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Soziale Kohäsion und Netzwerke
ОглавлениеUnter Berücksichtigung der eingangs erwähnten Megatrends wurde die prognostizierte Gesellschaft auch im Hinblick auf soziale Kohäsion, soziale Netzwerke und Unterstützungsleistungen analysiert. Zunehmend heterogene Familienkonstellationen spielten dabei eine vorherrschende Rolle. Es ist auszugehen von einer großen Bandbreite unterschiedlicher Haushaltsstrukturen von Alleinerziehenden, meist alleinerziehenden Müttern, über Patchwork-Familien zusammen mit Kindern aus früheren Partnerschaften bis hin zu Regenbogenfamilien mit gleichgeschlechtlichen Partnern, Großfamilien und vielen alleinlebenden älteren Menschen. Einwanderung wird voraussichtlich die Vielfalt medizinischer Bedürfnisse sowie kultureller Einstellungen und Haltungen im Hinblick auf Gesundheit ebenso wie das Spektrum an individuell unterschiedlichem Gesundheitsverhalten vergrößern. Menschen bringen aus diesen individuellen Lebenslagen als Patienten eine Vielfalt unterschiedlicher sozialer Netzwerke mit sich; einige mit schwachen sozialen Bindungen und andere mit engen sozialen Beziehungen (s. Abb. 4).
Abb. 4 Patiententypen in Abhängigkeit von sozialem Netzwerk und kultureller Integration
Die skizzierten Entwicklungen lassen folgende Annahmen zu:
Es wird weniger einen „Standardpatienten“ geben, sondern vielmehr eine Zunahme an Heterogenität an Patienten mit verschiedenen Bedarfen und Bedürfnissen.
Patienten werden zukünftig sehr unterschiedlich auf familiäre oder vergleichbare Unterstützung, zum Beispiel im Hinblick auf kurz- und langfristige Pflege, zurückgreifen können. Durchschnittlich jedoch vermutlich deutlich weniger, als dies heute der Fall ist.
Der Anstieg der Zahl Alleinstehender und Geflüchteter wird signifikante Folgen hinsichtlich psychischer Belastung und entsprechender Erkrankungen haben.
Durch die Verknüpfung der Faktoren kulturelle Integration und soziale Netzwerke können wir vier Patiententypen unterscheiden. „Kulturell integrierte, soziale Insider (KISI)“ sind Individuen, die Teil der Gesellschaft und kulturell integriert sind sowie starke soziale Bindungen haben. Sie sind beispielsweise Mitglieder von Familien mit Kindern, Mehrgenerationenfamilien, Immigranten der zweiten und dritten Generation und Personen mit einem erweiterten Freundeskreis. Aufgrund einer guten Integration ist diese Gruppe im Krankheitsfall recht gut geschützt. Sie kann sich leicht und relativ eigenständig im Gesundheitssystem zurechtzufinden. Als „Kulturell integrierte, soziale Outsider (KISO)“ gelten diejenigen, die kulturell gut integriert, aber sozial isoliert sind, zum Beispiel Deutsche, die unter Einsamkeit leiden oder keinerlei Familie und Freunde haben. Hier findet sich auch die zunehmend größere Gruppe derjenigen wieder, die in ihrer Fähigkeit, soziale Kontakte zu pflegen, zum Beispiel durch Mobilitätseinschränkungen oder weite Entfernungen zu ihrer Familie, beeinträchtigt sind und sich deshalb einsam fühlen. Zu den „Kulturell nicht integrierten, sozialen Insidern (NISI)“ gehören Personen mit starken sozialen Bindungen, die aber kulturell nicht gut integriert sind, wie zum Beispiel Neuzuwanderer oder Flüchtlinge. Für diesen Typus ist eine kultursensible und genderspezifische Gesundheitsversorgung mit entsprechender sprachlicher Unterstützung erforderlich. Personen mit schwachen sozialen Bindungen und geringer kultureller Integration, d.h. „Kulturell nicht integrierte, soziale Outsider (NISO)“, sind meist alleinstehende Migranten oder Flüchtlinge, die ihre Familien in Kriegen oder bewaffneten Konflikten verloren haben und (noch) über wenige verbindliche Freundschaften verfügen. Für diese Menschen sind soziale Unterstützung und Maßnahmen zur kulturellen Integration noch wichtiger als die reine medizinische Versorgung. Sie gehören zudem zu einer Gruppe, die aus verschiedenen Gründen in der Regel erst recht spät die Leistungen des Gesundheitssystems aufsucht, was eine Behandlung häufig komplizierter, langwieriger und teurer machen kann als nötig. Auch aus diesen Gründen ist sie im Krankheitsfall insgesamt die verletzlichste Gruppe.