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2.3 Sonografie (nicht nur) der Lunge

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In den letzten Jahrzehnten hat sich die Sonographie als diagnostisches, strahlungsfreies Bildgebungsverfahren etabliert und durch die Verbesserung der Technologie immer neue Einsatzgebiete erobert und damit auch traditionell etablierte andere diagnostische Ansätze verdrängt. Zu Letzteren gehören die Röntgenthorax-Untersuchung in Bezug auf die Diagnostik des Pneumothorax und pleuraler Flüssigkeit oder die primär arterielle Blutdruckmessung zur Erst-Evaluierung hämodynamisch instabiler Patienten. Die Sonografie der Pleura bzw. die transthorakale Echokardiografie sind hier die aktuell empfohlenen Maßnahmen (7). Gleichzeitig kann die Sonographie nicht nur für initiale diagnostische Aussagen, sondern durch wiederholte Untersuchungen auch zur Kontrolle von Therapiemaßnahmen genutzt werden und dies quasi beliebig oft. Die physikalische Grundlage der Sonografie ist die unterschiedliche Reflexion von Ultraschallwellen an Grenzflächen und die unterschiedliche Abschwächung oder Laufzeitverzögerung an/in unterschiedlichen anatomischen Strukturen. Aus den Laufzeiten und Abschwächungen der reflektierten Ultraschallwellen wird die als B-Bild bezeichnete anatomische Darstellung berechnet. Durch die Entwicklung standardisierter Schnittebenen und Untersuchungsabläufe für Organe und Körperabschnitte wurden sonografische Untersuchungsabläufe strukturiert, einfacher erlernbar sowie reproduzierbar und damit zwischen unterschiedlichen Untersuchern vergleichbar. Um die jeweiligen Bilder vergleichen zu können, müssen darüber hinaus Konzepte zur strukturierten Bildeinstellung- und -beurteilung sowie Bild-Datenspeicherung etabliert werden.

Beispiele für standardisierte Untersuchungskonzepte sind FAST (Focused Abdominal Sonography in Trauma) und FEEL (Focused Echocardiographic Evaluation in Life Support) sowie RUSH (Rapid Ultrasound for Shock and Hypotension). Neben der Mobilität der Ultraschallgeräte und damit dem Einsatz vor Ort am Notfall- oder Intensivpatienten bietet die Sonografie die Möglichkeit, verschiedene Organe wie das Herz nicht nur statisch, sondern dynamisch-funktionell zu beurteilen. Die Füllung der Herzkammern, die Pumpfunktion und typische Pathologien wie die Rechtsherzbelastung bei akuter Lungenarterienembolie können schnell erkannt werden. Eine Rechtsherzbelastung, die sich als Folge der Therapie mit hohen Beatmungsdrücken oder der hypoxisch-pulmonalen Vasokonstriktion bei progredienten Belüftungsstörungen entwickelt, ist mit der Sonografie darstell- und quantifizierbar. Eine Venenkompressionssonografie kann therapierelevante Hinweise zu Ursachen wie z.B. einer tiefen Beinvenenthrombose liefern. Gleichzeitig ist die Sonographie zu einem essenziellen Bestandteil von Interventionen wie der Anlage von Gefäßkathetern geworden.

Die sonografische Lungen- und Pleuradiagnostik kann krankhafte Prozesse, wie z.B. Pleuraergüsse und darin sichtbare atelektatische Lungenareale direkt darstellen (8). Ein zentraler Befund sind Air-Bronchogramme, in den atelektatischen Abschnitten eingeschlossene, restbelüftete Bronchien (9). Dabei können atemveränderliche „dynamische Air-Bronchogramme“ und nicht atemveränderliche „statische Air-Bronchogramme“ unterschieden werden. Dynamische Air-Bronchogramme können im Kontext mit „feuchten“ Atelektasen, die aus der Kombination von Surfactantdysfunktion und alveolärem Ödem, wie sie typischerweise im frühen ARDS und auch nach Lungenkontusionen zu finden ist, auftreten. Pneumonien, bei denen die Atemwege nicht durch Sekret verlegt sind, zeigen ebenfalls häufiger dynamische Air-Bronchogramme (9). Statische Bronchogramme treten dagegen häufiger bei verlegten Bronchien mit vollständigen Resorptionsatelektasen auf. Aus solchen Hinweisen für eine mögliche Verlegung regionaler Atemwege durch Sekret oder Blut könnte die Indikation für eine Bronchoskopie abgeleitet werden. Ein Beispiel für einen Pleuraerguss mit darin darstellbarer Kompressionsatelektase mit eingeschlossenen, im bewegten Bild dynamischen, Air-Bronchogramm ist in Abbildung 3a und b dargestellt.

Abb. 3a) Sonografische Darstellung eines Pleuraergusses links mit atelektatischer Lunge, darin eingeschlossenen Air-Bronchogrammen, Zwerchfell und darunter dargestellter Magenblase. b) Schematische Darstellung des Sonografiebildes aus Abbildung 3a mit Markierung der jeweiligen Strukturen, in der atelektatischen Lunge sind die Air-Bronchogramme durch Kreise markiert.

Die Lungensonografie basiert auf der Interpretation typischer Artefakte, die indirekt Hinweise auf die Natur der zugrundeliegenden Pathologie geben. Beispiele dafür sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Ergänzt werden diese diagnostischen Aussagen durch Möglichkeiten der „point-of-care Kontrolle“ therapeutischer Maßnahmen wie der Tubuslagekontrolle (Tubusvorschub-Beobachtung) bei endotrachealer Intubation.

