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2.2 Computertomografie des Thorax

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Seit 1973 wird die bildgebende Diagnostik durch die Computertomografie (CT) ergänzt. Bei einer CT rotiert die Strahlenquelle gepaart mit dem Detektor 360 Grad um den Patienten, der auf einem Untersuchungstisch durch die Scanneröffnung bewegt wird. Aus dieser Kombination aus Rotation der Röhren/Scannereinheit und der Vorwärtsbewegung des Patienten wird ein dreidimensionaler Bilddatensatz gewonnen, der typischerweise zu Schichtbildern rekonstruiert wird, die Lunge in ihrer Gesamtheit darstellen kann und sichere, häufig dem Goldstandard entsprechende Aussagen zu anatomischen Zuordnungen sowie Gewebeveränderungen erlaubt. Die technische Entwicklung der CT ist durch die Verkürzung der Untersuchungszeit bei gleichzeitig enormer Verbesserung der Bildqualität durch eine bessere räumliche Auflösung geprägt. Gleichzeitig kann die Strahlendosis durch optimierte Protokolle weiter reduziert werden. Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung von Dosis- und Zeit-optimierten Scanprotokollen im Rahmen der Polytraumadiagnostik (4). Dabei wird in Abhängigkeit von der Verletzungsschwere eine höhere Strahlenbelastung zugunsten einer schnelleren Diagnostik für schwer verletzte, instabile Patienten akzeptiert (zeitoptimierte Scanprotokolle). Für stabile Patienten erfolgt die Diagnostik unter dosisoptimierten Bedingungen. Das heißt, um eine niedrigere Strahlenbelastung zu erreichen, wird eine verlängerte Scanzeit akzeptiert. Aus den zu Schnittbildern rekonstruierten Bilddaten der Computertomografie sind rasch verfügbare, umfangreiche qualitative Aussagen über mögliche Ursachen der Gasaustauschstörungen (Belüftungsstörungen, Emphysem) und über deren räumliche Verteilung möglich, wie exemplarisch in Abbildung 2 dargestellt ist. In einer herkömmlichen Röntgenaufnahme wäre durch die Summation der Befunde, z.B. ein ventral gelegener Pneumothorax und eine dahinter gelegene Atelektase projizieren sich im a–p-Strahlengang übereinander, eine diagnostische Aussage erschwert bis unmöglich gewesen. Durch den Einsatz der Kontrastmittel-CT kann die Perfusion beurteilt und damit im Gegensatz zum Thoraxröntgen eine Lungenarterienembolie erkannt oder ausgeschlossen werden.

Abb. 2Computertomographie Thorax mit beidseitig ausgeprägten dorsalen Atelektasen und einem rechtsseitigen ventralen Pneumothorax

Durch die volumetrische Analyse der CT-Bilddaten sind Aussagen zu Lungengewicht und -volumen sowie zur Verteilung unterschiedlich belüfteter Parenchymbereiche möglich, was eine differenziertere Therapieplanung erlauben kann (5). Durch solche quantitativen Informationen, die bisher nur in wenigen Bereichen in der Routine verfügbar sind, lassen sich beispielweise pathologische Erhöhungen des Lungengewichts zur Diagnosesicherung eines Lungenödems nutzen, oder zur Abgrenzung eines Ödems von Atelektasen als Ursache einer Belüftungsstörung. Sind solche CT-Untersuchungen wiederholt notwendig bzw. verspricht eine Wiederholung wertvolle Information für die Therapiesteuerung oder Verlaufsbeurteilung, so sind die Durchführung als low-dose CT oder aber die Durchführung einer CT mit einer reduzierten Anzahl von Einzelschichten Optionen zur Strahlendosisreduktion zu diskutieren. Eine Verringerung der untersuchten Schnittebenen auf zehn erlaubt z.B. ähnlich gute Aussagen zum Verlauf von Belüftungsstörungen bei deutlicher Reduktion der Strahlenbelastung (6). Durch die Wiederholung der CT-Untersuchung im Verlauf der intensivmedizinischen Therapie kann der Therapierfolg beurteilt werden. Aus der Behandlung der COVID-19-Patienten wurde deutlich, dass wiederholte CT-Untersuchungen gerade in der Spätphase eines ARDS den fibrotischen Umbau der Lunge eher erkennen lassen und somit die weitere Therapieplanung bzw. -entscheidungen, im konkreten Fall den Beginn einer Steroidtherapie, beeinflussen.

Nachteile der CT-Diagnostik sind die erhebliche Strahlenbelastung, die Notwendigkeit des Patiententransports sowie der Umlagerung des Patienten auf den Untersuchungstisch der CT-Scannereinheit und die vergleichsweise hohen Kosten. Obwohl im Jahr 2015 CT-Untersuchungen „nur“ 9% aller medizinischen Röntgenuntersuchungen ausmachten, resultierten daraus ca. 66% der applizierten kollektiven effektiven Strahlendosis.

Bei entsprechender Ablaufplanung, einer klar formulierten Fragestellung und einer gezielten Abstimmung zwischen Intensivtherapeuten und Radiologen sollte auch bei hämodynamisch instabilen Patienten oder auch bei Patienten mit einer schweren Gasaustauschstörung frühzeitig eine CT-Untersuchung durchgeführt werden, da in der Risiko-Nutzen-Abwägung eindeutig der umfangreiche Informationsgewinn mit Blick auf die verschiedenen Differenzialdiagnosen und damit die Möglichkeit einer individuellen, gezielten Therapieplanung überwiegt.

Im beschriebenen Fall könnte eine frühzeitige CT-Untersuchung zahlreiche Fragen zur Genese der Gasaustauschstörung aber auch zu Traumafolgen, wie Rippenfrakturen oder einer Lungenkontusion, schnell und sicher beantworten und damit weitreichenden Einfluss auf die Therapieplanung nehmen. Durch den sicheren Ausschluss beispielweise einer relevanten Lungenarterienembolie kann die Therapieauswahl mit großer Sicherheit erfolgen und Komplikationen einer möglicherweise ex-juvantibus durchgeführten Behandlung (Lyse bei Verdachtsdiagnose Lungenembolie) vermieden werden. Da in der Risiko-Nutzen-Abwägung der Informationsgewinn und somit die Möglichkeit einer gezielten Therapieplanung überwiegen, sollte aus unserer Sicht dem frühzeitigen Thorax-CT ein hoher Stellenwert im Rahmen einer Bildgebungsstrategie bei akuten Gasaustauschstörungen eingeräumt werden. Trotzdem sollte dabei jedoch jede Option zur Reduktion der Strahlenbelastung genutzt werden.

DIVI Jahrbuch 2021/2022

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