseres Gesundheitsbewusstsein, eine verbesserte Gesundheitskompetenz, in Teilen unterstützende Verhältnisprävention und womöglich eine sorgfältige Handlungslenkung und -anleitung notwendig, um risikoreiche Gesundheitspraktiken zu vermindern.
Abb. 3 Patiententypen in Abhängigkeit von Risikobereitschaft und Hedonismus