Tab. 2Sonografie: Organsystem und typische Befunde (nach 8, 12)

Darzustellende Pathologie/Struktur Sonografiebefund
Lunge Darstellung in mindestens 4 Regionen je Hemithorax, Standardisierung wichtig Grundlagen der Zuordnung anatomischer Strukturen: „Bat-Sign“, „Seashore-Sign“
Konsolidierung/ Atelektase Lungenparenchym durch „Entlüftung“ darstellbar; „Hepatisation“ Air-Bronchogramm – Lufteinschluss als Hinweis auf Atelektase/Pneumonie Nachweis eines Lungenpulses
Pleuraerguss Darstellung von Flüssigkeit zwischen Lunge und Thoraxwand, im Erguss schwimmende Lunge Puls-/Bewegungssynchrone Darstellung im Farbdoppler
Pneumothorax fehlendes Pleuragleiten fehlende B-Linien, fehlender Lungenpuls „Barcode-Sign“ statt „Sea Shore sign“ fehlende atembewegliche Verschiebung anatomischer Strukturen Lungenpunkt
Infektion unregelmäßige, verdickte Pleuralinie unregelmäßige Einziehungen Air-Bronchogram – Lufteinschlüsse als Hinweis auf Sekretverhalt/Pneumonie
Tubuslage direkte Darstellung Tubus innerhalb der Trachea sowie direkte Visualisierung einer ösophagealen Fehlintubation indirekte Darstellung korrekte Tubustiefe über Lungengleiten und Lungenpuls
Lungenödem echoreiche, atemsynchrone, vertikale Kometenschweifartefakte (B-Linie) bilateral – Hinweis auf extrapulmonale Genese
Zwerchfell beidseitige Darstellung der Zwerchfellexkursion
Kontraktilität „Vorhang-Zeichen“ – atemverschiebliche Veränderung der dargestellten Strukturen Darstellung der Zwerchfellkontraktion, z.B. transhepatisch, auch im M-Mode
Herz Darstellung in typischen TTE-Schnittebenen subcostal lange Achse (4-Kammer-Blick) subcostal Vena cava inferior parasternal lange Achse parasternal kurze Achse apikal 4-Kammer-Blick
Kontraktilität Veränderung Wandbewegung, „Eyeballing“ Darstellung Perikarderguss
Klappen- veränderungen Klappenfunktion/Klappenschluss anatomische Veränderungen/Vegetationen
Volumenstatus/ -verteilung Füllungszustand der Ventrikel Rechtsherzbelastung, paradoxe Septumbewegung, „D-Sign“ Kompression/Füllungszustand Vena cava inferior

Durch die Darstellung einer fehlenden Zwerchfellexkursion, eines fehlenden Pleuragleitens bei gleichzeitigem Nachweis eines Lungenpulses ergibt sich der dringende Verdacht einer einseitigen Tubuslage (10). Neben der Möglichkeit der Lagekontrolle wird in verschiedenen Arbeiten zusätzlich die ultraschallgeführte Intubation bzw. der direkte Nachweis oder auch Ausschluss einer ösophagealen Fehllage des Tubus beschrieben.

Insgesamt stellt die Lungensonografie ein zentrales bildgebendes Verfahren dar, das viele Anforderungen an eine Point-of-Care Diagnostik (PoC) erfüllt. Aktuelle Erfahrungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie unterstreichen den zuverlässigen und frühzeitigen Einsatz der Sonographie im Rahmen der Diagnostik und Schweregradabschätzung dieser komplexen Lungenerkrankung (11).

Es ist denkbar, dass die PoC-Lungensonographie aufgrund der vielfältigen, therapieentscheidenden Informationen das Stethoskop als diagnostisches Hilfsmittel der „Lungendiagnostik“ verdrängen wird. Die Haupteinschränkungen sind die Abhängigkeit der Untersuchung von individuellen Faktoren des Patienten, die meist nur ausschnittsweise Darstellung von Lungenstrukturen verbunden mit der Notwendigkeit mehrerer Untersuchungsschritte und die notwendige Erfahrung des Untersuchers.

In der Falldarstellung konnte eine frühzeitige Sonografie des Thorax verschiedene diagnostische Fragen rasch, strahlungsfrei und bettseitig beantworten. Beispiele dafür sind der Ausschluss von Pleuraergüssen (kein Nachweis pleuraler Flüssigkeit) oder eines Pneumothorax (Nachweis von Pleuragleiten in allen untersuchten Quadranten, mind. 4 Anlotungen pro Hemithorax). Die in diesem Fall darstellbaren ausgeprägten Lungenverdichtungen mit dynamischen „Air-Bronchogrammen“ als Hinweis auf atelektatisch-ödematöses Lungen-Parenchym, waren wegweisend für die Diagnose. Mithilfe der Echokardiographie erfolgten der Ausschluss einer relevanten Rechtsherzbelastung, eines D-signs sowie einer relevanten Einschränkung der Pumpfunktion beider Ventrikel per eyeballing (Abschätzung des Volumenstatus und der Kontraktilität). Anhand dieser Aussagen war die Differenzialdiagnose „Akute Lungenembolie“ weniger wahrscheinlich. Hätten sich Zeichen einer Rechtsherzbelastung wie paradoxe Septumbewegungen oder ein vergrößerter rechter Ventrikel gezeigt, so hätte dies als Hinweis auf eine Lungenembolie gewertet werden müssen.

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